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Neues aus der Gerüchteküche der Strom-Lobbyisten

Von Christine Kammerer, Nürnberg – raum&zeit Ausgabe 182/2013

Atomkraft ist günstig, sicher und nachhaltig. Atomstrom ist unverzichtbar und ohne ihn gehen uns sowieso bald die Lichter aus. Die Strompreise steigen ins astronomische, es drohen Engpässe, ja sogar Blackouts mit gravierenden Folgen. Die Gerüchteküche der Lobbyisten brodelt wie selten zuvor.

Fukushima war auch sicher. Jedenfalls so sicher, wie eben ein Ding sein kann, das von Menschenhand erbaut und betrieben wird. Dass dann aber gleich ein ganzes Feuerwerk unglücklicher Umstände, Missgeschicke und menschlicher Fehlleistungen eintrat – wer konnte das ahnen? Zumindest ein Gerücht dürfte jedoch seit der japanischen Reaktorkatastrophe aus der Welt sein. Nämlich, dass man den Verlautbarungen von AKW-Lobbyisten auch nur im Entferntesten über den Weg trauen kann. Und denen von Regierungen! Japan steht vor dem Ausstieg aus dem Atomausstieg. Aus wirtschaftlichen Gründen, so die Regierung. Weil Atomkraft ein Wachstumsfaktor ist, so die Atomwirtschaft. Bedingung der Regierungsverantwortlichen: Die Betreiber müssen sich für die Sicherheit verbürgen. Damit wäre dann ja wieder alles beim Alten. Alles andere ist sowieso nur Hysterie und Panikmache. Mittel, zu denen die Lobby selbst gerne greift, wenn es um die eigenen Interessen geht – frei nach dem Motto: Öko-Strom ist unbezahlbar! In der Tat – Strom ist ein teures Vergnügen und sollte es auch bleiben. Ein guter Grund mehr, sich zu fragen: Welchen wollen wir uns leisten? Denn die größten Preistreiber sind die konventionellen Stromerzeuger selbst. Was uns wirklich teuer zu stehen kommt, ist die Modernisierung maroder und technisch veralteter Kraftwerkssysteme. Mal ganz abgesehen von den Milliarden für die Endlagerung des Atommülls. Dagegen ist der Netzausbau ein Klacks.

Seit vielen Jahren überfällig wird uns der Netzausbau derzeit verkauft, als sei er eine Erfindung vollkommen irregeleiteter Öko-Aktivisten. Dass ihn die Betreiber herkömmlicher Kraftwerke unverantwortlich lange vernachlässigt und sich damit um nicht unerhebliche finanzielle Investitionen herum gedrückt haben, kommt in deren Manifesten eher selten zur Sprache. Nicht-Investitionen aus sprudelnden Einnahmen auf unsere Kosten, die sich unmittelbar in Profit und steigenden Börsenkursen niederschlugen.

Ja, aber dann gehen uns bestimmt bald die Lichter aus! Gewiss, es wird vermutlich noch eine ganz Weile dauern, bis wir die Sonne dazu gebracht haben, auch nachts zu scheinen. Und auch der Wind will manchmal einfach nicht wie wir. Aber die Energiewende wird ja nicht an einem Tag erschaffen und Öko-Strom speist sich im besten Fall aus vielen Quellen. Ja, auch grüner Strom kommt aus der Steckdose, es sind der Mix und die intelligenten technischen Lösungen, die Energie effizient machen: Sonne, Wind und Wasserkraft, Biomasse und Geothermie, Speicherkraftwerke und ein flexibles Netz.

Aber wie Sie sicher schon bemerkt haben, profitiert die notleidende deutsche Industrie eigentlich immer. Zum Beispiel von großzügigen Subventionen. Wie bei Atom und Kohle, bei denen der Verbraucher gleich zweimal zur Kasse gebeten wird – als Steuerzahler und als Konsument. So auch bei den Erneuerbaren. Die übrigens nur mit einem Bruchteil jener Summen gefördert werden, die bei den konventionellen Energien verbraten wurden und werden. Energieintensive Unternehmen sind nicht nur von den finanziellen Lasten befreit sondern nehmen auch eben mal die Vorteile des globalen Investitionsschubs infolge der neuen Technologien mit. Der Weltmarkt für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz boomt und die deutsche Industriestruktur ist dank der staatlichen Fürsorge bestens aufgestellt.

Wie man es auch dreht und wendet – es sieht so gar nicht danach aus, als müssten wir uns große Sorgen machen, wenn bei den AKWs in Deutschland 2020 die Lichter ausgeknipst werden.

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