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Die Trompete des Jüngsten Gerichts

raum&zeit-Kolumne von Manfred Jelinski

Da habe ich doch wirklich einen Schreck gekriegt, als ich letztens in einem Radiogottesdienst mal wieder die Offenbarung des Johannes vorgesetzt bekam. Sie wissen ja, die Ankündigung des letzten Gerichts über die Menschen.
Da erscheint also ein mächtiger Engel, von Trompeten begleitet, der ist mächtig, hat ganz helles Haar, seine Augen schleudern Blitze und seine Zunge schießt hervor wie ein scharfes Schwert.
Mein Gott, denke ich, den kenne ich doch. Der schlägt doch jeden Tag mit dem scharfen Schwert seiner Zunge auf Twitter zu!
Ist schon klar, dass Johannes das mit den sozialen Medien nicht so recht verstanden haben kann. Aber das mit der scharfen, verletzenden Zunge, das war ja wohl klar.
Und wie das so bei Prophezeiungen ist, durch die Fülle der stimmigen Details kommt man ins Grübeln. Tatsächlich ist ja die Weltsituation nicht besonders friedlich. Jeder ist des Anderen Feind, auch innerhalb einer Gesellschaft. Uns geht es da noch richtig gut. Selbst die Vorzeigedemokratie USA ist so tief gespalten, dass beständig Volksgruppen aufeinander losgehen.
Und über allem thront die Trompete und irrlichtert mit immer neuen dissonanten Fanfarenstößen durch alle Reihen.
Versöhnliches ist da nicht zu bemerken, was einen höchsten Richter vielleicht gnädig stimmen könnte.
Auch wird von höchster Stelle aus keine Möglichkeit verpasst, politische Gegner zu verlachen. Just an jenem Tag, als die amerikanischen Frauen für den ersten Jahrestag ihrer Demonstration gegen die chauvinistische neue Präsidentschaft auf die Straßen gingen, twitterte der Präsident dieses (dritter Tweet von oben):

Missgunst, Heuchelei und Bigotterie, sind das nicht Gründe für das Jüngste Gericht? Braucht es noch der Beweise mehr?
Ich erzählte meiner Frau die Geschichte und sie erblasste. Passt alles viel zu gut!
Naja, versuchte ich sie zu trösten, wenn man es schon mit der Bibel genau nimmt, dann sollte man auch beachten, dass Johannes von SIEBEN Trompeten erzählt. Und Trump, das kann man wohl mit Recht sagen, ist nur eine halbe. Und man kann sie auch nicht überall hören. Nur im Internet. Also, lass uns erstmal auf die anderen sechseinhalb warten und dann erst fürchten.
Und da lachten wir wieder.

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