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Mein lieber Quirl!

raum&zeit-Kolumne von Manfred Jelinski

„Aber natürlich habe ich das gesendet!“, sagte die kleine Küchenmaschine mit korrekt eingestellter, lieblich erotisierender Mädchenstimme. „Alles. Jedes Gespräch, alle Geräusche, jedes Ereignis im Bereich meiner Rezeptoren. Ich bin schließlich eine treu ergebene Device der Vereinigten Staaten von Googlezon!“
O je, denkt der Leser vielleicht, nun hat es den Kommentator aber wirklich gerissen! Schreibt jetzt alberne Science Fiction-Romane! Ach ja, die Utopia-Autoren! Fast alle haben sich geirrt. Ich kann meterweise meine Sammlung auf den Müll werfen. Die Realität ist doch den Dystopien gefolgt: Wells, Samjatin, Huxley, Orwell, Zillig, Adams.
Wie kam ich drauf? Durch eine winzige Meldung in den Nachrichten, in der nächsten Stunde schon wieder im Ablenkungs-Geschwafel der alltäglichen Fake-News geschrottet. Die neuen interaktiven Lautsprecher von Google sollen alle akustischen Eindrücke nach Hause telefoniert haben. Google musste das zugeben, wies aber jedes kritische Ansinnen mit der Feststellung ab, es hätte sich hierbei um einen Defekt gehandelt. Natürlich würden alle diese wenigen Geräte kostenlos und sofort umgetauscht. Es seien ja nur Exemplare der Einstiegsserie betroffen, die endgültige Version würde so etwas nicht tun.
„Holzauge sei wachsam!“, dachte sich der deutsche Soldat gegen Ende des Zweiten Weltkrieges, wenn er den Wehrmachtsrundfunk hörte. Und nahm die Nachrichten vom Angriff durch Rückzug genau andersherum.
Oh, ja, der Vergleich ist angebracht, liebe politisch-korrekten Wortklauber! Wenn Sie mal ins Kinderzimmer gehen, da ist der Krieg seit langem schon auf ständig steigendem Niveau. Die viel geschmähten kaiserlichen Zinnsoldaten vor dem Ersten Weltkrieg, Vorbereiter der Jugend als Kanonenfutter, sind zwar nur virtuell, aber nichts desto weniger wirkungsvoll. Und ich wage hier sogar einen ganz unkorrekten Vergleich: Goebbels war ein Hirtenjunge gegenüber den Medienakrobaten der heutigen Zeit.
Natürlich hat sich die Rübe vor der Nase des Esels geändert. Die zu erobernden Länder sind ganz andere. Es sind die Innenwelten der Menschen, die immer mehr unter Beschuss stehen. Und die Art, wie Symbole assoziiert werden. Meinte George Lucas mit seiner Star-Wars-Figur Darth Vader das Böse in jedem Menschen?
Oder meinte er, dass jeder, der Herrscher wird, in Gefahr ist, das Böse zu vertreten? Die Frage stellt sich nicht mehr. Die Industrie war schlau genug, auch das Böse zu vermarkten. Darth Vader ist eine Kultfigur der jüngeren Generationen. Und die Frage nach dem wirklich Bösen ist auch geklärt: das Darknet. Der Handelsplatz, wo auch die Herrscher nur bedingten Einfluss haben. Das muss bekämpft werden. Und im nächsten Moment wird offiziell klargemacht, dass die Polizei über viel zu wenig gut ausgebildete Leute verfügt. Aber das sei doch nicht schlimm, weil die Zeiten, wo dies anders war, zu den dunkelsten der Menschheitsgeschichte gehören. Und in dem Gewirr dieser Schwarz-weiß-Diskussionen geht völlig unter, dass die heutige Bevölkerungskontrolle gar nicht mehr wahrnehmbar ist.
Der Google-Lautsprecher hatte keinen Defekt. Oder besser gesagt: der Defekt war, dass man die Abhörfähigkeit so leicht entdecken konnte. Aber das wird sich ändern. Die dunkle Macht hatte schon immer die besseren Experten.
Und nicht vergessen: Wer abhörsichere Räume erstellt oder in den Verkehr bringt oder Personen dazu verführt, solche zu benutzen, kann des Meinungsterrorismus verdächtigt werden.
Plastikaugen sind wachsam.

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/testgeraete-von-googlelautsprecher-hoerten-staendig-zu-15241112.html

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