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Alles hat seinen Preis!

raum&zeit-Kolumne von Manfred Jelinski

Frau Twesten soll nicht gekauft worden sein. Ist die Welt nicht irre?
Da kommt also eine Landesregierung zu Fall, weil eine Abgeordnete die Seiten wechselt und die Mehrheit dieser Regierung nur aus einer Stimme bestand. Und sie behauptet auch noch, nicht gekauft worden zu sein? Ja, was soll denn das? Warum denn nicht? Oder ist es ihr peinlich, weil sie nachträglich herausgefunden hat, dass der Betrag viel zu gering war?
Vielleicht hat sie mitbekommen, wie es im Fußball läuft mit dem Seitenwechsel. Da kostet ein Spieler wie Neymar schon mal 222 Millionen. Ablöse nennt man das. Diese Summe kriegt natürlich die alte Partei, pardon, der alte Verein. Und damit der Spieler auch selbst will, kriegt er 78 Millionen. Von dem Emir aus Katar, dem der andere Verein gehört. Natürlich gibt es sogenannte Ethikregeln. Aber dafür muss man eben auch bezahlen. Das ist längst ein ganz normaler Vorgang. Kein Grund zur Aufregung.
Weltmeisterschaften und Olympische Spiele werden so vergeben.
Nun kann man einwenden, das sei eben im Sport so. Das ist doch Quatsch. Schon ein Blick in die Parteiprogramme zeigt: Wie bei Sportvereinen gibt es nur ein Ziel – Erster werden. Und auch in der Politik ist Vorteilsnahme längst gesetzlich geregelt.
Der Ministerpräsident von Niedersachsen sitzt im Aufsichtsrat von VW, weil das Land 20 % der Aktien hält und wird entsprechend bezahlt. Das ist ehrlicher Lobbyismus zugunsten des Staates, weil über die Aktien Geld in die Kasse kommt. Die Ministerpräsidenten von Schwaben und Bayern sind doch bloß neidisch, weil sie das mit Daimler und BMW nicht haben.
Jedenfalls nicht so offiziell, denkt man an die Herren von Klaeden, Wissmann und Jansen.
Das ist aber nicht unethisch. Ethik ist, was kommerziell durchgesetzt werden kann. Als USA-Kolonie sollten wir uns danach richten, wie das in dem führenden Land der Erde gesehen wird. Dort wählt man auch einen Präsidenten, von dem man weiß, dass er sich nur beworben hat, um die eigenen Taschen zu füllen.
Dann fällt ja auch was für den kleinen Bürger ab. Hat er doch auch deutlich gesagt: America first!
Und wir kennen doch den einschlägigen Discosong dazu (der eigentlich ganz anders gemeint war): „First we take Manhattan, than we take Berlin!“
Moskau ist ein bisschen zu teuer. Noch.
Und Peking hat leider selbst zu viel Geld. Oder Nordkorea. Da muss man noch dran arbeiten. Aber käuflich sind die sicher auch.
Es kommt nur auf den Betrag an.
In solchen Diskussionen höre ich oft, dass es ungerecht sei, wenn eine langjährige kleine Verkäuferin von der Supermarktkette deshalb entlassen worden sei, weil sie einen gefundenen Pfandbon über 130 Cent für sich verwendet habe.
Das ist nicht ungerecht, das ist ehrlich. Die Angestellte hat sich für das, was man Lohn nennt, an den Arbeitgeber verkauft. Und alles, was in den Laden gehört, gehört also dem Konzern.
Formaljuristisch völlig in Ordnung. Die kleine Verkäuferin hätte einfach nur bessere Konditionen aushandeln müssen. Wegen dieser Tat kriegt sie sicher keine besondere Ablösesumme mehr von einem anderen Verein – äh, Arbeitgeber.
Warum hat sie denn nicht 130 Millionen eingesteckt? Sie hätte sich dann ja in ein anderes Land absetzen können.
So sind die Regeln.
Ethik ist, was man umsetzen kann. Und Umsatz beruhigt das Gewissen.
Bigotterie? Quatsch! Es gibt nur einen Gott.
Darüber sind so viele Bücher geschrieben worden. Das sollte nun wirklich jeder wissen.
Absolut irre, darüber zu diskutieren.
Außerdem schaffen es all diese Nachrichten nicht, länger als zwei Tage auf der Titelseite zu verweilen.

http://www.n-tv.de/politik/CDU-nimmt-Twesten-auf-Land-vor-Neuwahl-article19971891.html

http://www.bild.de/sport/fussball/sport/sport-eilmeldungneymar-52758962.bild.html

http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/deutsche-autoindustrieso-eng-sind-die-beziehungen-von-politik-undautolobby/20100156.html

Nach zwei Jahren Gerichtsverhandlungen wieder eingestellt:
https://www.welt.de/wirtschaft/article7985034/Spaeter-Siegfuer-Supermarktkassiererin-Emmely.html

http://www.songtexte.com/uebersetzung/leonard-cohen/firstwe-take-manhattan-deutsch-2bd6f472.html

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