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Was der Mensch sät, das wird er auch ernten

Von Christine Kammerer, Neumarkt – raum&zeit Ausgabe 202/2016

Berühmt ist Monsanto vor allem für seine Erfolgspatente. Agent Orange zum Beispiel. Genau genommen ist nicht nur Monsanto dafür berühmt, sondern auch die Bayer AG. Die war noch nie besonders zimperlich in Sachen Gifte. Aber das ist ja nun alles schon ziemlich lange her. Da ist doch schon längst Gras drüber gewachsen. Oder etwa doch nicht?

Zwischen 1965 und 1970 bekam Vietnam die ganze Wucht der US-amerikanischen Chemiekeule zu spüren. Nämlich in Form von bis zu 80 Millionen Litern Agent Orange und anderen ähnlich zerstörerischen Pflanzengiften. Ein Feldversuch im großen Stil sozusagen. Mit nachhaltiger Wirkung auf Mensch und Umwelt. Manchmal wurden ganze Ladungen einfach komplett abgelassen. Das kann im Eifer des Gefechts schon mal vorkommen. Diese Areale nennt man heute „hot spots“, eine immer wieder gern verwendete Bezeichnung für Orte, von denen andere nicht so genau wissen sollen, was dort eigentlich passiert. Ein Euphemismus, der den Zynismus, der sich dahinter verbirgt, fast noch ein bisschen böser erscheinen lässt. Denn dort wächst kein Gras mehr. Bis heute nicht und auch in absehbarer Zukunft nicht. Und obwohl die verheerenden Folgen in Vietnam sehr konkret sind und die Zusammenhänge zweifelsfrei feststehen, weigerten sich die Hersteller, Verantwortung zu übernehmen. Schließlich hätten sie ja nicht gegen internationales Recht verstoßen.

Nach dem Vietnam-Krieg war Agent Orange erst mal ein Ladenhüter. Aber Monsanto verdiente immer prächtig mit – im Krieg und im Frieden. Wie die Bayer AG. Monsanto produzierte fortan einfach Herbizide für Jedermann. Unter dem wohlklingenden Namen „Roundup“. Auf gut Deutsch heißt das ungefähr so viel wie „Rundumschlag“. Wohl weil bei diesem gezielten Vernichtungsschlag so ziemlich alles auf der Strecke bleibt, was da vorher noch kreuchte und fleuchte.

Der in Roundup enthaltene Wirkstoff ist Glyphosat. Seine „Wirkung auf Nichtzielorganismen“ wurde wissenschaftlich ausführlich untersucht. Ein Schelm, wer dabei an kriegerisches Vokabular denkt. Jedenfalls kamen diese Studien je nach Auftraggeber zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Und damit Monsanto auch diesmal gar nicht erst Gefahr läuft, gegen internationales Recht zu verstoßen, ließ die EU-Kommission einfach die Grenzwerte für Glyphosat klammheimlich heraufsetzen. Für Soja zum Beispiel auf immerhin 20 Milligramm pro Kilo.

2015 legte schließlich die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der WHO ihr Resultat vor: „wahrscheinlich krebserzeugend für den Menschen“. Nun war der Geist endlich aus der Flasche. Und eine Verlängerung der Zulassung in der EU vermutlich erst mal vom Tisch. Vorerst. Mit TTIP wird das dann nämlich alles viel einfacher. Sie wundern sich, warum wir die Verträge nicht einsehen dürfen? Nun, das ist deswegen so, weil es eigentlich noch gar keine richtigen Verträge gibt. Nach der Unterzeichnung von TTIP ist sozusagen vor den Verträgen.

Das erklärte Ziel ist ausdrücklich, dass sich USA und Europa immer mehr annähern. Mit anderen Worten: Wir nähern uns den amerikanischen Spielregeln an. Dafür sorgt in Zukunft der transatlantische Regulierungsrat. Der selbstverständlich demokratisch ebenso wenig legitimiert ist wie TTIP selbst. Sämtliche Gesetzesvorhaben, natürlich auch die, die den Verbraucher- oder den Umweltschutz betreffen, werden diesem Rat künftig vorgelegt. Bevor sie überhaupt in die nationalen Parlamente gelangen. So wird sichergestellt, dass der europäische Bürger und Verbraucher nicht ständig reinquatscht, wenn die Konzerne und Lobbyisten ihm etwas verkaufen wollen. Und das gilt dann natürlich auch für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln.

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