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Frieden bringt Fülle

Morgenröte im Osten, Götterdämmerung hinter dem großen Teich

Von Christine Kammerer, Nürnberg – raum&zeit Ausgabe 196/2015

Die Schattenstrategen der USA sind alarmiert: Das große Schachbrett wird neu aufgemischt. Und das ausgerechnet von den Barbarenvölkern Asiens – China ist aufgewacht.
Lange schlummerte das Reich der Mitte im süßen Dornröschenschlaf. Ein Großteil der Bevölkerung war, wie es schien, ohnehin schon nach Europa und Amerika ausgewandert und hatte dort Restaurants gegründet. China, das war für den Westen das Land, in dem man Ming-Vasen bemalte, Opium rauchte, niedliche kleine Hunde verspeiste und einfach alles kopierte, was irgendwie Devisen einbrachte. Ansonsten blieb der Chinese lieber unter seinesgleichen und hielt sich vom Rest der Welt eher fern.

Ganz anders als das alte Rom damals. Der Römer stand ganz offen zu seinen Allmachtsfantasien. Die römische Geostrategie beschränkte sich auf eine knappe, aber klare Ansage: unangefochtene Hegemonie auf dem gesamten Globus.
Aber so eine globale Vormachtstellung ist ziemlich schwer zu erlangen und dazu auch noch ein sehr fragiles Ding. Denn wenn man erst einmal ein Etappenziel erreicht hat, muss man es in Zukunft auch bis aufs Blut verteidigen.
Den Römern jedenfalls ist das nicht geglückt. Obwohl sie einige sehr wirkungsvolle Strategien zur Erhaltung der Macht entwickelt hatten, wie zum Beispiel divide et impera – teile und herrsche. Und obwohl sie die Imperative einer imperialen Geostrategie bereits kannten:
„Verhindere mit aller Macht Absprachen zwischen den Vasallen, halte tributpflichtige Staaten fügsam, vermeide einen Zusammenschluss der Barbarenvölker!“
Ach, das ist gar kein Zitat aus dem Geschichtsbuch? Die Amerikaner haben das gesagt? 1996?
Genaugenommen war es der Sicherheitsberater von Jimmy Carter, der das gesagt hat, Zbigniew Brzezinski. Und zwar in seinem Werk: „Das große Schachbrett“. Der Inhalt ist ziemlich einfach auf den Punkt gebracht: Was müssen wir tun, um uns die Dominanz auf dem gesamten eurasischen Kontinent zu sichern?

Freundschaften unter den Barbaren verhindern, Staaten mit Rohstoffressourcen und geostrategischen Potenzialen klein halten, nötigenfalls gegeneinander aufstellen und schließlich einen Korridor vom Mittelmeer bis nach Zentralasien errichten. Und was immer sich dem entgegenstellt, ist böse und wird als Angriff gegen die zentralen Interessen der USA gewertet und mit allen Mitteln – nötigenfalls auch mit militärischen – zurückgeschlagen.

Der rote Drache betritt den Welten-Plan und Konfuzius sagt: „Frieden bringt Fülle“. Nun bleibt abzuwarten, ob die Neue Welt hinter dem großen Teich die heraufdämmernde Morgenröte im Fernen Osten so friedlich hinnehmen wird.

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