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Spieleanleitung für den Krieg der Drohnen – aus dem Wörterbuch der Warlords

Von Christine Kammerer, Nürnberg – raum&zeit Ausgabe 192/2014

Science Fiction war gestern. Heute ist Cyberwar. Und der ist so real, dass es überhaupt keiner merkt, wenn Krieg herrscht. Nicht einmal die Krieger selbst. Sie spielen doch nur. Am liebsten mit Drohnen. Die kleinen Brummer sind flexibel, kostengünstig und human. Jedenfalls für die Cyber-Soldaten. Denn die können sozusagen aus dem Home-Office heraus Krieg führen. Keine zermürbenden Gefechte mehr. Ja, nicht einmal Feindkontakt.

Heute ist Krieg eine saubere Sache. Präzise und klinisch steril wie das Skalpell eines Chirurgen. Und leicht wie ein Kinderspiel. Fast ein bisschen so wie damals, als der kleine Napoleon seine Zinnsoldaten im Sandkasten gegeneinander aufstellte. So theoretisch, so wunderbar virtuell und so vollkommen frei von jeglicher Moral.
Im Grunde könnten Sie sich sogar glücklich schätzen, wenn Sie auf der Liste der High Value Targets gelandet sind. Denn das ist so eine Art Top Ten Charts der meistgesuchten Terroristen und Anti-Helden. Als Ziel mit hohem Wert sind Sie gewissermaßen der VIP unter den Feinden. Eine Zielperson mit richtig vielen Lorbeeren auf der Richter-Skala der Warlords. Frei nach dem guten, alten Motto: Viel Feind, viel Ehr‘.
Etwas weniger romantisch, aber eben sehr ehrenhaft, ist die Tatsache, dass Sie dann auch zum targeted killing freigegeben werden. Das aber immerhin vom mächtigsten Friedensnobelpreisträger der Welt persönlich.
Was dann folgt, klingt sehr nett und vor allem so harmlos, ist aber für den Feind im Fadenkreuz schlicht tödlich: find, fix, finish. Hört sich fast ein bisschen an wie „veni, vidi, vici“ nur eben viel moderner. Das Ziel des Spiels ist nämlich genau genommen die finale Lösung eines x-beliebigen Konflikts. Wo auch immer auf der Welt. Und am besten von ganz weit weg.
Und wie erreicht man das? Natürlich indem man den Rädelsführer ausmacht und ihn ein für alle Mal terminiert. Auf den höheren Levels wird es dann allerdings komplizierter. Dort wachsen nämlich für jeden terminierten Rädelsführer mindestens drei neue nach. Aber wir befinden uns ja erst auf Level eins.
Dazu wird das Drohnen-Geschwader vom Spieler erstmal in die Luft gebracht. Der Spieler, das ist der Operator. Also der Pilot, der die Kampf-Drohne mit dem Joystick fernsteuert. Der erfasst dann das ehrenwerte Zielobjekt auf seinem Monitor. Er darf aber erst losballern, wenn dessen Identität vom zuständigen Cyberkriegs-Beamten auch wirklich zweifelsfrei bestätigt wurde. Dann drückt der Operator den roten Knopf und feuert die Raketen mit dem poetischen Namen Hellfire ab.

Theoretisch sollte sich jetzt außer der Zielperson selbst keiner mehr im Höllenfeuer befinden. Aber wo gehobelt wird, fallen eben auch schon mal Späne. Die werden dann für gewöhnlich im Bericht an den Warlord als bedauerlicher Kollateralschaden abgehandelt. Ungewollt, aber im Spielverlauf eben meistens unvermeidbar. Eine wirksame Medizin so ganz ohne Nebenwirkungen – das kriegt halt leider noch nicht einmal eine High-Tech-Drohne im Cyberwar hin. Die übrigens mit dem prosaischen Namen reaper bedacht wurde – Sensenmann.
Die Terminierung ist übrigens extralegal. Das bedeutet aber nicht etwa „besonders rechtmäßig“ sondern eigentlich eher „außerhalb jeglichen Rechts“. Man könnte auch sagen: illegal. Jedenfalls nach dem Völkerrecht. Aber es ist ja nur ein Spiel.

Nun denken Sie vermutlich: Aber das ist ja Gottseidank alles ganz weit weg! Mitnichten. Das Gehirn der Warlords – der tödliche Supercomputer, auf dem die Cyber-Soldaten ihre Spielchen spielen, auf dem die Informationen zusammenlaufen und die Befehle gegeben werden, steht mitten in Deutschland. Und wieder einmal beginnt ein großes Kriegsspiel auf deutschem Boden …

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