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Was soll der ganze Gender-Mist?

raum&zeit-Kolumne von Manfred Jelinski

Ich stöbere gern in meinem Archiv. Letztens fiel mir dabei eine Readers Digest-Ausgabe von 1958 in die Hände und ich stieß „zufällig“ auf den Artikel von Lorna Jean King „Arbeit tut den Frauen ja so gut“. Die Autorin beschreibt darin eine gefühlte Verschwörung. Sie fühlte sich besonders von den Ärzten nicht gleichberechtigt behandelt. Den männlichen Ärzten wohlgemerkt.
Hatte sie eine Erkältung, riet er ihr, gegen die Verschleimung die heißen Dämpfe beim Geschirrspülen einzuatmen. Ein entzündeter Finger sollte „am besten mit dreimal täglich heißem, seifigen Spülwasser“ geheilt werden. Einen verstauchten Fuß sollte „am schnellsten heilen, wenn man ihn fleißig gebraucht“. Der Hinweis auf ihren Vetter, der Ruhe verschrieben bekommen hatte, wurde mit den Worten abgetan: „Das kommt eben auf die Umstände an!“ Ganz offizielle Gymnastik-Ratgeber behaupteten, dass sich alle Übungen „bequem in die Hausarbeit einbinden ließen“.
Nun, kocht schon ihr Gemüt?
Seit dieser Zeit hat sich viel getan. Aber hat sich bis heute etwas grundlegend geändert?
„Alles wird besser, nichts wird gut!“ sang Tamara Danz auf ihrem Album „Februar“ mit Silly 1988. Damals meinte sie noch die DDR, aber manche Songs sind zeitlos.
Nichts ist gut geworden. Sieht man sich heute um, klagen Frauen über eine nicht mehr tragbare Arbeitsbelastung. Radiosendungen, Talkrunden und Zeitschriftenartikel widmen sich dem Thema: Muss eine Frau in den Aufsichtsrat? Oder darf sie einfach mal sich selbst verwirklichen?
„Jetzt kommt er mit der Heim-und Herd-Masche!“, werden Sie vielleicht denken. So weit sind wir schon. Aber weit gefehlt. Ich meine es genau anders herum – aus eigener Erfahrung. Können wir das Thema vielleicht ohne die heutige, alle hilfreichen Diskussionen schon im Ansatz erstickende, sofort Böses beim Anderen unterstellende Internetemotionalität betrachten?
Ich gehöre zu einer Generation, in der erstmals in Deutschland auf breiter Ebene nach einem neuen Lebenskonzept gesucht wurde. Wo man nicht mehr zwangsverheiratet wurde, Umgangsformen ausprobieren wollte und auch den Frauen zugestand, Partner „auszuprobieren“. Dann kam Alice Schwarzer. Plötzlich war ein Mann ein potentieller Vergewaltiger. Und Frauen wurde ans Herz gelegt, sich unbedingt im Leben selbst zu verwirklichen. Ich erinnere mich, wie die Stimmung plötzlich umschlug. Mann musste sich als Mann für alles rechtfertigen, Frauen begannen mehr und mehr zu rauchen und zu trinken und Männerberufe zu fordern.
Ich hatte mit all diesen Drogen damals gerade Schluss gemacht und wunderte mich, dass zuallererst die männlichen Unarten kopiert wurden. Und dann nach den Herzinfarkt-Berufen geschrien.
Mit der Forderung nach Gleichberechtigung kam auch der Wille, Männerberufe einzunehmen. Natürlich nicht die körperlich anstrengenden, schlecht bezahlten! Die Illustrierten stürzten sich zwar auf das Thema; eine kräftige Bauarbeiterin und eine engagierte Automechanikerin wurden auf die Titelseiten gezerrt. Quoten wurden eingerichtet. Dennoch gab es keinen wirklichen Umschwung. Die körperlich anstrengenden Berufe blieben Männersache, von vereinzelten Ausnahmen wie unserer netten Hermes-Lieferantin abgesehen. Und gerade neulich las ich, dass man für eine leitende Stelle mal wieder keine Quotenfrau gefunden habe und nun –mit allen Gewissensbissen – einen Mann einstellen musste. Stattdessen sagte mir letztens ein Freund, im sozialen Umfeld seiner Frau gehe der Trend zum Drittkind.
Wer aber nun meint, dass Frauen, die ihre Selbstverwirklichung in der Herstellung und Erziehung von Kindern sehen, in Wort und Tat unterstützt werden würden, sieht sich getäuscht. Frau muss jetzt Karriere machen! Inzwischen gibt es die ersten Kolummnen, in denen sich Frauen beschweren, dass sie gesellschaftlich nicht angenommen werden, wenn sie Hausfrau und Mutter sein möchten. Natürlich gibt es empörte Entrüstungsmails. Real aber sieht es so aus, dass Frauen berufstätig sein müssen und man erwartet, dass Kinder so nebenbei bekommen und aufgezogen werden. Wer soll das schaffen, wenn man sich keine Kindermädchen leisten kann, wie Frau von der Leyen? Übrigens arbeiten manche Frauen lediglich für die Kosten ihrer häuslichen Entlastung: Tagesmutter, Kindergarten und andere betreute Kleinkinderaktionen.
Dieser scheinbare Zwang wäre an sich schon ärgerlich. Aber auf der anderen Seite können Männer keine Frauenberufe annehmen. Und das nicht nur wegen möglicher gesellschaftlicher Diffamierung in Form von Macho-Äußerungen, sondern eher wegen der Alice Schwarzer-Doktrin. Im letzten Jahr gab es tatsächlich in unserem Kindergarten einen männlichen Praktikanten. Durfte er die weiblichen Kleinkinder wickeln? Und wenn ja, was sagten die Eltern dazu? Misstrauen allerorten.
Bei unseren Persönlichkeitsanalysen mittels Remote Viewing haben wir herausgefunden, dass es auf der mentalen Ebene praktisch keine reinen Frauen oder Männer gibt. Alle sind irgendwie gemischt, mal mehr vom einen, mal mehr vom anderen. Und es ist variabel. Ich habe mich immer als Mann gefühlt – aber bei meinen ersten Kindern war ich eher die Mutter, war für Wecken und Schlafen legen, trösten und spielen verantwortlich und kann einige tausend Windelwechsel in dieser Zeit verbuchen. Und plötzlich unterhielt ich mich mit jungen Müttern ganz unbefangen über Probleme und Befindlichkeiten in diesem Bereich, was aber von diesen sehr irritiert hingenommen wurde.
Ich bin immer noch eher Hausmann und es macht mir Freude, mit meinem Kinder-Nachschlag zu basteln und zu kuscheln. Ist das sittenwidrig? Nein, es ist verdächtig für die Außenwelt.
Und genau hier setzt die Verschwörungstheorie ein, die schon von der Autorin im alten Reader’s Digest angesprochen wurde: Frau muss arbeiten, am besten in zwei oder drei Berufen gleichzeitig. Warum? Sind Frauen besser unter Druck zu setzen? Einzulullen, bei ihrem Ehrgeiz oder, noch schlimmer, bei ihrem Bemühen, sozial hilfreich zu sein, zu packen? Ich bin immer mehr der Überzeugung, dass eine perfide Industrie herausgefunden hat, dass Frauen aus archaischen, prinzipiell biologischen Gründen die sozial verantwortungsbewusste Komponente in einer menschlichen Gesellschaft vertreten. Und das wird gnadenlos ausgenutzt. Männer, von jeher von der Natur dazu ausersehen, hinauszuziehen und zu jagen, würden sich eher wehren. Aber für diese hat man eine andere Taktik gefunden, mit ihnen fertig zu werden. Man lässt sie ins Leere laufen. Ich lese mehr und mehr Klagen von allen Seiten, dass dieses gesellschaftliche Konzept eigentlich viel zu teuer ist und im Grunde auf einen sozialen Zusammenbruch hinsteuert. Ich bin gespannt, ob wir es in unserer führenden westlichen Zivilisation schaffen, jedem Menschen tatsächliche Freiheit in der Ausübung der Tätigkeit zuzugestehen, die sie/er wirklich gern tut.

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