r&z online
© Dmytro Tolokonov - Fotolia.com

Was bleibt von 2017?

raum&zeit-Kolumne von Manfred Jelinski

Jahresende. Was bleibt, was haben wir uns unter den Weihnachtsbaum gelegt? Ich habe mal den Versuch gemacht, unsere Geschenkpäckchen aufzuschnüren.
Da gibt es die, die uns gefallen, die uns nicht gefallen und die, von denen Amazon meint, dass sie zu uns passen.
Ja, die Welt ist wieder komplexer geworden. Auch wenn uns die amerikanischen Kinoknaller es einreden möchten, die einfache Einteilung in Gut und Böse ist endgültig dahin. Auch richtig und wahr folgt den Erfindungen der Meteorologie: Man fühlt die Bedeutung und entscheidet, ob man es mag, nicht mag oder es lieber ignorieren sollte.
Amerika adelt diese Dreifaltigkeit auch im weltpolitischen Rahmen. Wahrheit kann nun drei Seiten haben: true, untrue und trump.
In der Schule ist das bei uns längst realisiert. In Deutsch können die Schüler in der Grundschule auch in drei Versionen schreiben: so, wie es der Duden vorgibt, so wie es gemeinhin als falsch angesehen wird (was aber niemand mehr genau weiß) und so, wie sie die Worte hören. Das ist nicht ganz einfach, weil bei den Menschen auch Diversität herrscht, und das schon immer. Nun wird sie auch mehr unterstützt, denn jeder hört ja bekanntlich etwas anderes. In der Benotung schlägt sich das kaum nieder. Aus der Not heraus werden die Kinder in anstrengend, sich beteiligend oder vernachlässigbar eingestuft.
An den Gemeinschaftsschulen gibt es jetzt auch drei Arten von Lehrern: die Lehrer, die grad da sind; die, die krank sind und die Förderlehrer. Und diese Gruppen sind in 2017 annähernd gleich stark geworden. Weil das schon sehr viele Umstände macht, ist man dabei, die Gruppe der Fachlehrer abzuschaffen. Jeder muss alles können. Nach der überstandenen Bankenrettung wären die Spezialisten für das Restbudget auch zu teuer.
Ach ja, die Wirtschaft. Nun gibt es die Konzerne, die systemrelevant sind und die, die keine große Lobby haben. Dazu kommen die, die ihre Steuern gar nicht oder stark eingeschränkt in Inselstaaten entrichten.
Auch die Zahlungsmittel sind nun dreigeteilt. Man kommt sich das ganze Jahr über wie im Karneval vor. Der Bauer zahlt mit echtem Geld, der Prinz mit Aktien und die Jungfrau mit Bitcoins.
Die Mittelschicht, also der kleinere Unternehmer, ist ja inzwischen zahlungsunfähig, und wahrscheinlich gilt das Entsorgungsprinzip auch für den Jungfraubegriff, weil er nämlich diskriminierend ist.
Allgemein beginnt man ja auch die Frauen in die drei Gruppen verheiratet, ledig und in einem Arbeitsverhältnis stehend einzuteilen. Wobei auch die Ehe nun dreigeteilt ist: heterosexuell, lesbisch oder schwul.
Sogar die sexuelle Gewalt hat für Frauen nun drei Facetten: Die erlebte, die erfundene und die, die man vor Gericht glaubhaft machen kann. Für Männer bedeutet das auch eine neue Ordnung. Sie teilen die Frauen von der sexuellen Seite her in die Kategorien derjenigen auf, die man angefasst hat, die man nicht angefasst hat und die man besser nicht hätte anfassen sollen. Von wollen und mögen spricht niemand mehr, das ist spannend.
So verkommt ja nicht nur der Kriminalfall, sondern auch die Romanze. Es gibt mögliche Partner, denen man sich anvertraut, solche, denen man nicht traut und solche, die man ständig auf Facebook oder Instagram beobachtet.
Haben wir nun die Politik vergessen? Oh nein, ganz und gar nicht. Für das Verhältnis der EU zu Großbritannien gibt es mindestens drei Möglichkeiten und die Varianten der zukünftigen Bundesregierung wollen wir nicht zu ausgeufert diskutieren. Das tun schon die ganzen wichtigen Parteistrategen.
Nehmen wir lieber den Gesundheitsbereich. Gesetzliche Kassen, private Kassen und Bürgerversicherung. Und beim Essen ordnet man nun ganz besonders bewusst ein, z. B. in Lebensmittel, Nahrungsmittel und etwas, nach dessen Herkunft man besser nicht fragt. Vegetarier, Veganer, Frutarier – auch die Beipackzettel und das Kleingedruckte müssen sich darauf einstellen.
Ja, die Welt ist diverser geworden. Nicht nur in der menschlichen Gesellschaft, auch und gerade in der Natur. Allerdings lediglich in der Betrachtung durch den Menschen. Nimmt man Zahlen zu Hilfe, so gibt es nur drei Arten von Lebewesen: diejenigen, die ausgestorben sind, solche, die davon bedroht sind und plötzlich ganz viele, die man noch gar nicht kannte. Aber die kommen fast alle in weniger dicht besiedelten Gebieten vor. Bei uns zu Hause neigt sich die Mehrheit den ersten beiden Arten zu.
Und weil schon das Leben in unserer Gesellschaft so kompliziert geworden ist, weil man nun auch nicht mehr weiß, welche Toilette man benutzen darf und welche Social-Media-Plattform die beste ist, deshalb können wir uns nicht auch noch um diese Umwelt kümmern.
Wenn wir unsere Aufmerksamkeit ausreichend auf die vielfältigen wichtigen menschlichen Probleme aufteilen, dann merkt hoffentlich keiner mehr, was sonst noch um uns herum vorgeht.
Hier jedoch wird es wieder einfach: Kann der Mensch überleben oder nicht? Hm. Da fallen mir doch glattweg drei Möglichkeiten ein.

zur Startseite