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Verschwörungstheorien selbst gemacht
raum&zeit-Kolumne von Manfred Jelinski
Ich bin doch falsch in dieser Gesellschaft. Zu blöd, das Offensichtliche zu erkennen.
Nein, vernetzte Rauchmelder sind nicht Überwachung, und der amerikanische Präsident (welcher?) ist sehr enttäuscht, weil er immer mehr das Böse in der Welt erkennt, und nichts dagegen tun kann.
Ich habe mal wieder die Sendung „Verschwörungstheorien selbstgemacht“ im Radio gehört. Die Sendung geistert seit 2015 durch die öffentlich-rechtliche Senderlandschaft und wird natürlich von sehr vielen aufklärerischen Webseiten geteilt, PSIRAM an vorderster Stelle aller Skeptiker und Homöopathieleugner. Oh – jetzt bin ich durch meine Wortwahl aber auch ein Verschwörer!
Was regt mich an diesem Bericht am meisten auf?
Ich versuche, alle Leute an ihren eigenen Ansprüchen zu messen. Zum Beispiel und erst recht die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, die immer wieder versichern, sie würden den Standpunkt der Meinungsfreiheit, Offenheit und Neutralität mit dem letzten Blutstropfen verteidigen. Dafür bezahlen wir sie schließlich. Aber ich erwische sie doch immer wieder, wie sie in subtiler Weise und deshalb umso perfider Meinungsmache betreiben.
Zum Beispiel, dass die Macher dieser Sendung unterschwellige Techniken der Überzeugungsarbeit benutzen, die gemeinhin nur in der Werbung verwendet werden und nicht in ein Feature dieser Art gehören.
Beispiel: Ein Junge erzählt, wie er sich mit seinem Vater gestritten habe. Sein Vater, ein ziemlich links eingestellter Sozialist, hatte angemerkt, dass sich die Welt in Arbeiter, die Werte erschaffen, und Gierige, die das ausnutzen, teilt.
Und der Sohn hat dann gesagt, in der Schule habe er gelernt, dass das die Ideologie der Nazis gewesen sei, nämlich genau die Worte, die man damals benutzt hatte. Also habe er jetzt seinen Vater als Nazi entlarvt.
Der Vater hat das verständlicherweise nicht sofort dialektisch verarbeiten können und so gab es Streit und danach eine tiefe Kluft zwischen ihm und seinem Sohn, der das alles nicht versteht, aber genau weiß, was „Nazi“ ist. Und gegen eine rechtgläubige Kinderstimme kann man ohnehin nichts sagen.
Aha, dachte ich, so einfach geht das heute. So kann man jede Aussage kontaminieren, wenn man nur die Möglichkeit hat.
Öffentlich-rechtliche Sender tun das. Und sie erklären sich selbst für sakrosankt. Und in diesem Beitrag wird die Sohn-Aussage auch nicht weiter diskutiert.
Für den Beweis, mit wem sich der Vater da fraternisiert, haben sie stattdessen gleich das Beispiel eines Reichsbürgers parat, der einen Polizisten erschossen hat. Wie wir wissen, haben diese Leute ja die irrige Auffassung, dass die Bundesrepublik kein legitimer Staat sei und unser Grundgesetz keine Verfassung, sonst hieße es ja so – wie in all den anderen Staaten.
Was soll man darauf sagen?
Dass jeder Autofahrer für die Taten von Terroristen mitverantwortlich gemacht werden müsse, die Fahrzeuge in Menschenansammlungen lenkten? Oder gar die Autoindustrie selbst, die ja diese Mordwaffen verkaufen?
Es käme sicher keiner auf die Idee, dass jeder VW-Fahrer ein Nazi sei, weil damals der VW erdacht und gebaut wurde. Auf Wunsch des Führers. Und komme mir keiner auf die Idee, anzuprangern, dass praktisch alle Großkonzerne sich damals ebenfalls der Zwangsarbeiter bedient haben.
Die ganze Sendung wird durchzogen von der Rauchmelder-Verschwörungstheorie. Vernetzte Rauchmelder, Stromzähler und Siri-Geräte dienen natürlich nur dem Guten. So wird das zwar nicht gesagt, aber im Umkreis der zugezogenen Beweise, die Chemtrailgläubige, Zeugen Jehovas, überhaupt Sekten, Flache-Erde-Anhänger und tatsächliche Nazis vertreten, kann man sich nicht mehr davon distanzieren, sonst würde man sich ja mit all diesen Leuten gemein machen.
Nein, da müsste man doch Skeptiker sein, oder halt, nein, Skeptiker sind doch ... auch solche Leute, die nicht nur skeptisch dem Wahrheitsgehalt von Radiofeatures gegenüberstehen, sondern auch solche, die behaupten, Politiker, Konzernbosse und Generäle seien höchstens im tiefsten Innern Altruisten, nicht aber in ihren Taten. So – wissen wir jetzt genau, was Verschwörer sind und wovon wir uns fernhalten sollen?
Ich finde, durch den tiefen Griff in die Kiste der Darstellungstechniken gerät diese hochgehypte Sendung selbst in die Position, die sie angreift. Und es genügt nicht, mit typisch öffentlich-rechtlichem Relativierungsreflex am Ende zuzugestehen, dass auch in Verschwörungstheorien ein Körnchen Wahrheit steckt. Mit solchen Sendungen findet man dieses nie.
Und ein Argument gegen den Begriff „Lügenpresse“ auch nicht.
Hören Sie selbst!
Tja, und was sage ICH meinen Kindern? Seid skeptisch! Hört euch genau an, wie Leute ihre Meinung begründen! Und aus welcher Position heraus.
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