Syrien vor dem Fall – quo vadis Iran?

Imperialistische Planspiele des Westens gefährden den Weltfrieden

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In Mainstream-Medien jeglicher Couleur ist fast ausschließlich von den „edlen Absichten“ des Westens in Nordafrika und im Nahen Osten die Rede: Sturz von Diktatoren und Unterstützung von „Demokratiebewegungen“. Doch wer glaubt diese Verdummungspropaganda eigentlich...
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Syrien vor dem Fall – quo vadis Iran?
Von Christoph R. Hörstel – raum&zeit newsletter 183

In Mainstream-Medien jeglicher Couleur ist fast ausschließlich von den „edlen Absichten“ des Westens in Nordafrika und im Nahen Osten die Rede: Sturz von Diktatoren und Unterstützung von „Demokratiebewegungen“. Doch wer glaubt diese Verdummungspropaganda eigentlich noch? Der langjährige Fernsehjournalist und Nahostexperte Christoph Hörstel präsentiert knallharte Fakten, die die perfiden Machenschaften der USA und ihrer Verbündeten sowie Israels aufdecken. 

Kriegslügen

Für den Chronisten ist es eine besondere Herausforderung, in sehr bewegten Zeiten den Tod eines wichtigen Mitspielers der internationalen Politik „einplanen“ zu müssen: Als israelische Kampfbomber in der Nacht vom 29. auf den 30. Januar1 Syrien angriffen, hatten sie schon Stunden zuvor über dem Libanon und dem eigenen Staatsgebiet Kreise gezogen.2 Der anschließende Bombenabwurf über einem militärischen Forschungsinstitut bei Damaskus sieht, ohne große Spekulation, nicht aus wie eine Mission, die einen solchen Aufwand rechtfertigt, zumal dort in diesen Stunden keine erheblichen Bodenbewegungen stattgefunden hatten, wie Augenzeugen aussagen. Eine von Agenten gemeldete mögliche Bewegung des syrischen Staatspräsidenten Baschar Al-Assad. Das könnte ein Grund sein, warum Israel ein Geschwader stundenlang in der Luft und in Bereitschaft hält. Und es ist nur eine Randglosse unserer Zeit, dass Israel wegen dieses eklatanten Bruchs internationalen Rechts zu keiner Zeit auch nur eine Debatte im UN-Sicherheitsrat fürchten musste.

Im vergangenen Sommer gab es bereits Meldungen aus Israel, Assad sei getötet worden3,4, das radikale Mainstream-Blatt „Jerusalem Post“ bezeichnete Assad gar als „wandelnden Toten“5 – solche Dinge gehören zum Arsenal psychologischer Kriegführung und bedeuten nichts Anderes als eine öffentliche Morddrohung. Bei der jüngsten Todesankündigung dieser Art Ende März6 erklärte der syrische Präsident im kleinen Kreise, wenn große Medien die Geschichte übernähmen, werde er vor die Kameras gehen.

Nichts Gutes für Syrien

Militärisch erscheint der Umsturz in Syrien ein höchst mühsames Geschäft, solange die Nato weder eine aggressive Flugverbotszone über Syrien einrichtet, was mit den Patriot-Raketen jetzt jederzeit leicht möglich wäre, noch selbst Bombenangriffe fliegt – wie 2011 in Libyen. Mit Mühe gelang es der Türkei, sich der Kurden zu erwehren, die in einem klugen Schachzug Assads plötzlich grenznahe Teile Ostsyriens zur Verwaltung erhielten. Die daraus herrührende Wiederannährung zwischen Israel und der Türkei bedeutet nun für Syrien nichts Gutes. Trotzdem gelingt das logistisch sehr schwierige Herausoperieren einzelner Überläufer aus dem syrischen Regierungsestablishment nur tröpfchenweise. 

Die USA kommen jetzt in die Zwangslage, entweder einen Mord an Assad zu realisieren – oder sich auf eine beschleunigte Erosion ihrer globalen Glaubwürdigkeit einrichten zu müssen.

Zum Beispiel ermutigt die ständig folgenlose Bedrohungspolitik, vor allem gegen Iran, die aufstrebende Atommacht Nordkorea. Das von China restlos abhängige Land bedroht die USA mit nichts in der Hand außer zu kurz fliegenden Raketen und wenigen kruden Atomsprengköpfen, die möglicherweise nicht einmal montagefähig sind.

Oder die Einbrüche ins Dollar-Imperium: Gaddhafi wurde noch 2011 auch wegen seiner Pläne, die Handelswährung Dollar loszuwerden, aus dem Amt gebombt – Japan7 und Südkorea8 haben jetzt ohne den geringsten Kommentar der Supermacht einen Teil ihres Handels auf ihre lokalen Währungen umgebucht. 

Korb für die USA

Das ist der Anfang vom Ende: Wohl und Wehe der globalen US-Dominanz hängen ab vom militärisch gestützten Ausbeutungsmechanismus Dollar. Im vergangenen November mussten die USA zudem heftige wirtschaftliche Einflussverluste in Asien hinnehmen, als 15 asiatische Staaten einschließlich der ASEAN-Gruppe dem chinesischen Konzept einer „Umfassenden Regionalen Wirtschaftspartnerschaft“ ohne USA den Vorzug gaben vor dem damit konkurrierenden US-Konzept einer „Transpazifischen Partnerschaft“ von elf Staaten ohne China!9 Und das trotz chinesischer Gebietsansprüche auf kleinere Insel(gruppe)n an vier der Partnerländer!

In dieser für die USA schwierigen Lage hält nur noch die Hoffnung auf den Jackpot Iran den größten Spieler am Tisch. Und diesen vermeintlichen Hauptgewinn gibt es nur im Doppelschritt: Zunächst muss, auch durch Verlust der Aktionsbasis Syrien, Irans Bundesgenosse Hisbollah nachhaltig geschwächt werden. Damit wären dem Iran die nahöstlichen Trumpfkarten entzogen, dann gilt er den Sandkasten-Strategen in Washington als sturmreif. Zur Sicherheit wird noch die sunnitische Bevölkerung Libanons auf die Schiiten gehetzt.10

Nicht nur in den USA kämpft unterdessen die zionistische Lobby verbissen für den Krieg gegen Iran – hat jedoch bei Obama und im WASP (White Anglo-Saxon Protestant) Establishment sowie in Europa an Einfluss verloren. 

Fest steht: Die USA werden erst dann den hoch riskanten Schlag gegen Iran führen, wenn weitere Schwierigkeiten auf die USA und die dort vorherrschende „Finanzmafia“11 zukommen und der nötige Leidensdruck erreicht ist.

Wichtig im Gesamtbild: Im Iran wird in zwei Monaten gewählt12 – und die westliche Gretchen-Frage lautet: Wie hält es die neue Regierung mit dem Nachgeben im Atomstreit? Antwort: Da der Iran entscheidende Ressourcen in das Atomprojekt gesteckt hat, müsste der Westen den Ausstieg oder das Abbremsen in irgendeiner Form bezahlen, sonst scheitert Irans Wirtschaftsstrategie, die darin besteht, die eigenen Energierohstoffe durch eine heimische nukleare Energieversorgung exportfähig und damit devisenbringend auszubauen. 

Totales Handelsembargo

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Diese mögliche Lösung steht jedoch auf beiden Seiten gar nicht zur Debatte: Die USA haben schon unter Ahmadinedschads höchst konziliantem Amtsvorgänger Khatami einen „großen Deal“ abgelehnt, eben weil man sich von einer „regime change“-Lösung mehr versprach: mehr Geld, mehr strategischen Einfluss, mehr Reputation. Der Iran hat sich dieses hartleibige US-Verhalten gut gemerkt – und weist in den laufenden Verhandlungen neuerdings stets und in ungewohnter Offenheit darauf hin, dass die USA nicht konstruktiv vorgehen13. Die jüngste Atomverhandlungsrunde im kasachischen Almaty ging ergebnislos zu Ende, der US-Kongress hat einen Entwurf für ein totales Handelsembargo beschlussfertig bereitgelegt – und alle Beobachter sind gespannt, ob die USA sich noch vor den Wahlen im Iran dazu entschließen oder noch abwarten.

Problem: In ihrer jetzigen politischen und finanziellen Zwangslage meinen starke Kräfte in den USA, man könne sich konstruktive Kompromisse mit Iran nicht mehr leisten. Die gesamten Atomverhandlungen haben die USA ohnehin nur als „Unterjochungsvehikel“ geplant und gesteuert, die dem Iran nur zwei eng verwandte Lösungen lassen: Unterwerfung unter die Wünsche der USA mit der sicheren Aussicht auf wirtschaftliche Strangulierung durch Wegfall der Nuklearen Energiequelle – oder Krieg. Diese letztere Option ist für die siechen USA deshalb so attraktiv, weil mit der dabei angestrebten Kontrolle über Irans Ressourcen die regionalen Kriegsverluste der letzten 13 Jahre nachträglich in einen Sieg verwandelt werden könnten. Die Alternative dazu sieht für die globalen US-Interessen düster aus: Washington müsste dem globalen Vordringen Chinas relativ hilflos zusehen. Denn für einen weiteren Kriegsschauplatz in Afrika wollen die Europäer nicht gern viel riskieren, allenfalls noch Mali ausrauben. Südamerika ist vor allem durch Chávez um die entscheidende Zukunftsvision reicher und wird diese nicht so leicht aufgeben, auch nicht trotz sechs krebskranker Staats- und Regierungschefs14.

Hier und heute lautet daher der klare Konsens in den USA: alle Optionen in Nah- und Mittelost offenhalten durch Zersetzung und Entkräftung Syriens, möglichst mit erfolgreichem „regime change“, also ohne anschließendes Massaker an Christen und Alawiten. Das ist sehr viel leichter gesagt als durchgesetzt und abgesichert. Doch die Angelegenheit ist in Arbeit: Schon bilden die USA handverlesene Truppen in Jordanien aus15, die in diesem Punkt verlässlich erscheinen und fahren in aller bewussten Öffentlichkeit die Waffenlieferungen hoch16. Auch das im internen Krieg versinkende Libyen hilft reichlich mit Mannschaften und Gerät, von denen übrigens ein guter Teil die westliche Truppenpräsenz in Mali befeuern hilft17

Die Rolle Russlands

Retten könnte Syrien in der gegenwärtigen Lage nur noch Russland. Doch die Russen agieren unschlüssig, weil sie ihre vielfältigen wirtschaftlichen und politischen Ambitionen in der Region nicht auf Schlachtfeldern nach US-Design opfern mögen – keiner der regionalen Mitspieler verspürt große Neigung dazu. Entscheidend ist jedoch, dass Russland ebenso wie Iran prinzipiell auf nahezu jede zivilgesellschaftliche Wirkmöglichkeit in Nato-Ländern verzichtet.

Zwar soll im Mai die russische Mittelmeer-Präsenz noch einmal stark anwachsen18, doch erscheint es angesichts der strategischen Unterlegenheit unwahrscheinlich, dass Russland sich der Nato wegen Syrien entgegenwerfen würde. Also bliebe den Russen nur ein Eingreifen in Syrien auf Regierungsseite – diese Option wiederum verstärkt nur die Aussichten auf eine CIA-gesteuerte Mordoperation gegen Assad.

Bis dahin versinkt Syrien in einem nicht gewinnbaren Abnutzungskrieg – und bereitet sich mit deutscher Hilfe auf die Zeit nach Assad vor19. Vor und hinter den Kulissen gibt es ein Tauziehen um die Trumpfkarte ,Schuldzuweisung für Chemiewaffeneinsatz‘. Sollte es der Nato gelingen, Assad mit ihrer globalen Medienmacht als den Schuldigen hinzustellen, wächst automatisch die Chance auf internationalen Rückhalt für mehr Unterstützung für die Rebellion bis hin zu einem dann nicht mehr ausschließbaren Nato-Truppeneinsatz, den sich die nicht-westlichen Rebellenfreunde sehnlichst und lautstark wünschen. Zunächst einmal hatten die USA versucht, eine Aktion in Homs zu lancieren, die nicht verfing20. Dann „gelang“ die Anwendung in Aleppo am 19. März21, die zunächst Russen und syrische Regierung in Vorteil brachte22. Anschließend jedoch musste Assad im Spiel um die UN-Inspektion des Chemiewaffeneinsatzes vorerst Verluste hinnehmen, weil die US-gelenkte UN-Führung das Untersuchungsmandat derart stark ausweitete, dass eine Durchführung die syrische Sicherheitsarchitektur durch erfahrungsgemäß (Irak!) erwartbare Spionage-Aktivitäten im UN-Gefolge stark gefährdet hätte23.

Unter solchen Kabalen naht das Ende der Assad-Herrschaft – über Iran ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Wichtiges Indiz: Kommt die nächste Sanktionsverschärfung vor den Iran-Wahlen, wird es vermutlich Krieg geben, kommt sie später, hat die Welt eine Chance, noch einmal ohne Krieg davonzukommen.

Der Autor

Christoph R. Hörstel, Regierungs- und Unternehmensberater, ist Experte für Sicherheitsfragen rund um den Nahen und Mittleren Osten. Er bereist seit 1985 regelmäßig Afghanistan und Pakistan, deren Regierungen er auch beriet. Weitere Einsätze absolvierte Hörstel in Indien, Jordanien, Irak und Iran. Hörstel war unter anderem für die ARD als Sonderkorrespondent und Nachrichtenmoderator (2500 Live-Sendungen) tätig. 2001 gründete er die Regierungs- und Unternehmensberatung Hörstel Networks in München. 2006 und 2007 coachte Hörstel ausgewählte Führungskräfte der deutschen ISAF-Truppe im Fach „Landeskunde Afghanistan“. Im Wintersemester 2006/7 lehrte Hörstel als Gastdozent für Postgraduierte an der Universität Hamburg (IFSH) über: „Terrormediation in Afghanistan“. Bisher veröffentlichte Hörstel: „Sprengsatz Afghanistan – Die Bundeswehr in tödlicher Mission“ (München 2007), „Brandherd Pakistan – Wie der Terrorkrieg nach Deutschland kommt“ (Berlin 2008), „Afghanistan-Pakistan: Nato am Wendepunkt“, (Berlin 2010). 2009 rief Hörstel die „Neue Mitte“ aus, die er bis Jahresende zu einer neuen, bundesweiten Partei aufbauen will. 

Internet: www.hoerstel.ch, Twitter: @hoerstelc

 

Fußnoten

1 http://www.spiegel.de/politik/ausland/israel-fliegt-angriff-an-syrisch-libanesischer-grenze-a-880593.html
2 http://www.atimes.com/atimes/Middle_East/OB01Ak02.html
3 http://www.dailykos.com/story/2012/07/18/1111464/-BREAKING-Is-Assad-dead-or-dying
4 http://www.zerohedge.com/news/supposedly-fake-tweets-about-syrian-president-assads-death-cause-all-too-real-spike-crude-and-s
5 http://www.jpost.com/Opinion/Columnists/Bashar-Assad-Dead-man-walking
6 http://www.ijreview.com/2013/03/43103-breaking-syrian-strongman-bashar-assad-rumored-dead-after-reported-assassination-attempt/
7 http://www.reuters.com/article/2012/05/29/japan-china-yuan-idUSL4E8GT00520120529
8 http://www.reuters.com/article/2012/12/04/us-korea-china-currency-idUSBRE8B306F20121204
9 http://www.nytimes.com/2012/11/21/world/asia/southeast-asian-nations-announce-trade-bloc-to-rival-us-effort.html?_r=0
10 http://en.alalam.ir/news/1461817
11 Buchtitel: Wolfgang Hetzer, Abteilungsleiter EU-Betrugsbekämpfung (OLAF)
12 http://www.washingtoninstitute.org/policy-analysis/view/irans-politicians-focus-on-the-2013-presidential-elections-not-the-nuclear
13 http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-02/atomgespraeche-iran-usa http://german.irib.ir/analysen/interviews/item/217853-interview-mit-christoph-hörstel
14 http://www.n24.de/n24/Nachrichten/Panorama/d/1430870/infizieren-usa-suedamerikas-politiker-mit-krebs-.html
15 http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/naher-osten/amerikanischer-bericht-cia-hilft-bei-ausbildung-syrischer-rebellen-12125631.html
16 http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-03/syrien-rebellen-waffen-cia
17 http://www.spiegel.de/politik/ausland/uno-bericht-libyen-liefert-waffen-nach-syrien-und-mali-an-a-893507.html
18 http://de.rian.ru/security_and_military/20130311/265698154.html http://de.ria.ru/security_and_military/20130406/265881361.html
19 http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/naher-osten/konflikt-in-syrien-assad-und-seine-gegner-werfen-einander-chemiewaffen-einsatz-vor-12120143.html http://www.tagesspiegel.de/politik/assad-gegner-das-neue-syrien-kommt-aus-wilmersdorf/6920722.html
20 http://www.sueddeutsche.de/politik/buergerkrieg-in-syrien-us-depesche-naehrt-geruechte-ueber-chemiewaffen-einsatz-in-homs-1.1574333
21 http://www.handelsblatt.com/politik/international/neue-eskalationsstufe-syrische-kaempfer-sprechen-von-chemiewaffen-einsatz/7954174.html
22 http://de.ria.ru/security_and_military/20130321/265772537.html
23 http://www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-assad-verweigert-uno-chemiewaffenexperten-einreise-a-893247.html 

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