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@ Shakwmakw

Nicht nur Geiz ist geil, Terrorismus auch

raum&zeit-Kolumne von Manfred Jelinski

Jeden Tag sind die Nachrichten gefüllt mit Krieg, Terror und Toten. Man hat schon keine Lust mehr, Radio oder Fernsehen anzuschalten oder sich dem Internet auszusetzen. Muss das denn sein?
Aber ja. So wird heute Geld verdient. Die Informationslage ist das Ergebnis der kapitalistischen Nachrichtenbewirtschaftung. Es genügt nicht, von einem Terroranschlag zu berichten. Man muss es ganz minutiös tun, von allen Richtungen aus. Und ganz viele Leute fragen „Wie groß ist ihre Betroffenheit jetzt?“ Die politische Einschätzung von kompetenten Personen geht dabei fast unter, besonders wenn sie einigermaßen nüchtern ist. Wichtiger ist es, sein Beileid aussprechen. Und weil es jeder tun muss, gibt es auch darüber viel zu berichten. Hilft das den Betroffenen wirklich? Wer es selbst erlebt hat, wird das eher verneinen. Aber die Medienindustrie ist noch nicht am Ende. Zusätzlich wird noch jeder befragt, der auch nur in der Nähe gewohnt hat oder auch nur zwei Straßen weiter einen Kaffee getrunken hat. Und dann die vielen schönen Verweise und Einbindungen von Handyvideos. Auf denen meist nichts wirklich Erhellendes zu sehen ist. Nur der Grusel, „der war in der Nähe“ wird übertragen. Man hängt vor dem Bildschirm fest. Immer neue Überschriften rufen auf, den Artikel dazu zu öffnen. Und was steht drin? Frustrierend wenig.
Hätte man sich denken können.
Und dann eine Überschrift „Politiker instrumentalisieren den Terroranschlag!“ Darin wird dieser oder jener Politiker zitiert, er habe den letzten Anschlag zum Anlass genommen, seine politische Einstellung damit zu untermauern. Nachdem man wieder eine oder zwei Stunden vor dem Bildschirm verbracht hat, immer in der Hoffnung, wirklich etwas Bedeutungsvolles über die Lage zu erfahren, steht man auf mit der frustrierenden Erkenntnis: Das hätte man sich sparen können. Wenn hier jemand die Ereignisse instrumentalisiert, dann die Medienwirtschaft.
Möglicherweise spielt hier auch eine wichtige Rolle, dass immer weniger Leute sich eine Zeitung kaufen. Vielmehr schauen sie ins freie Internet. Das scheint die Medienkonzerne dazu zu bringen, immer hektischer zu berichten.
Die Frage, die ich mir dabei stelle, ist: Lohnt sich das denn?
Die Nachrichten im Internet sind doch für den User kostenlos!
Und all die schrecklichen Filmchen, kann man da denn Werbung vorschalten? Das ging doch schon mehrfach schief. Die Inserenten beginnen zu bocken, weil sie spüren, dass der Werbeeffekt umschlägt. Und wer kauft noch ein Nachrichtenabonnement, wenn man schon stundenlang im Netz gesurft hat und jede Blähung jedes nur irgendwie Betroffenen erfahren hat?
Die wahren Nutznießer dieser Vorgänge sind doch die Terroristen. Nie würden sie solche Aktionen starten, wenn sie nicht wüssten, welche breite Wirkung sie erzielen.
Und so arbeiten die Nachrichtenmedien eifrig daran, dass noch mehr Anschläge verübt werden.
Nun wird man argumentieren, dass man eine Informationspflicht hat. Und die Wahrnehmung dieser sei wichtig, weil es „schließlich jeden treffen könnte!“
Ich nenne das eine perfide Argumentation.
Opfer im Straßenverkehr zu werden kann auch „jeden treffen“. Und im Vergleich zu den Zahlen von Toten durch Verkehrsunfälle sind die Zahlen der Terrorismusopfer in Europa lächerlich. Aber niemand spricht vom Terrorismus des Straßenverkehrs und die Berichterstattung ist vergleichsweise fast nicht vorhanden. Sind diese Opfer weniger wert? Langweilige Todesfälle?
Oder die vielen tausend Opfer von Machtkämpfen in den Herkunftsländern des neuen Terrorismus, über die ungefähr so viel berichtet wird wie über neue Kochbücher? Unwichtiges Leben? Über Naturkatastrophen will ich gar nicht reden.
Schon aus Gründen der menschlichen Gleichberechtigung müsste hier eine wahre Lawine von Berichten über uns hereinbrechen.
Apropos Lawine: Hat man es von der Politik gelernt oder gehen hier nur zwei Geschwister im Geiste Hand in Hand? Motto: Wenn man nur genug geredet hat, ist schon genug getan. Dann kann man die physische Arbeit anderen überlassen, nämlich denen, die wirklich betroffen sind.

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