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Wo vegan drauf steht, kann Tier drin sein

Von Christine Kammerer, Neumarkt – raum&zeit Ausgabe 213/2018

Man kann ja heutzutage ohne weiteres mehrere Stunden am Stück im Supermarkt zubringen. Alleine damit, dass man sich all das Kleingedruckte durchliest, was der Hersteller dem Verbraucher mit auf den Weg geben muss. Vorausgesetzt natürlich, er verfügt über eine Lesebrille mit extra starkem Zoom. Oder besser über eine Superlupe. So wie die Forscher im Labor, die damit Mikroorganismen unterm Mikroskop betrachten. Denn die Schriftgröße der Texte auf den Packungen, die den Konsumenten ja eigentlich über die darin enthaltenen Zutaten informieren sollen, haben tatsächlich ungefähr die Größe der darin enthaltenen Mikroben. Deswegen drängt sich mitunter beinahe der Verdacht auf, dass uns der Hersteller am Ende gar nichts mitteilen will. Alles nur überflüssige und lästige Pflichtangaben, die ihm der Gesetzgeber da verpflichtend aufs Auge gedrückt hat. Wäre die Welt nicht viel einfacher, wenn der Kunde sie schlicht für Fliegendreck halten und gar nicht erst lesen würde?

Noch besser wäre es natürlich, wenn die Superlupe direkt mit dem Internet verbunden wäre. Dann könnte man sich nämlich all die wohlklingenden Begriffe auch gleich übersetzen lassen. Das würde dann allerdings noch einmal einige Stunden Zeit in Anspruch nehmen. Und es ist immer noch keine Gewähr dafür, dass man dann auch wirklich versteht, was genau sich dahinter verbirgt. Dazu müsste man nämlich einen persönlichen Assistenten engagieren. Mit einer soliden Ausbildung in Ökotrophologie. Und natürlich kontinuierlichen Weiterbildungen, die aktuellen Zutaten betreffend. Vor allem auch im Hinblick auf die jüngsten Lebensmittel-Skandale. Damit er auch existenzielle Fragen beantworten kann wie: „Kann man den Herstellern eigentlich überhaupt noch irgendetwas glauben?“

Wenn man nämlich die wundervollen Verheißungen, die einem von den hübsch aufgemachten Produkten entgegen prangen, mitleidslos zerpflückt, dann kommt dabei zufällig immer genau das heraus, was der Kunde sich am Sehnlichsten wünscht. Da ist dann einfach alles garantiert „100 Prozent Natur“. Und wenn der Kunde original italienische Tomatensoße à la Mama möchte, dann bekommt er die auch. 100 Prozent Natur. Die Soße wird tatsächlich in Italien hergestellt. Natürlich mit Tomaten aus China. Wo sollen denn die Italiener sonst die vielen Tomaten hernehmen? Die Herkunft der Zutaten muss der Hersteller schließlich bei verarbeiteten Lebensmitteln nicht deklarieren.

Hundert Prozent Natur. Das wünschen sich vermutlich auch die allermeisten Veganer. Vielleicht noch etwas Käse dazu? Käse ist ja meistens ein tierisches Produkt. Gewesen. Inzwischen kann man auch da der Natur ein kleines bisschen auf die Sprünge helfen. Und schon wandert der von den Verbrauchern dereinst böse abgestrafte Analog-Käse durch das Hintertürchen „vegan“ wieder in die Verkaufsregale. Nur teurer als vorher. Eines sollte Veganern immer klar sein: Wo nicht „vegan“ drauf steht, kann Tier drin sein. Wo „vegan“ drauf steht, aber auch. Ein Reinheitsgebot gibt es nicht. Deswegen kann man niemals vollkommen sicher sein, dass nicht doch ein bisschen Tier drin ist. In den Zusatzstoffen zum Beispiel. Die können aus Schweineborsten oder Federn stammen. Auch da darf sich der Hersteller in Schweigen hüllen.

Wussten Sie übrigens, dass es auch ein veganes Barbecue gibt? Mit Schnitzel, Burger, Steak und Bratwürstchen. Alles Fake. Sieht aber täuschend realistisch aus. Was wohl in der veganen Grillwurst so alles drin ist, damit sie einigermaßen schmeckt wie echt? Das wollen wir lieber gar nicht so genau wissen ...

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