r&z online
@ raum&zeit

Geschäftsmäßige Sprachsterbehilfe

raum&zeit-Kolumne von Manfred Jelinski

„Das Verfassungsgericht hat im Vorfeld des Verfahrens Befürworter und Gegnerinnen der Sterbehilfe gehört.“
Rundfunk am Morgen ist doch immer wieder köstlich. Da ist der enge Flaschenhals der Aufmerksamkeit noch im Kopfkissenmodus. Bei dieser Äußerung kann das Gericht doch gleich auch die Grundgesetzfestigkeit der Moderatoren prüfen.
Und der Intendant des Senders die Vorgaben für die Sprecher*innen. Es war übrigens eine Sprecher*in, die das Zitierte vortrug. Und ihre Stimme schwankte leicht dabei.
Kann ich mir vorstellen. Wie soll man auch mit solchen Texten umgehen? Mir schwebte sofort das Original vor Augen. Da hieß es sicherlich „Befürworter- und Gegner*innen“. Aber wie liest man Bindestriche und Sternchen?
Eine echte Herausforderung, und was dabei herauskommt, sieht man ja.
Irgendwie ist das doch paradox.
Abgesehen davon, dass eine Mehrzahlbildung immer alle Geschlechter einbezieht, egal wie viele, ist es auch fragwürdig, wenn die Mehrzahl mit dem Pronomen „die“ gebildet wird, denn streng genommen (und das tun wir ja im modernen Deutschland ganz verbissen in jedem Moment) ist dieses „die“ doch weiblich.
Also müsste man sagen: „die Gegner und die Männer darunter“.
Ach nee, „die“ Männer. Schon wieder so ein Problem.
Je mehr man darüber nachdenkt, desto mehr zweifelt man die Verfassungskonformität des Gendersternchens an. Ständig wird penibel darüber befunden, ob irgendwo eine Person wegen Religion, Geschlecht oder sonstiger Eigenarten benachteiligt wird.
Alle Menschen sind gleich.
Prima. Ein Sammelbegriff schließt alles ein. Klar. Wir müssen aber besonders darauf hindeuten, dass da auch Frauen drunter sind.
Wer hätte das gedacht? Frauen und Männer (weil man Frauen laut Knigge ja immer den Vortritt geben soll) und dazu noch Frauen.
Die moderne Sprachregelung sexualisiert immer sofort jede Mitteilung. Wollten wir Zwangssexualisierung nicht früher mal verhindern? Dass man bei Frauen immer sofort die Weiblichkeit aufrufen muss? Das füttert doch erst die Programmierung von Männern, die sowieso schon in jedem Rock ein Jagdrevier sehen!
Diese potenziellen Vergewaltiger, die!
Einwohner anderer Länder kichern über die Deutschen. Das prüde Amerika sagt „my lover“ und man weiß nicht, ob es Frau oder Mann ist, bevor der nächste Satz das nicht mit „he“ oder „she“ definiert. Und dazu ist man nicht gezwungen. Und da werden die Amis immer als homophob eingestuft! Aber dort kann jede Frau sagen: „My lover is fantastic!“ Und meint ihre „Freundin“. Das ist wahre Gleichberechtigung. Und sprachlich elegante Demokratie.
Heterosexuelle Frauen haben es heute auch nicht leicht. Sie möchten einen Mann, scheitern aber immer wieder an der fortschreitenden Östrogenisierung der Gesellschaft.
Ich bin so froh, dass mich meine Frau immer noch liebt, obwohl ich bei unseren Kindern auch mal die Mutterrolle übernehme, wenn sie grad nicht da ist. Ich kann es mir nur so erklären, dass ich nach jeder der circa 6000 Windeln, die ich gewechselt habe, mich dann wieder testosteronisiert habe.
Aber spannend ist doch, wie man mit „moderner Schreibweise“ den Diskurs erst richtig in Gang bringen kann. Als hätten wir sonst nichts zu tun. Und ins Lächerliche ziehen ist auch keine Lösung.
Aber bitte, helfen Sie mir. Ich suche noch nach der Sternchenform von „die Verdächtigen“, „die Straffälligen“ und „die Vorgeladenen“.
Das mit „die Hebammen“ habe ich längst aufgegeben. Ich zähle mich da zu der Gruppe „die Resignierten“.
Vielleicht ziehen wir nach Dänemark. Da lächeln sie auch über unsere Sprachempfindlichkeit – und sind auf dem Glücksatlas auf Platz eins.
Vielleicht ist das auch paradox.
Aber genau das lieben wir Deutsche doch. Friedrich Merz zum Beispiel will Parteivorsitzender der CDU werden und verlorene Stimmen zurückgewinnen. Sein genaues Konzept ist: den Rechtsruck der CDU verhindern. Und der AFD wieder Stimmen abjagen.
Ach ja, Inforadio am Morgen, das ist immer lustig. Ich hoffe, man hört auch mal Gegnerinnen der Sprachsterbehilfe.

zur Startseite