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Kolumne: G20 – Die Show ist das Ziel

raum&zeit-Kolumne von Manfred Jelinski

Ich bin ja vollkommen neutral. Aber immer wieder muss ich aufpassen, nicht Merkel-Fan zu werden. Sie hat es einfach drauf, auf mehreren Klavieren gleichzeitig zu spielen und sich Wählerstimmen aus entlegenen sozialen Bereichen zu holen.
Einfach großartig, wie sie mit dem Argument der Reparaturbedürftigkeit von Flugzeugen und Panzern verhindert hat, dass deutsche Soldaten massenhaft in Ländern „unsere Freiheit verteidigen“, wo wir eigentlich nichts zu suchen haben.
Dann die „Ehe für alle“, als klar war, dass der Zug sowieso abgefahren war. Na gut, kann man als liberaler Mensch doch auch die CDU wählen ... ist ja auch egal.
Und nun dieser grandiose Service an das gesamte deutsche Jungvolk!
G20 in Hamburg. Endlich echte Handyfotos vom Bürgerkrieg in einer deutschen Großstadt! Man muss jetzt nicht mehr in den Nahen Osten reisen, um den beißenden Geruch von Straßenkämpfen zu schnuppern. Ultimativer Abenteuervoyeurismus ist möglich! Kriegsspektakel vom sicheren Balkon aus! Die jungen Digi-Nerds werden es ihr auf dem Wahlzettel danken! Selbst Tante Frieda, extra aus Waldshut-Tiengen angereist, findet es prima, in der Diskussion, wer da bei der Demo mit der Gewalt angefangen hat, mitzureden. Und die freiwilligen Helfer des Roten Kreuzes müssen nicht mehr mit Puppen simulieren.
Wie gesagt, ich sehe schon, dass mit diesem Event eine Großtat im ewigen Versuch, allen gleichzeitig Unterhaltung zu bieten, etabliert wurde.
Allerdings sollte man aufpassen, wenn man daran denkt, diese Strategie fortzuführen. Nochmal eine Atombombe auf eine Stadt zu werfen, nur um aktuelle Handy-Fotos zu ermöglichen, halte ich doch für stark übertrieben, oder?
Wobei finsteren Verschwörungstheoretikern schon der Verdacht keimt, man mache solche spektakulären Treffen gezielt in dicht besiedelten Gebieten, um schon mal ganz andere Umstände logistisch auszuprobieren.
Pfui! Sowas denken doch nur Leute, die vielleicht auch noch denken, wir müssten dem Erdogan mal zeigen, was wir auch können! Oder dem amerikanischen Präsidenten. Oder ...
Putin findet das Schauspiel sicherlich auch sehr interessant und es ist schade, dass Kim Jong-Un nicht dabei ist. Er hätte seine Freude!
Sagt da jemand, man hätte den Gipfel sicher und kostengünstig auch auf einem Flugzeugträger, aus völkerverständigungstechnischen Gründen auf dem neuen chinesischen, abhalten können?
Solchen Ignoranten, die noch nie eine Spielshow im japanischen Fernsehen goutiert haben, sollte man den Mund verbieten.
Freiheitlich-demokratisch natürlich.

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