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Die große Makulatur

Von Robert Stein, Ismaning – raum&zeit Ausgabe 223/2020

Dass er das noch erleben muss, unser guter alter Finanzminister Theo Waigel. Da hat er sich jahrelang gegen alle Widerstände durchgesetzt und trotzdem gerät sein großes Vermächtnis als Politiker, der in den Himmel gelobte (T)Euro, zunehmend in Schieflage und mit ihm dann gleich auch noch die ganze EU. Egal was Mario Draghi mit seiner Zinspolitik unternommen hat oder Christine Lagarde als neue EZB-Chefin unternehmen wird, es ist nichts anderes als das Ende eines Währungsexperiments, das von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Wir erleben tagtäglich live und in Farbe die fortlaufende Verschleppung einer lange überfälligen Insolvenz. Statt der geplanten und mit großen und salbungsvollen Worten versprochenen Einigung Europas trennt der Euro die Länder mehr als er sie je zusammenführen konnte. Viel zu schwach für den Wirtschaftsriesen Deutschland, viel zu stark für die Länder Südeuropas und egal wie weit und breit man schaut, kein Einsehen in der Politik, nicht der geringste Hauch einer Einsicht bei den Entscheidungsträgern. Mit allen Mitteln wird versucht, das eigene Scheitern weit in die Zukunft zu treiben, anstatt diesen historischen Fehler endlich zu korrigieren.

So schreiten wir voran in eine Zukunft, in der nicht nur die kleinen Leute mit ihren Sparbüchern die Leidtragenden sind, sondern selbst die großen Lebensversicherungen und mit ihnen alle Kranken-, Renten- und Pensionskassen immer mehr in Schräglage geraten.

Der profane Bürger staunt und wundert sich nur noch ob dieser obskuren Geldpolitik, braucht es doch keinen höheren Abschluss in Volkswirtschaft um zu erkennen, dass wir uns auf dünnem Eis bewegen, welches zunehmend tiefe Risse zeigt. Diese immer schneller voranschreitende Entwicklung ist nicht nur auf Europa beschränkt, denn auch jenseits des Atlantiks stehen die Zeichen auf Sturm. Die Experten von heute haben dafür eine Bezeichnung, die wohl auch von den Historikern von morgen so aufgenommen werden wird: Dies ist die Zeit des Spätkapitalismus, jene Ära, in der unser Geld- und Wirtschaftssystem sich dem unaufhaltsamen Ende zuneigt, ganz egal welche Maßnahmen in naher Zukunft noch getroffen werden mögen.

Dieser Gedanke erschreckt verständlicherweise viele, aber wer mit offenen Augen durch diese Welt geht, wird unweigerlich zu dem Schluss kommen, dass es für den Planeten Erde wohl nur von Vorteil sein kann, wenn ein neues Miteinander von Mensch und Natur entsteht. Ein System, das auf Nachhaltigkeit und wahren Fortschritt gegründet ist, jenseits der alten Gier nach Macht und Kontrolle. Eine neue Welt gepaart mit dem Bewusstsein eines höheren Ganzen wird sich unweigerlich Bahn brechen, aber dafür müssen die alten und verkrusteten Strukturen von heute weichen.

Ist also eine globale Katharsis, eine komplette Reinigung unserer heutigen Gesellschaften vielleicht doch mehr Chance als Krise?

Letztendlich kommt es darauf an, was wir selbst daraus machen.

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