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Wir sind Gott – der Übermensch ist machbar

Von Christine Kammerer, Nürnberg – raum&zeit Ausgabe 187/2014

Einen neuen Menschen erschaffen, das ist ein bisschen wie Spielen mit Legosteinen. Man nimmt einfach ein bisschen DNA und würfelt sie neu zusammen. Gott hatte schließlich auch keine Bedienungsanleitung, als er zu basteln begann. Natürlich gab es auch damals schon kleine Kollateralschäden. Eva zum Beispiel. Denn die Frau war ja eigentlich nur ein Abfallprodukt der Schöpfung. Sie besaß unberechenbare Funktionen und Eigenschaften. Die Folgen waren unvorhersehbar. Eva kontaminierte das gesamte Ökosystem mit ihrer Sündhaftigkeit. Aber Gott fand trotzdem, dass alles gut war.

Warum also sollten wir nicht auch ein wenig mit dem Leben spielen? Der göttliche Ethik-Kanon ist sowieso längst überholt und das Risiko hält sich in Grenzen. Denn alles Leben, das bisher synthetisch erschaffen wurde, war ohnehin von kurzer Dauer und hatte daher kaum eine Chance, den Rest der Schöpfung zu kontaminieren.

Am ersten Tag erschufen wir Klonschaf Dolly. Leider wurde Dolly alt geboren und man konnte an ihr lediglich die Degeneration geklonter Gene studieren. An Tag zwei erblickten Dollys Enkel das Licht der Welt und die sind nicht viel besser dran, denn auch fluoreszierende Schafe sind nur arme Schafe.

Eine absurde Laune der Wissenschaft. Bizarre Monster aus Schaf und Quallen-DNA, nachtleuchtend wie ein künstlicher Sternenhimmel. Erschaffen als lebendiger Beweis dafür, dass Leben machbar ist. Sei es auch nur in Form einer bedauernswerten Kreatur ohne Geschichte, ohne Zukunft und ohne jeglichen Sinn. Und das waren nur die ersten Tage unserer Schöpfung. Doch damals wussten wir bereits, dass wir jegliches Lebewesen mit allen erdenklichen Eigenschaften und Funktionen ausstatten können. Auch den Menschen.

Am dritten Tag konnten wir schon mehr als Gott. Denn der experimentierte schließlich nur mit organischem Material. Wir aber können Technik. Und unsere Technik ist so intelligent wie der Mensch. Und inzwischen sogar intelligenter.

Am vierten Tag begann ein neues Zeitalter. Wir verschmolzen Mensch und Maschine zu einer neuen Entität und erschufen den transhumanen Übermenschen. Denn wir ahnten bereits: Gehirne, kombiniert mit der Macht der Computer, sind zu unvorstellbaren Dingen fähig …
Am fünften Tage wussten wir zwar schon längst nicht mehr, was wir tun, aber wir wussten: Es ist machbar!

Am sechsten Tage gehörte der Unterschied zwischen biologischem und mechanischem Leben und zwischen physischer und virtueller Realität der Vergangenheit an. Wir hatten die Gesetze der Physik und die Grenzen der Evolution überwunden. Künstliche Intelligenz begleitete uns auf Schritt und Tritt durch den Alltag, das Smart Grid verband die computerisierte Welt da draußen mit unserem Körper und unserem Geist und wir waren endlich in der Lage, deren Leistungsfähigkeit mit Hilfe von Kybernetik, Nanotechnologie und Genmanipulation ins Unermessliche zu steigern.

Am siebten Tage vollendeten wir unser Werk und ruhten. Doch da befiel uns ein böser Alptraum: Wir erkannten, dass wir selbst nur noch arme Schafe waren. Eine absurde Laune der Wissenschaft. Bizarre Monster aus Mensch und Maschinen-DNA. Erschaffen als lebendiger Beweis dafür, dass alles machbar ist. Sei es auch nur in Form einer bedauernswerten Kreatur ohne Zukunft und ohne jeglichen Sinn.

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