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Weiter so ... !?

raum&zeit-Kolumne von Manfred Jelinski

Regelmäßig vor Wahlen stellen Politiker plötzlich bestürzt fest, dass das stimmfähige Material, also die Wähler, auch eine andere, eigene Meinung haben könnten. Dann müssen sie überzeugt werden.
Wovon? Nun, davon, dass die Politiker die Interessen des Volkes vertreten, sollten sie gewählt werden.
Was sind denn die Interessen des Volkes? Darüber ist mittlerweile eine so starke Uneinigkeit auf den Führungsebenen entstanden, dass man sich nur noch umtut, wohin Wähler abwandern. Und dann versucht man, die Sprüche jener Partei abzukupfern, die am meisten Abwanderer auffängt. Immer nach dem Motto: das können wir auch! Zum Beispiel mit den Argumenten der AFD diese zu überholen versucht.
Besser wäre es gewesen, nachzuforschen, warum die Wähler abgewandert sind. Nach 70 Jahren Bundesrepublik Deutschland ist die Liste der Entscheidungen, die den Bürgern nicht mehr befriedigend erklärt werden können, unübersehbar lang geworden.

Warum wird der Präsident des Verfassungsschutzes nach einer eklatanten Fehlleistung befördert und auf einen besser dotierten Posten gehievt, der extra geschaffen werden musste?
Warum werden Wälder für Energiekonzepte gerodet, die schon seit Jahren widerlegt und nicht mehr tragbar sind?
Warum sollen die Bürger die bewiesen verbrecherische Verkaufsstrategie der großen Automobilkonzerne bezahlen?
Warum sollen die durch ihre Gier völlig aus Ökonomie und Ethik gekippten Banken von der Bevölkerung gerettet werden?
Warum müssen Kinder Jahrzehnte unter völlig unnötigen, mehrfachen Rechtschreibreformen leiden?
Wer hat eigentlich entschieden, dass sie nach völlig unüberprüften Methoden lernen sollen, die inzwischen durch wissenschaftliche Untersuchungen widerlegt sind?
Wer soll die Renten bezahlen, wenn man die Faktenlage zulässt, dass das höchste anzustrebende Ziel im Leben die Karriere und das Bankkonto sind?
Woher sollen die vielen fehlenden Lehrer genommen werden?
Was soll heute an einem Pflegeberuf attraktiv sein?
Warum muss ein großer Teil des Einkommens für die Unterbringung im Kindergarten aufgewendet werden?
Woher kommen die vielen Kindergärtner/innen?
Wer pflegt in der Zukunft?
Warum werden vollständig integrierte Migranten abgeschoben, während man vor verbrecherischen Großfamilien kuscht und die Polizei aus bestimmten Problembezirken abzieht?
Warum wird eine offizielle Meinung zu allen Themen ausgegeben, die die Medien nachbeten müssen, ohne dass man anders geartete Meinungen hinterfragt oder Missverständnisse aufklärt?

Wie gesagt, die Liste der politischen Problemfälle lässt sich beinahe unendlich fortsetzen.
Zu den meisten Themen habe ich auch bereits Kolumnen geschrieben, da kann man nachlesen, was genau man aus der Mitte der Bevölkerung zu all diesen Fragen und deren „Lösungen“ denken kann.
Und damit stehe ich natürlich nicht allein. Zahllose unabhängige Kommentatoren merken das Gleiche oder sehr Ähnliches an.
Man könnte also auf Seiten der Politiker sehr wohl erfahren, was es zu kritisieren gibt, ohne jetzt Tausende von Wählern einzeln und persönlich zu befragen. Kommentatoren greifen ja Inhalte nicht aus der Luft.
Das scheint aber nicht zu geschehen. Meinungen im Internet sind offenbar „Shitstorms“ oder „Fake News“. Wie bequem!
In dieser Situation ist es nicht verwunderlich, wenn immer mehr Menschen deshalb „auf die andere Seite“ geraten, weil sie in irgendeinem, sie selbst betreffenden Lebensaspekt, erhebliche Differenzen zwischen ihrer persönlichen Erfahrung und der „offiziellen“ Sichtweise finden. Und sensibel für anderes werden.
Und bei immer mehr Menschen festigen sich „staatsfeindliche“ Feststellungen.
Und dann denken die Leute solche furchtbaren Dinge: Die Meinung von Großkonzernen wird von Politikern beinahe unverändert übernommen.
Abweichende Meinungen sind „Verschwörungstheorien“, und die, die sie vertreten, sind Volksverhetzer oder dumme Nachplapperer. – Ein paar wenige, vielleicht. Aber genau so generalisiert die betroffene Bevölkerung, dass Ministerposten nicht mehr nach fachlichen Kompetenzen vergeben werden, sondern nur noch nach Gekungel, Proporz und einem abgeschlossenen Jurastudium.
Am wichtigsten erscheinen Erhöhungen der eigenen Bezüge, das Durchlavieren bis zur Erreichung der Pensionsansprüche und die Erhaltung der MACHT.
Ich höre sehr genau zu, wenn ich Radio höre. Öffentlich rechtliches Radio. Ganz zaghaft melden sich auch dort Kommentatoren zu Wort, die ihre Zweifel äußern, ob das, was wir erleben, tatsächlich Demokratie ist.
Und man fragt sich auch, wo die Definition für Korruption beginnt. Denn nach Faktenlage ergibt sich die Ansicht, dass Politik der moderne zweite Bildungsweg für einen gut dotierten Vorstandsposten in einem Großkonzern sei.

Da fällt mir doch ein Song ein, der auch schon 40 Jahre alt ist, aber nicht weniger aktuell: https://www.youtube.com/watch?v=e_G2VdZ2yyw

Bei Sprachgenauikern möchte ich entschuldigen, dass der Sprachgebrauch politisch, dem Alter geschuldet, nicht korrekt ist.
Bitte, denken Sie beim Hören einfach immer „Feste, Mädels und Jungs …“ mit der Stimme von Alice Schwarzer.

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