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Paradigmenwechsel im Geheimnisverrat

raum&zeit-Kolumne von Manfred Jelinski

Das Phänomen des „Whistleblowers“ ist so alt wie die Geschichte selbst. Wer meint, hier einer völlig neuen Entwicklung in unserem Sozialgefüge gegenüber zu stehen, sollte sich ein wenig in die Geschichte einarbeiten. In anderen Ländern und zu anderen Zeiten verwendete man das Wort „Vaterlandsverräter“ und wenn man noch weiter zurückschaut, findet sich der offenbar älteste Whistleblower im Garten Eden.
Die Schlange rät den ersten Menschen, vom Apfel der Erkenntnis zu essen, damit sie einmal durchschauen, dass sie eigentlich nur als Zuchtobjekte, bestenfalls als Entertainer für die Schaffenspausen des Schöpfers rangierten. Ihre Strafe war der Verstoß aus der Zuchtfarm, sodass sie nun in freier Wildbahn für ihr Leben sorgen mussten. Keine medizinische Versorgung mehr, kein klimatischer Biosphären-Support. Die Schlange aber wurde verflucht, ihr Leben lang auf dem Bauch kriechen zu müssen und Erde zu essen. In dieser ungemütlichen Situation hat sie aber zu überleben gewusst und auch ihre Nahrungsaufnahme ist durchaus vergleichbar mit anderen Tieren.
Ähnlich erging es auch Julian Assange und Edward Snowden, deren Aufenthaltsort durchaus gemütlicher sein könnte, denn immer Maisfladen und Wodka kann auch nerven. Aber man überlebt.
Befriedigend ist aber solch ein Zustand nicht, und so probiert die erfinderische Natur Neues aus. Man kann spekulieren, was mit einer identifizierbaren Person geschehen wäre, die Akten aus den TTIP-Verhandlungen veröffentlicht hätte. Mit Greenpeace half hier ausgerechnet eine große Nicht-Regierungs-Organisation aus, und sie konnte ihr Tun sogar mit ihren Statuten und der parlamentarischen Rechtslage begründen. Ein kluger Schachzug.
Man darf gespannt sein, ob „Ärzte ohne Grenzen“ demnächst Geheimbefehle zur Bombardierung von Krankenhäusern veröffentlicht oder das Rote Kreuz Akten zur Herkunft von HIV.

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