raum&zeit Ausgabe 122

März/April 2003

Evolution des Chromosoms
Liebe prägt Gene

Mathematik des Universums
Spielt Gott Schach?

Medizin
Neurosen eingeimpft

raum&zeit-Interview
Israel verkennt Schlüssel zum Frieden

Editorial: Väter und Kinder

Deutschlands Jugend schaut auf zu den frischgebackenen Superstars. Was werden die Kinder im Irak demnächst zu sehen bekommen? Die strahlende Explosion einer US-amerikanischen Atombombe? Rumsfeld will es im Irak richtig rumsen lassen und schreckt vor einer nuklearen Katastrophe nicht zurück.

Amerikanische Militärexperten spielen mit dem Gedanken, unterirdische Höhlensysteme im Irak mit Nuklearwaffen zu zerstören. Um diesen Wahnsinn zu genehmigen, bedarf es keines Angriffes auf die USA. Das Todesurteil über Tausende von unschuldigen Menschen darf bereits gefällt werden, „wenn gewisse Angriffziele nicht mit herkömmlichen Waffen bekämpft werden können“ oder sich „eine überraschende militärische Lage“ entwickelt, so ein kürzlich veröffentlichtes Dokument des US-Militärs.

Wer sind eigentlich diese Militärexperten? Größenwahnsinnige Übermenschen? Welches Recht haben sie, Frauen und Kinder in Angst zu versetzen und arrogant mit dem Atomtod zu drohen? Man sollte sie verklagen wegen Geiselnahme, Nötigung, Verletzung der Privatsphäre und Freiheitsberaubung.

Der Irak versteckt vielleicht Massenvernichtungswaffen, die Saddam bereits an den Kurden testete. Doch auch die USA wendeten sie an. Jetzt klopft Powell auf den Busch und droht dem irakischen Volk mit Krieg, in dem auch Nuklearwaffen eingesetzt werden können. Wofür sollen die Menschen im Irak so hart bestraft werden? Weil sie unter einem Diktator leiden? Will man die Iraker von Kopfschmerzen befreien, indem man ihnen die Köpfe abschlägt?

Die Iraker dürfen ihr Erdöl nicht verkaufen. Deshalb verspürt die Öl-geschmierte US-Regierung das dringende Bedürfnis, diese Ware auf den freien amerikanischen Markt zu bringen und gleichzeitig den bösen Saddam zu stürzen. Ein edles Ansinnen, nicht wahr?
Wieso beauftragt man mit dieser Mission nicht eine kleine Antiterrorgruppe, sondern stürzt ein ganzes Volk in den Krieg?
Offensichtlich deshalb, weil die wahre Ursache der US-amerikanischen Kriegspolitik weder im Irak, noch in Afghanistan liegt. Sie lag auch nicht in Vietnam, Korea, Laos oder Kambodscha, sondern im ungebremsten Wachstum der privaten Rüstungsindustrie.

Die Automobilindustrie kann nur Umsatz machen, wenn Autos zu Schrott gefahren werden. Genauso funktioniert die Rüstungsindustrie. Raketen müssen abgeschossen werden, Bomben müssen explodieren. Nur so entsteht Umsatz. Und die Nachfrage muss da sein. Also braucht man Konfliktzonen und Schurkenstaaten. Außerdem gibt es ja Terroristen. Die können sich überall verstecken. Und genau dort schlägt man halt zu. So ergaunert man sich das globale Kriegsrecht.

Muskelprotzen gegenüber Schwächeren ist eine langjährige Tradition der US-amerikanischen Außenpolitik. Menschenverachtende Kriegsführung ebenso. Im Vietnamkrieg glänzten die amerikanischen Kriegshelden mit flächendeckendem Einsatz von Chemiewaffen und Napalm gegen halbnackte Kinder, Frauen und Greise.

In den Familien US-amerikanischer Berufssoldaten sind Unterhaltungen zu politischen Themen offiziell verboten. Fürchtet man die Wahrheit? Warum sind amerikanische Familienväter in der Lage, Bomben auf irakische Väter, Mütter und Kinder zu werfen?

Unsere Gegenwart erinnert mich an einen Alptraum. Ich sehe mich gefangen in einer Zeitmaschine, die mich unwiderruflich in die Vergangenheit schleppt. Dann wiederholt sich die Geschichte. Keiner erinnert sich an etwas. Und es ist wieder Krieg. Auf welcher barbarischen Entwicklungsstufe befindet sich eigentlich unsere Gesellschaft?

Krieg schafft keinen Frieden, sondern erzeugt Hass, der zum nächsten Krieg führt. Das ist gut für die Rüstungsindustrie, aber nicht für Väter, Mütter und Kinder.

In diesem Sinne herzlichst Ihr
Hartmut Müller

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