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Darf's noch ein bisschen Bio sein?

Von Christine Kammerer, Nürnberg – raum&zeit Ausgabe 185/2013

Die gute Nachricht zuerst: Wir sind Bio-Europameister. In der ganzen EU kauft niemand so viel Bio wie wir Deutschen. Aber wo kaufen wir Bio? Nur 40 Prozent finden den Weg in den Bioladen. Fast doppelt so viele kaufen bei Supermärkten und Discountern. So sind wir Deutschen eben. Was recht ist, muss auch billig sein.

Und was ist ein Discounter? Nun, wie der Name schon sagt: Der Discount, das ist der Abschlag und Discounter – nun, das sind eben die, die alles gnadenlos herunterrechnen. Von der Bio-Banane bis hin zur Zahnpasta. Discounter schrauben so lange am Preis, bis das Produkt (fast) nichts mehr wert ist. Das wissen auch die Verbraucher. Deswegen kaufen sie ja dort. Das Erstaunliche dabei: Die allermeisten Konsumenten – nämlich 92 Prozent – glauben gar nicht erst daran, dass Bio im Discounter wirklich echtes Bio ist. Sie kaufen es trotzdem. Wo Bio drauf steht, ist nämlich auf jeden Fall schon mal ein gutes Gewissen drin. Und jetzt die eigentliche Überraschung: Wo Bio drauf steht, ist auch meistens richtiges, echtes Bio drin. Ganz oft sogar Bio erster Klasse – selbst bei Discountern. Sagt Greenpeace.

Viele Bio-Produkte sind „Schnelldreher“. Weil sie sich schnell abverkaufen lassen und viele Kunden in den Laden locken. Der Abschlag im Vergleich zum Bioladen: Bis zu 30 Prozent. Und der geht erst mal auf Kosten der Bio-Bauern. Denn bei aller schönen Ökologie herrschen auch hier selbstverständlich die Grundgesetze der Marktwirtschaft. Oder sagen wir mal – einer quasi-monopolistischen Profit-Ökonomie. Will heißen: Der Discount diktiert den Preis. Und natürlich auch die Produktionsbedingungen. Da wird jede noch so kleine Lücke im Kontrollsystem munter ausgeschöpft, denn schließlich will der Landwirt ja auch noch was verdienen. Zum Beispiel auf Kosten der Tiere. Artgerechte Haltung? Das geht doch auch in Massenproduktion. Das Glück und die Würde einer Kuh auf der grünen Wiese werden ohnehin überbewertet. Konventionelles Futter? Kein Problem. Darf‘s auch ein bisschen Dioxin sein? Nun, ein paar schwarze Schafe gibt es schließlich überall …

Wie viel Kommerz kann Bio verkraften? Und wie lange bleibt Massenware auch erste-Klasse-Ware? Bio in Monokultur mit Monsanto-Saatgut und monströsen Tierfabriken? Geklontes Turbo-Huhn aus dem Design-Studio, Hybridsaat auf dem Öko-Acker, Steaks aus Argentinien und Getreide aus der chinesischen Bio-Industrie? Was war das eigentlich nochmal – Bio? Und wozu das alles überhaupt?

Irgendwie, so scheint es, ist der Sinn der Sache unterwegs ein wenig auf der Strecke geblieben. Warum kaufen so viele Deutsche Bio? Doch gerade wegen der artgerechten Haltung. Wegen der natürlichen Bewirtschaftung und der Erhaltung der Umwelt. Und natürlich auch wegen der Gesundheit. Tja, und genau da beißt sich die Katze in den Schwanz. So geht der Discount letztlich vor allem auch auf unsere Kosten. Denn Billigprodukte müssen natürlich auch billig produziert werden. Aber da drückt der deutsche Verbraucher schon gerne mal beide Augen zu. Doch wenn Bio zum Geschäft ohne Seele verkommt, ist das Label bald (fast) nichts mehr wert. Gesunde Nahrung, eine intakte Umwelt und eine weitgehend natürliche Tierhaltung sind niemals billig zu haben.

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