r&z online

Homo Sapiens hat ausgedient – Es lebe der Mensch 2.0

Von Christine Kammerer, Nürnberg – raum&zeit Ausgabe 186/2013

Seit Snowden haben wir es schwarz auf weiß: Die Geheimdienste dieser Welt schrecken vor nichts zurück, um ihren Auftrag zu erfüllen. Sie wollen alles wissen und alles kontrollieren. Sie können nichts dafür, denn es liegt in ihrer Natur. Schließlich steht in der Stellenausschreibung ausdrücklich: Paranoide Persönlichkeitsstruktur bevorzugt. So ein Geheimdienst-Mitarbeiter ist schließlich auch nur ein Mensch. Gerade deswegen weiß er ja so gut, wozu Menschen im Stande sind. Und daher ist es seine Pflicht, der Menschheit immer mindestens einen Schritt voraus zu sein.

Noch besser wäre natürlich, er könnte die Menschheit gleich neu erschaffen. Oder wenigstens so transformieren, dass diese störrischen Individuen etwas weniger individuell und eigenwillig wären. Und ihr Gehirn würde er auch gerne auslesen wie die Festplatte ihres Computers. Dann endlich könnte er nämlich den Terrorismus an der Wurzel bekämpfen – bevor er überhaupt entsteht.

Natürlich hat unser eifriger Geheimdienst-Mitarbeiter schon während seiner Grundausbildung sämtliche Science-Fiction-Romane und besonders die Star-Trek-Episoden akribisch studiert. Weil er genau weiß, dass die meisten genialen Erfindungen darin vorweg genommen wurden. Das Handy zum Beispiel, die Videokommunikation und der Phaser. Bei Beamen sind wir noch nicht wirklich erfolgreich, aber die ersten funktionsfähigen 3D-Drucker sind ja schon mal ein kleiner Vorgeschmack auf den heiß ersehnten Replikator.

Aber besonders angesichts der „Borg“ und ihrer Technologien kommt unser Agent regelrecht ins Schwärmen. Die Borg sind nämlich eine faszinierende und vor allem sehr erfolgreiche Spezies, die so gut organisiert ist wie ein Bienenvolk. Sie sind vielleicht ein bisschen gefühlsarm, aber dafür extrem pragmatisch. In etwa so wie unser Geheimdienst-Mitarbeiter. Böse Zungen würden sagen: die Borg sind Psychopathen. Sie machen sich das Universum untertan, indem sie einfach alles assimilieren, was ihnen nützlich erscheint. Ohne Rücksicht auf so lästige menschliche Eigenschaften wie Mitgefühl oder Moral. Auch Individualität erschien ihnen im Laufe ihrer Evolution überbewertet und wurde daher zugunsten der Geborgenheit in einem totalitären Kollektiv abgeschafft.

Die Borg haben zahlreiche unschlagbare Vorteile gegenüber der primitiven Spezies Mensch. Sie sind ihr sogar weit überlegen durch die vollkommene Fusion zwischen Mensch und Maschine. Die Borg verfügen nämlich über mechanische Implantate, die ihren Körper perfekt optimieren und eine Nanotechnologie, mit Hilfe deren sie untereinander in einem Gedankennetzwerk kommunizieren. Das Kollektiv kann also die Gedanken der einzelnen Drohnen abrufen oder sie notfalls sogar fernsteuern. Und falls eine von ihnen aufgrund einer Fehlfunktion doch einmal aus der Reihe tanzen sollte, wird sie einfach durch einen Eingriff in das nanotechnologische System exekutiert. Das Schöne daran: Überwachung und Kontrolle werden somit endlich vollkommen überflüssig!

Wenn zum Beispiel eine Drohne meldet: „Homo Sapiens entdeckt“, antwortet die Borg-Königin: „Assimilieren!“ und die Drohne führt das Kommando aus. Und das ohne überhaupt auch nur die allergeringste Energie auf so etwas Ähnliches wie Zweifel oder Gewissen zu verschwenden. In etwa so wie unser Geheimdienst-Mitarbeiter. Denn der ist natürlich begeistert von der Effizienz der Borg-Technologie. Das war doch im Grunde schon immer sein großer Traum: Der direkte Zugriff auf die Gehirne der Menschen!

Der Traum ist in Erfüllung gegangen. Die Inbetriebnahme des weltweiten Systems zur Bewusstseinskontrolle erfolgte im Jahr 2013. Widerstand ist zwecklos. Sie werden assimiliert.

zur Startseite