raum&zeit Ausgabe 141

Mai/Juni 2006

Der neue Plan des Pentagon
Mit Kriegen Globalisierung erzwingen

Viren-Alarm
Vogelgrippe und AIDS nur Panikmache

Datenschutz
Vorsicht: Sie werden überwacht!

Forschungsprojekt
So wirken kosmische Wellen auf unsere Wohnräume

Editorial: Aus der Presse, aus dem Sinn ...?

Was bewegt den durchschnittlichen deutschen Mediennutzer? Das, was gerade durch Tagespresse, Funk und Fernsehen geistert. Im Februar lief die zweite – nein nicht Grippe – sondern Vogelgrippe-Panikwelle durch die Medienlandschaft. Jetzt, Ende März, ist das Thema nicht mal mehr in den Top 20.
Doch, das kennen wir eigentlich schon. Die Angst vor dem unsichtbaren Feind, die Angst vor der Mikrobe, ist wohl eine der massivsten, die wir Menschen kennen. Die Angst vor der Seuche gehört zur Menschheitsgeschichte. Ob Pest, Typhus oder Cholera, ob Syphilis oder Tuberkulose. Das Horrorszenario von Seuchen, die landstrichweise Menschenleben dahinraffen, muss wohl genetisch in uns codiert sein.
Denn hört man nur oft genug, welche katastrophalen Folgen der nach wie vor hypothetische Fall einer Mutation des H5N1-Virus haben könnte, dann beschleichen einen – seien Sie ehrlich – früher oder später einmal Überlegungen wie: „Sollte ich doch vorsichtshalber kein Hühnerfleisch mehr kaufen, selbst nicht aus deutscher, kontrollierter Bio-Aufzucht?“ oder „Sollte die Katze die nächsten Wochen nicht doch besser im Haus bleiben?“
Weil …, es könnte ja sein, dass doch … – obwohl die kritische Reflexion aller Informationen, die uns zur Verfügung stehen, den Verstand zu der Erkenntnis führt, dass es bei der Vogelgrippe-Hysterie wohl vor allem darum geht, mit Emotionen Stimmung zu machen. Aber nicht nur Stimmung wird durch das Schüren der Angst erzeugt, auch wirtschaftlich lohnt sich das Geschäft mit der Angst. Da sind an erster Stelle einmal diejenigen Vertreter des Medien-Genres, die Tag für Tag Zeitungen und Nachrichtensendungen mit interessanten Informationen versorgen müssen. Was erzielt die höchsten Auflagen oder die besten Quoten? Das lernt jeder Journalist schon während seines Volontariats: dramatische Ereignisse, die persönliche Betroffenheit beim Leser erzeugen.
Das Geschäft mit der Angst ist langjährigen raum&zeit Lesern doch bestens bekannt: Erinnern wir uns nur einmal an die inzwischen gut 20 Jahre zurückliegende Hysterie-Welle, verursacht vom Spektakel über einen anderen – potenziell die Menschheit ausrottenden – Virus, auch bekannt als HIV. Die Horror-Prognosen der „Todes-Seuche“ AIDS wurden (erfreulicherweise) nicht einmal ansatzweise erreicht. Doch gab es in den 80er-Jahren wohl kaum jemanden, den der Medienrummel und die Kampagnen gänzlich kalt gelassen haben.

Heute hat das Thema AIDS massiv an Medienwirksamkeit verloren. Doch nach wie vor treffen sich Politiker und andere wichtige Gesellschaftsmitglieder auf schicken AIDS-Galas oder vergiften Opfer in der „Dritten Welt“ durch großzügige pharmazeutische Entwicklungshilfe mit AZT (retrovir u. a.). Hier wird noch immer „gutes“ Geld mit der Angst – oder vielmehr mit der Naivität der Betroffenen – verdient. Einen kritischen Blick zurück auf die HIV-Story wirft die Ärztin Juliane Sacher in ihrem Beitrag „AIDS – Chronologie der Irrtümer“.
Das große Geschäft im Zusammenhang mit AIDS ist gelaufen, das weiß der vorausschauende Manager in der Pharmazeutischen Industrie genau. Drum gilt es, rechtzeitig neue Marktchancen zu erkennen und dann auch zu realisieren. Ich nehme an, Sie gehörten auch nicht zu der kleinen Gruppe von Menschen, die Zugang zu Insider-Informationen hatten, die jetzt den Aktionären der Roche AG so wunderbare Gewinne beschert, seit aus dem Ladenhüter Tamiflu ein echter (Export-)Kassenschlager wurde. Diese ungewöhnliche Karriere hat in den 80-er Jahren das Mittel AZT vorgemacht; einst als Krebsheilmittel konzipiert, fand es wegen Wirkungslosigkeit und all zu vielen unerwünschten Nebenwirkungen in den 50-er Jahren keinen Markt. Doch dann, in den 80-ern, das große Comeback als hoffnungsvoller Wirkstoff gegen die neue Geißel der Menschheit, gegen die „Seuche“ AIDS. Jetzt endlich, 25 Jahre später, amortisieren sich die investierten Gelder für die Entwicklung des Wirkstoffes AZT doch noch.
Und nun sitzen alle in den Startlöchern, um das große Geschäft mit der Vogelgrippe-Paranoia zu machen. Welche Interessen hier von wem verfolgt werden, darüber erfahren Sie mehr in den Beiträgen zur Vogelgrippe von Angelika Fischer und Dr. med. Rüdiger Dahlke.
Wer oder was wird die nächste pharmazeutische Erfolgs-Story schreiben? Mir fehlt dazu die Fantasie. Ihnen auch?
Lassen Sie sich nicht anstecken! Ich meine von der Panik natürlich.

In diesem Sinne
Herzlichst Ihre

Käthe Ehlers

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