Ausverkauf unserer Gesundheit

Ein Hausarzt zeigt bedenkliche Zusammenhänge von Medien- und Klinikkonzernen auf

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Wir werden von einem Kaffeekränzchen regiert und von Medienkonzernen, die die Politiker nach ihrer Pfeife tanzen lassen. Zu dieser Erkenntnis kommt Jan Erik Döllein, denn er fand nach Recherchen bedenkliche Vernetzungen von Medien, Konzernen und Politikern. In einer Email rief er Kollegen ...
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Ausverkauf unserer Gesundheit
Von Dr. med. Jan Erik Döllein – raum&zeit Newsletter

Wir werden von einem Kaffeekränzchen regiert und von Medienkonzernen, die die Politiker nach ihrer Pfeife tanzen lassen. Zu dieser Erkenntnis kommt Jan Erik Döllein, denn er fand nach Recherchen bedenkliche Vernetzungen von Medien, Konzernen und Politikern. In einer Email rief er Kollegen und Interessierte dazu auf, sich gegen diesen Ausverkauf und gegen diese Gehirnwäsche durch die Massenmedien zu wehren. raum&zeit stellt seinen Email-Text in etwas veränderter Form nun seinen Lesern zur Verfügung. Lesen Sie, wer unsere Gesundheitspolitik wirklich bestimmt.
Dass wir Hausärzte zu teuer sind, kann man wirklich nicht behaupten und wertlos sind wir erst recht nicht, denn mit jedem Krankenhaustag, den wir durch unsere Arbeit vermeiden können, helfen wir den Krankenkassen sparen.

Am 30.1.2008 haben sich 7000 von 8000 Hausärzten zu einer Protestveranstaltung in Nürnberg getroffen und diese war die größte und eindrucksvollste ihrer Art seit Bestehen der Gesetzlichen Krankenversicherungen. Keine der großen Boulevardzeitungen brachte meines Wissens einen adäquaten Artikel, Fernseh-Sender gingen tiefer und nachhaltiger auf diese Veranstaltung ein. Die allermeisten Hausärzte eines der reichsten und größten Bundesländer drohen mit Widerstand und niemanden interessiert es. 

Das machte mich stutzig und ich begann nach den Gründen zu suchen. Worauf ich stieß, hat meinen Glauben an den Rechtsstaat im Mark erschüttert und erklärt uns allen die Frage, was hier wirklich passiert.

Der Ausverkauf der Staatlichen Aufgaben 

Man muss weiter ausholen. Spätestens seit der Seehofer-Reform 1997 wurde uns ja schon klar gesagt, dass die deutsche Bevölkerung immer mehr überaltert, dass die Gesundheitskosten aus dem Ruder laufen und die Bezahlung immer weniger vom Solidarsystem übernommen werden könne. Der Lösungsansatz lag neben den Einsparungen, unter denen sowohl die Krankenhäuser als auch die niedergelassenen Ärzte leiden, in der fortschreitenden Privatisierung von Teilen unseres Gesundheitssystems.

Nur allzu gern nahmen viele kommunale Träger die Möglichkeit wahr, ihre defizitären Krankenhäuser an Klinikkonzerne zu verkaufen. Die schlechte Einnahmensituation der Häuser war ein Produkt der Reformen. Grundsätzlich ist diese Tendenz in allen Bereichen unserer Gesellschaft zu finden, der Staat zieht sich aus wichtigen staatlichen Aufgaben zurück und verkauft sein Eigentum, mit dem immer auch eine Sicherstellungsaufgabe verbunden ist, an private Hände. Man kennt dies von der Bahn, von der Post, von der Stromversorgung und zahlreichen anderen Bereichen. Auf der Homepage des Bundestages findet man zu dem Schlagwort Privatisierung über 2000 Einträge aus den letzten fünf Jahren.

Aktuell diskutiert man gerade die Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesens. Schleichend geht damit aber auch ein zunehmender Machtverlust der Regierung einher und der Bürger ist in allen Bereichen häufig der Willkür der Konzerne ausgesetzt. Grundlage dieser Denkrichtung ist der so genannte Neoliberalismus, der eine Entstaatlichung und eine Übernahme gemeinschaftlicher Felder durch “die Bürger“ propagiert, womit allerdings keine Bürgervereinigungen gemeint sind, sondern nur die großen Konzerne.

Die Aufteilung des Gesundheitssystems

Zurück zu unserer Entwicklung im Gesundheitssystem: Es entstanden vier große Klinikketten, namentlich Rhönkliniken, Asklepios, Sana und Fresenius, die miteinander im Jahr 2007 sieben Milliarden Euro Gewinn erzielt haben, wohl gemerkt, der Klinikmarkt ist noch längst nicht komplett aufgeteilt, sondern befindet sich noch zu großen Teilen in den Händen der Kommunen. Es ist aber zu Zeiten der politisch gewünschten DRG-Abrechnung (DRG steht für Diagnosis Related Groups) zu erwarten, dass die stetig größer werdenden Defizite die Landkreise immer mehr zwingen werden, sich von der Schuldenlast zu befreien, ihre Krankenhäuser den interessierten Klinikketten zu verkaufen. Die Gewinnerzielung läuft, auch wenn das stetig verneint wird, über eine Personalkostenreduzierung, indem man aus dem BAT-Tarif (Bundesangestelltentarifvertrag) aussteigt und Haustarife anbietet, denen die Mitarbeiter zustimmen müssen.

Zitat aus der Homepage der Rhönkliniken: „Wir würden den Versuch, uns auf BAT-Niveau binden zu wollen, als Angriff auf die Zukunft unserer Krankenhäuser betrachten.“

Auch die Synergieeffekte wie gemeinsamer Einkauf, Labor etc. der Klinikketten helfen, dass sich vormals rote Zahlen bald in Gewinne verwandeln. Über kurz oder lang werden sich die meisten Krankenhäuser mittelbar oder unmittelbar im Besitz der großen Vier befinden.

Das Aussterben der niedergelassenen Ärzte

Was geschieht nun bis 2020 mit den niedergelassenen Ärzten in Deutschland? Die werden einfach aussterben. Die Ursache ist leicht erklärt: Auch im ambulanten Sektor ist die Honorierung so schlecht geworden, dass sich für einen jungen Arzt das Risiko in die Selbstständigkeit einfach nicht mehr lohnt. Alle Gesundheitsreformen der letzten Jahre hatten nur ein Ziel, nämlich die gesamten Leistungserbringer derart in finanzielle Misslage zu bringen, dass man sich förmlich nach einem Heilsbringer in Form eines professionellen Großbetriebes sehnt, der einem die Last der stetigen Existenzbedrohung von den Schultern nimmt. Durch die Reformen wurde sicherlich auch Geld für die Krankenkassen gespart, aber das war nur der nachrangige Sinn. In Wahrheit wurde hier die komplette Privatisierung der gesamten Gesundheitsversorgung unserer Bevölkerung vorbereitet.

Die Medizinischen Versorgungszentren

Man gründet heute Medizinische Versorgungs-Zentren (MVZ), weil argumentiert wird, dass der Zusammenschluss die Kosten senkt und die Patienten kürzere Wege haben.

Dem kann man nicht widersprechen, aber in Wirklichkeit liefern die, derzeit häufig noch in den Händen von einzelnen Ärztegenossenschaften liegenden, Einrichtungen die ideale Basis für eine Übernahme durch die großen Konzerne. Ab einer entsprechenden Summe wird sicher jeder schwach. Es wird dann fortwährend angestrebt, die in der Region übrigen Arztsitze allmählich billig aufzukaufen, denn andere Interessenten gibt es kaum. Sollte dann der gleiche Konzern auch noch das entsprechende Krankenhaus besitzen, liegt das Monopol der Gesundheitsversorgung einer ganzen Region in den Händen eines einzelnen Privatunternehmens.

Ab dann würden nicht mehr die Krankenkassen den Preis diktieren, sondern der Monopolist, denn niemand anderes kann die Sicherstellung der medizinischen Versorgung garantieren. Die Gelder der Beitragszahler werden reichlich in die Taschen der Besitzer fließen und der mündige Bürger wird in seiner Versorgung komplett auf die Bestimmungen des jeweiligen Konzerns angewiesen sein.

Der Patient als Wertschöpfungsfaktor

Rechte wie die freie Arztwahl will ich hier gar nicht erwähnen, man wird froh sein, dass sich überhaupt noch jemand der Bürger annimmt. Unsere breit gefächerte Arztlandschaft soll also ganz bewusst umgebaut werden zu einer reinen Monokultur, die nur der Gewinnerzielung dient und den einzelnen Patienten als Wertschöpfungsfaktor und nicht als Mensch behandelt.

Mit Sicherheit entstehende Mehrkosten für die Versicherten müssen die Patienten aus der eigenen Tasche bezahlen. Man bezahlt auch, denn man hat ja keine Behandlungsalternative. 

Der Arzt als Dienstleister für Profitkonzerne

Ab diesem Zeitpunkt sind übrigens auch Strukturen wie Kassenärztliche Vereinigungen, Krankenkassen oder Ärztekammern völlig unsinnig geworden, denn einem Alleinanbieter redet niemand mehr drein. Berufsständische Gebote wie Schweigepflicht, Ehrenkodex, Werbungsverbot werden ebenfalls keine Geltung mehr haben, der Arzt ist ein reiner angestellter Dienstleister für den Profitkonzern. Bis 2020 ist alles abgeschlossen.

Warum der Ausverkauf durch unsere Volksvertreter

Diese ganze Entwicklung ist verursacht allein durch die von unserem Staat veranlassten Gesundheitsreformen und man muss sich natürlich fragen, wie können unsere gewählten Volksvertreter diesen Ausverkauf der Persönlichkeit und der Intimität seiner Bürger nicht nur zulassen, sondern sogar auslösen wollen? Wie kann ein Staat bewusst seine Bürger zu gläsernen Wirtschaftsgütern machen? 

Bewusstes Handeln möchte ich den meisten gar nicht unterstellen, denn durch die Nomenklaturen, Umfragen, scheinbaren Kompliziertheiten und angeblichen Komplexitäten wissen die allermeisten unserer Bundestagsabgeordneten überhaupt nicht mehr Bescheid, welche Konsequenzen die Reformen langfristig auslösen werden. Auch die Gesundheitsministerin Ulla Schmid sieht in den MVZ offenbar immer noch eine großartige Wiedererweckung der alten Polikliniken aus Ostdeutschland, wobei sie einen entscheidenden Unterschied vergisst, in der DDR bestand natürlich eine Kostenstabilität durch den Staatsbesitz, während MVZ in den Händen monopolistischer Konzerne die Gesundheitsausgaben sicher ans Limit treiben und auch mit den Patientendaten noch Geschäfte machen.

Die ganzen Ziele dieser entsolidarisierten Übernahme der Bevölkerung werden den Politikern von den Initiatoren angepriesen mit den Begriffen Vernetzung, Qualitätssteigerung, Kommunikationssteigerung und so weiter. Ich glaube fest daran, dass viele unserer Politiker insgesamt davon überzeugt sind, es richtig zu machen, denn die Daten, die sie erhalten, bestärken sie.

Die Initiatoren und Lobbyisten des Ausverkaufs

Die Initiatoren, die still und heimlich unsere Politiker derart stark beeinflusst haben, dass sie zufrieden und mit reinem Gewissen die Grundfesten unseres Staates auf den Markt werfen, sind klar zu nennen: Es handelt sich um Liz und Reinhard Mohn, unterstützt von ihrer Freundin Friede Springer.

Sie halten sich weitestgehend aus den Medien heraus und doch werde ich Ihnen erklären, dass es nahezu niemand anderes ist, der das deutsche Gesundheitssystem zur Ernte für Investoren vorbereitet hat. Das Ehepaar Mohn besitzt, als reiner Familienbetrieb, sowohl die Bertelsmann AG, als auch die Bertelsmann Stiftung, ein geniales Steuersparmodell, denn die Stiftung ist derzeit immer noch als gemeinnützig anerkannt, obwohl sie zu 75% Besitzer der Aktien der AG ist, 25% der Aktien befinden sich in direktem Familienbesitz.

Durch die Gemeinnützigkeit muss die Stiftung die Dividendenausschüttung erheblich begünstigter versteuern, als es die Familie Mohn müsste, wenn sie als privater Eigner Steuern zahlen würde. Die Einsparungen liegen in Milliardenhöhe, denn beispielsweise im Jahr 2006 kursiert ein Gewinn der Bertelsmann AG von 9,7 Mrd. Euro und der Umsatz des Konzerns war 2005 mit 16,8 Milliarden Euro so hoch wie der der nächsten zehn Medienkonzerne zusammen.

Ein „Global Player“, der insgesamt in über 60 Ländern vertreten ist und sich vor allem über die Vermarktung von Kommunikation im weitesten Sinne finanziert. Unter anderem gehört der Bertelsmann AG sowohl die RTL Group, als auch der Gruner + Jahr Verlag, aber auch die, auf breiter internationaler Ebene agierende Arvato, die sich auf alle Kommunikationsplattformen zwischen Bürger und Staat spezialisiert hat. Insgesamt gehört dieser unglaublich mächtige Konzern einer einzigen Familie, der Familie Mohn. 

Friede Springer, die Witwe von Axel Springer besitzt die Hauptanteile des Springerkonzerns und die beiden Damen sitzen häufig bei einem Plausch bei ihrer Freundin Angela Merkel. Ob sich unsere Kanzlerin diese Freundschaft allerdings frei wählen konnte, ist angesichts der Medienallmacht von Liz Mohn und Friede Springer, die übrigens einen ausgesprochen sympathischen Eindruck machen, mehr als fraglich. 

Reformen aus den Hinterzimmern der Macht

Die politische Einflussnahme erfolgt über die Bertelsmann Stiftung, eine Institution, die sich vom Steuersparmodell schnell zum größten und durch den Medienhintergrund mächtigsten Think Tank der Republik gewandelt hat. Obwohl man in den Medien kaum den Namen Bertelsmann hört, ist es doch erklärte Politik, die Gesellschaft zu verbessern, zu reformieren und zu perfektionieren, vorwiegend in den Hinterzimmern der Macht. Übrigens relativ klar formuliert von Reinhard Mohn selbst, der wohl auch aufgrund seines Alters mittlerweile die personelle Führung in die Hände seiner Ehefrau gelegt hat. Ein Kaffeekränzchen regiert also unser Land.

Die Mohn Sekte

Ich muss gestehen, dass mich der extrem apodiktische Anspruch und die verlockenden Heilsbotschaften leider an die Ideen von Scientology erinnert haben, jedoch habe ich bei allen Recherchen keine Verbindung entdecken können und behaupte dies auch nicht. Letztendlich ist dies aber wohl auch der Grund, warum auf zahlreichen Internetseiten von der „Mohn-Sekte“ gesprochen wird und gerade wir Deutschen müssen immer hellhörig werden, wenn jemand für sich allein den Anspruch proklamiert, zu wissen, was eine bessere Welt ist. Eine Frage, die sich mir ständig stellt, ist, wie verfassungskonform ein Lobbyismus ist, bei dessen Nichtbeachtung unsere Volksvertreter fürchten müssen, über die Vernichtung in den Medien ihren Job zu verlieren. Wenn ein Beruf, wie der des Politikers so stark von der öffentlichen Meinung abhängt und diese Meinungsbildung in den Händen zweier Damen liegt, wie viel ist dann eigentlich unsere Demokratie noch wert?

Die Macht der Medien und Meinungsumfragen

Nun zurück zum Gesundheitssystem: Die Bertelsmann Stiftung berät, aus natürlich nur idealistischem Grund die gesamte Bundesregierung, aber natürlich auch viele andere Konzerne mit Fakten, Demographie, Benchmarks und Qualitätskriterien. Sie schafft Diskussionsforen und Kongresse, bei denen ausgewählte Referenten Bertelsmannpositionen vertreten und fortwährende, subtile Meinungsbildung aus einem Guss erfolgt. Dabei hat die Stiftung in Deutschland aufgrund ihrer „Uneigennützigkeit“ gerade in Politikerkreisen eine außergewöhnlich große Reputation erlangt.

Der Volksvertreter muss, um richtige Entscheidungen treffen zu können, wissen, mit welcher Sachlage er konfrontiert ist, was die Bevölkerung will und welche Risiken bestehen. Diese Daten liefert Bertelsmann, gleich kombiniert mit den entsprechenden Lösungsansätzen. Die Macht der Demographie und Demoskopie ist überragend. Wenn mir jemand sagt, ich solle meine Praxis renovieren, habe ich die Möglichkeit, frei zu entscheiden, wenn mir aber jemand sagt, 87% der Bürger unserer Stadt finden die Einrichtung und die Farbwahl meiner Praxis schrecklich, wie sehr gerate ich dann bei meiner Entscheidung unter Druck? Deshalb kann man den Politikern letztendlich gar keine Vorwürfe machen, denn sie meinen ja, ihre Reformentscheidungen für das Volk zu treffen. Anprangern könnte man höchstens, dass sich viele schon so weit vom Bürger entfernt haben, dass sie ihn nicht mehr selbst befragen können.

Wir lesen nur von Versäumnissen und Fehlern der Ärzte

Ähnlich verhält es sich auf alle Fälle mit dem Gesundheitssystem. Ständig wird von Bertelsmann kritisiert, die Kommunikation und die Zusammenarbeit zwischen den ambulanten und den stationären Ärzten ist schlecht, die Qualitätskriterien werden nicht beachtet, man kann unsere Arbeit nicht messen und statistisch erfassen. Die Medien beschränken sich in der Berichterstattung nur auf Fehler und Versäumnisse unseres Berufsstandes, die tägliche Arbeit um die Gesundheit unserer Bevölkerung findet keine Erwähnung.

So sturmreif geschossen, glauben viele Politiker, an dieser „desolaten“ Situation etwas ändern zu müssen, zumal, ich gestatte mir zu sagen, angeblich das Geld immer weniger wird. Heilsbringer sind hier wieder die privaten Träger, die dem chaotischen System der Einzelpraxen mit einer Fülle an Controlling, Effizienzsteigerung, Qualitätsmanagement, Benchmarking und repräsentativer Außenwirkung entgegentreten. Das ist der Anspruch, der von der gemeinnützigen Stiftung in die Köpfe der Bundespolitiker geimpft wird, das ist alles so schön nachvollziehbar und welcher Politiker möchte nicht im Gesundheitssystem Qualität und messbare Größen? Doch wird menschliche Nähe und soziale Wärme jemals quantifizierbar sein?

Die Gefahren des Monopolismus werden unterschätzt

Offensichtlich bemerken Viele nicht, auf welche Gefahr wir zusteuern: wenn das System der Einzelpraxen dem Monopolismus einiger weniger Konzerne weicht, wie groß ist dann deren Macht? Was Bertelsmann davon hat, unsere Bürger zu vermarkten? Nun, Liz Mohn sitzt im Aufsichtsrat der Rhön Kliniken AG, dem größten privaten Klinikbetreiber in Deutschland. Und ich bin überzeugt, dass es noch tausend anderer gewinnversprechender Gründe gibt, mit denen sich die Bertelsmann AG dieses völlig neue, bisher geschützte Wirtschaftsfeld erschließen wird. Sei es durch Schriftmedien, Kommunikationsplattformen Fernsehprogrammen etc. 

Der Wandel von Herrn Knieps

Interessant fand ich auch die Rolle des Frank Knieps, der noch 2003 als AOK-Geschäftsführer vor einer Privatisierung der Gesundheitswirtschaft warnte, weil diese über kurz oder lang die Kosten in die Höhe schnellen lasse. Mittlerweile steht er auf der Referentenliste jeder Bertelsmannveranstaltung und sitzt im Bundesgesundheitsministerium als Verantwortlicher für die Umsetzung der Reformen. Ich kann mir ein Zitat aus einem Interview von 1999 mit den „Verbrauchernews“ einfach nicht verkneifen, es ging um die Forderungen der Reformkommission Soziale Marktwirtschaft, gesponsert von der Bertelsmannstiftung: „Die Kommission ruft zur Abkehr von den tragenden Strukturprinzipien der sozialen Krankenversicherung auf … Gesundheit soll von den wirtschaftlichen Möglichkeiten des Einzelnen abhängig gemacht werden. … Die Vorschläge der Kommission enthalten keine neuen und schon gar keine brauchbaren Gedanken zur politischen und finanziellen Stabilisierung der Krankenversicherung. Sie sind Blendwerk, weil sie Gesetze der Marktwirtschaft im Gesundheitswesen einführen wollen, die dort gar nicht gelten können.“

2003 warnte Frank Knieps als Geschäftsführer der AOK vor dem Ausverkauf der Gesundheitswirtschaft. Heute koordiniert er die Reformen.

Bewundernswert, soviel fällt mir dazu ein, wie schnell gut dotierte Referentengehälter die Meinung nahezu um 180 Grad drehen können.

Die Geschichte mit der ECard

Nett ist auch die Geschichte mit der E-Card, die von den Stiftungsgremien immer als Weg aus der Intransparenz und dem angeblichen Mangel an Kommunikation zwischen den medizinischen Leistungserbringern hochgehalten wird. Obwohl sich alle Ärzteverbände dagegen aussprechen, weil die E-Card eindeutig ein Eingriff in die ärztliche Schweigepflicht und die Individualität des einzelnen Bürgers ist, betreibt das Bundesgesundheitsministerium weiter deren Einführung.

Beauftragt, für ein Volumen von vorausichtlich 1,9 Milliarden Euro, ist der Konzernteil Arvato. Es ist übrigens müßig zu nennen, dass dieses Unternehmen zusammen mit dem Verlag Gruner + Jahr und dem Springer Konzern das modernste Druckzentrum Europas Prinovis hält. Je tiefer man sucht, desto öfter findet man die Verquickung der selbsternannten Eliten, die uns in Wirklichkeit regieren. 

Ich gebe zu, gar nicht tiefer gestöbert zu haben, denn eigentlich wollte ich ja nur die Frage klären, warum unsere Situation ist, wie sie ist. Ich habe auch bei Frau Springer und ihrem ganzen Konzern keine offizielle Beteiligung an den großen Klinikkonzernen gefunden, deshalb kann ich mir letztendlich nur vorstellen, dass entweder entsprechender Aktienbesitz oder die multiplen Verwebungen mit dem Bertelsmann Konzern der Grund sind, warum sich die Springerpresse so mitschuldig macht an der Vernichtung der ambulanten Patientenversorgung durch niedergelassene Ärzte.

Abschließend möchte ich noch einmal kurz zusammenfassen:

1. Krankenhäuser machen politisch gewollte Defizite und werden an Klinikketten verkauft.

2. Niedergelassene Ärzte verdienen politisch gewollt so wenig, dass der Nachwuchs ausbleibt. Sie werden durch MVZ ersetzt, die zu guter Letzt ebenfalls den Klinikkonzernen gehören werden.

3. Die medizinische Versorgung unseres Landes liegt dann nicht mehr in der Verantwortung von Ärzten, sondern von Konzernen.

4. Monopolstrukturen und die Lenkung der Patientenströme garantieren bei einer überalterten Bevölkerung eine geradezu utopische Ertragssituation.

5. Ärztliche Standestraditionen werden dem reinen Streben nach Ertrag geopfert werden. Die gesundheitspolitische Landschaft wird sich von Grund auf radikal verändern und entsolidarisieren.

6. Die Ursache liegt nicht in dem Wunsch der Bevölkerung, sondern in der geschickten Manipulation der Regierung durch hochpotente Lobbyisten, die die Macht haben, über das Schicksal der Politiker zu verfügen.

Dies ist nur die Spitze des Eisberges

Ich weiß, dass ich Ihnen hier viele Fakten und Daten zugemutet habe, aber ich verspreche Ihnen, dass es sich hierbei nur um die absolute Spitze des Eisberges handelt. Ich könnte die Entstehung der Hochschulgebühren oder die Beeinflussung der Schulpolitik nennen, ich könnte die Agenda 2010 der rot-grünen Regierung nennen, die in all ihren Details nahezu komplett aus der Feder der Bertelsmannstiftung stammt. Ich empfehle Ihnen nur einmal, in Ihre Suchmaschine die zwei Schlagwörter „Bertelsmann“ und „Kritik“ einzugeben und Sie finden eine derartige Fülle an Informationen, wie dieser Konzern Deutschland fest im Griff hat und seine Bevölkerung zu Schafen degradiert, deren Wolle reichlich Gewinn abwirft. Dabei ist es völlig unwichtig, ob man ein Arbeitsschaf, ein Landtagsschaf oder ein Bundestagsschaf ist, die gesamte Bevölkerung trägt dazu bei, den Nachschub an Wolle zu liefern.

Ich weiß nicht, wie wir alle es verhindern können, dass Gesundheit zu einer profitablen Beute für die mächtigen Konzerne werden wird, nur haben wir Ärzte generell eine nicht kontrollierbare Kommunikationsplattform, nämlich unser Wirken vor Ort, bei den Bürgern. Informieren Sie sich erst mal selbst, machen Sie sich ein eigenes Bild, bevor Sie mir alles glauben. Betrachten Sie die Medien einmal unter dem neu gewonnenen Aspekt der Unfreiheit und Manipulation. Wenn wir uns der Hintergründe bewusst werden, sieht man auch, wie unwichtig eigentlich die Streitereien der Berufsverbände sind, wie sensationell allerdings der Protest der Hausärzte in Bayern war. 

Offene Fragen

Ich habe noch so viele Fragen, die ich Sie alle bitte zu beantworten, z.B. welche Rolle spielen die Krankenkassen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese sehenden Auges in eine Zwangssituation laufen wollen, in der sie ausgemolken werden wie nie zuvor. Auch ist es doch höchst fragwürdig, ob man überhaupt dann noch Krankenkassen benötigt. Wenn ohnehin die Versorgung monopolistisch in den Händen der großen Konzerne liegt, ist es wohl zu erwarten, dass man seinen Krankenversicherungsbeitrag unmittelbar dorthin überweisen wird. Das ist in letzter Instanz das System des amerikanischen Konzerns Kaiser Permanente, mit dem unsere, hoffentlich getäuschte Gesundheitsministerin durchs Land zieht und das auf allen Internetseiten des Bundesgesundheitsministeriums so überzeugt angepriesen wird.

Wie ist das mit Healthways? Sind die so klug, dass sie die Vermarktung unserer Republik bereits erkennen und ähnlich einem Bohrteam die besten Pfründe sichern wollen? Oder besteht hier eine Übereinkunft mit der Bertelsmann AG, für die es ein leichtes wäre, die Bevölkerung gegen diesen potentiellen Gegner aufzubringen? Geben Sie mal „Atlantikbrücke“ in Ihre Suchmaschine ein erweitert den Horizont erheblich.

Ich habe Angst vor dieser ganzen Verstrickung und erst recht vor dem Gedanken, in einem Land zu leben, das längst in den Händen von Konzernen ist. Ich kann nur diese Ergebnisse meiner Recherche darstellen und allen verantwortungsvollen Bürgern erklären, in der Hoffnung, dass dadurch eine Diskussion angeregt wird, in allen Bereichen des täglichen Lebens. Ich kann als Arzt Menschen nicht verändern, ich kann als Arzt aber die Menschen informieren über Gefahren, die in ihrem Verhalten gründen, kann sie warnen und versuchen, über die Risiken und Nebenwirkungen aufzuklären. 

Hinterfragen Sie, warum ein Mann wie Horst Seehofer, obwohl er die Türen geöffnet hat für diese Politik, heute in der Passauer Neuen Presse als scharfer Kritiker des Neoliberalismus zitiert wird und erinnern Sie sich, bei aller Fragwürdigkeit, warum er gerade vor der Bewerbung zum CSU-Vorsitz durch die Medien geprügelt worden ist. Dieses Schicksal droht allen Abtrünnigen und natürlich habe auch ich persönlich echte existentielle Angst vor den Auswirkungen dieses Dossiers.

Einfache Lösung

Die Lösung des Problems der Rettung unseres Gesundheitssystems wäre einfach: Würde man den Beruf des selbstständigen Arztes wirklich wieder attraktiver machen, würde diese Berufsgruppe immer ein mächtiges Kontrollorgan und einen Gegenpol zu der Konzernpolitik darstellen, zumindest solange, bis man uns auch korrumpiert hat.

Die grundsätzliche Beurteilung der derzeitigen Lage unserer Nation überlasse ich sehr gerne anderen, denn die werden dafür bezahlt. Es ist wichtig, dass der Staat sich wieder seiner Verantwortung für den einzelnen Bürger bewusst wird und nicht für den Bürger in der Definition des Neoliberalismus. Machen Sie sich Gedanken und, was mich freuen würde, überzeugen Sie mich, dass ich mich irre, dass alles, was ich heute hier verfasst habe, nicht wahr und das Hirngespinst eines Spinners ist, Sie könnten mir keine größere Freude machen! 

Der Autor

Dr. med. Jan Erik Döllein
Allgemeinarzt, CSU-Kreis- und Gemeinderat Mitglied des Verwaltungsrates der Kreiskliniken Altötting/Burghausen.Dr. med. Jan Erik Döllein leitet eine gut gehenden Hausarztpraxis in Neuötting, Oberbayern. Er ist politisch in seiner Region engagiert, seit zwölf Jahren Gemeinderat und seit sechs Jahren Kreisrat der CSU. Als Arzt und Demokrat aus tiefstem Herzen stellte er sich die Frage, warum die Politik beschlossen hat, dass Hausärzte aussterben sollen – denn nichts anderes bewirken die Gesundheitsreformen. Er fragte sich wie unsere Politiker unser Gesundheitssystem ausverkaufen können und damit eine Monopolisierung im Gesundheitswesen fördern, so dass wir alle bald von Profitgier der vier großen Konzernketten abhängen werden. Die entsolidarisierte Übernahme der Bevölkerung nennt er die Aufteilung des Gesundheitssystems unter den Klinikmonopolisten.

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