raum&zeit Ausgabe 132

November/Dezember 2004

Medizinforschung
Rätsel des Blutes entschlüsselt

Total überwacht
Neue unsichtbare Waffen im Einsatz

Arbeitslosigkeit
Das machen die Deutschen falsch!

Ur-Wissen wiederentdeckt
Krebs verstehen und heilen

Editorial: Verpasste Chancen

Es ist wieder soweit. Sieben Millionen, mindestens aber 4,6 Millionen arbeitswillige Menschen sind in Deutschland ohne Job. Jeder fünfte Arbeitslose wählt in Sachsen und Brandenburg rechtsextrem und bringt die Nationalsozialisten heim ins Parlament. Gleichzeitig verpasst Filmproduzent Bernd Eichinger im derzeit meist diskutierten Film Deutschlands die Chance zu zeigen, warum Hitler untergehen musste. Jeder, der heute dieses Thema aufgreift, sollte aber Stellung beziehen.

Unparteiisch zu sein ist keine Tugend, sondern eine Illusion. Das Alte Testament lehrt zwar: Sei nicht parteiisch, dir selbst zum Schaden, strauchle nicht, dir selbst zum Fall. Johann Wolfgang von Goethe schrieb jedoch: Aufrichtig zu sein, kann ich versprechen, unparteiisch zu sein, aber nicht.

Wahrheit hat nichts mit Wertefreiheit zu tun. Es gibt keine Darstellung ohne Bewertung.

Ein Künstler, der sich selbst vor einer Wertung drückt, riskiert allerdings, falsch bewertet zu werden, zum Beispiel von zwölfjahrigen Kindern und insbesondere von Jugendlichen aus der Sächsischen Schweiz.

Worin besteht der Sinn eines Kunstwerks? Worin besteht überhaupt der Sinn der menschlichen Existenz? Es ist der Anspruch, etwas mehr zu sein als der Teil eines ewigen Stoffwechsels oder wirtschaftlichen Kreislaufs.

Kunst ist nicht die Story, die der Künstler darstellt, sondern Kunst ist, wie er das tut. Kunst ist ein Spiegelbild der modernen Gesellschaft, in der der Künstler lebt. Vielleicht gibt Eichinger deshalb keine Antworten, weil unsere Gesellschaft keine hat?

Bedeutet Massenarbeitslosigkeit eine Gefahr für unsere Zivilisation? Sind wir vor einer neuen Flut des Nationalismus und Chauvinismus wirklich sicher?

Ist es wirklich wichtig, Waren möglichst billig produzieren zu können? Ist das Wohl eines Unternehmens wirklich wichtiger als das Wohl der Gesellschaft? Ist der Mensch nur noch ein auswechselbares Rädchen im hemmungslosen Wirtschaftsgetriebe?

Besitzt der Unternehmer überhaupt noch wirtschaftliche Handlungsfreiheit oder ist sein Wille nur Illusion? Hat der Bürger überhaupt die Möglichkeit, politisch und wirtschaftlich wichtige Entscheidungen mit zu gestalten oder darf er nur alle vier Jahre den einen oder anderen machtgierigen Parteibonzen Dauerjobs verschaffen? Seit wann beschränkt sich Demokratie auf die Wahl irgendeines Parteiprogramms? Warum ergreift man die Chance nicht, Fernsehen und Internet zur Abwicklung von Volksabstimmungen zu nutzen?

Ein Kopf denkt, zwei Köpfe denken besser – sagt ja der Volksmund. Etwas weniger Arroganz, etwas mehr Ehrlichkeit und Vertrauen – wer weiß, vielleicht hätte man so die eine oder andere politische Fehlentscheidung vermeiden können. Ein kluger Mann macht nicht alle Fehler selber; er gibt auch anderen eine Chance – sagte einmal Winston S. Churchill.

In diesem Sinne
Herzlichst Ihr

Hartmut Müller

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