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Kolumne: Schatten der Zukunft

raum&zeit-Kolumne von Manfred Jelinski

„America first!“, sagt der neue US-Präsident auch nach der Wahl und dann muss man das wohl als richtungsweisend für die nächsten Jahre annehmen. Und wie bei allen seinen Äußerungen überlegen sich nun die Partner und Kolonien der Weltmacht Nummer eins, was das für sie bedeutet.
Besonders die deutschen Politiker grübeln, weil unsere amerikanischen Freunde bisher immer unser direktes, nacheifernswertes Vorbild waren. Was nun? Sollen wir auch hier nachziehen? Germany first? Um Gottes Willen, das hört sich ja fast nach einem Vergleich mit jenem an, dessen Name man nicht aussprechen soll. Also Europe first, weil ja die einzige Lösung aus dem Dilemma der Reichsnachfolge das Aufgehen Deutschlands in einem geeinten Europa sein sollte.
Aber nun tritt ja Großbritannien aus. Britain first, make it great again!
Und auf der anderen Seite des Kanals heißt es ja schon ewig: “Vive la France!” Und wie es so aussieht, wird die nächste Präsident/in diesen Spruch besonders auf den Lippen tragen.
Wer bleibt denn dann an großen Staaten für die europäische Idee?
Ungarn? Polen?
Ganz falsche Frage, wenn man an die letzten Entwicklungen denkt. Und diese Tendenz setzt sich bei den anderen Staaten im Osten fort.
Selbst im Fall Griechenland heißt es: erst mal retten! Also in diesem Sinne auch: Greece first! Und im Süden? „Austria, schützt unsere Heimat!“
Okay, also Italien? „Erst mal müsst ihr uns bei der Flüchtlingssituation helfen!“
Nun haben auch die Belgier und die Niederländer den Teil-Ausstieg schon geprobt. Und Dänemark schätzt zwar die Deutschen für ihr Geld, das sie dort ausgeben, aber sonst hält man sich den zu großen Nachbarn freundlich auf Distanz. Es lebe das Königshaus!
Ohne jetzt irgend etwas politisch unkorrektes sagen zu wollen, kann man doch annehmen, dass die deutsche Wirtschafts- und Kulturszene aufgrund dieser Entwicklung bockig wird. Vielleicht wird man dort nicht mehr schreiend dem auseinander driftenden Kindergarten hinterher rennen, damit wieder alle miteinander spielen. Aber wenn man die Mitspieler dafür kaufen muss, wird der Großteil der deutschen Wähler eine andere Meinung vertreten. Man wird den bösen Spruch nicht laut sagen, sondern nur denken. Sie können ja mal mitverfolgen, wie sich die deutschen Politiker aller Parteien an diesen sehr unkorrekten Standort heranargumentieren werden. Denn schließlich zählt, was man unbeobachtet in der Wahlurne versenkt. Und einzugestehen, dass die Demokratie in solch einer Situation doch nicht der Weisheit letzter Schluss ist, wenn sie Populisten an die Spitze kommen lässt, das wäre eine komplette Bankrotterklärung.
Tja, ein bisschen Weimarer Republik weht doch wieder durch den Bundestag.

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