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Infopunkte Naturwissenschaft

raum&zeit-Ausgabe 214

Polsprung Forscher geben Entwarnung

Seit etwa 200 Jahren beobachten Forscher eine fortlaufende Schwächung des Erdmagnetfelds. Seine Stärke hat in diesem Zeitraum um etwa 10 Prozent abgenommen und auch seine Form entspricht nicht mehr dem symmetrischen Torus üblicher Abbildungen. Im Südatlantik gibt es sogar Bereiche mit vertauschtem Nord- und Südpol („südatlantische Anomalie“). Steht also ein Polsprung, in welcher der globale magnetische Dipol sich umkehrt, unmittelbar bevor? Da das intakte geomagnetische Feld kosmische Teilchen und den Sonnenwind um die Erde herumlenkt, könnte ein temporärer Totalausfall unvorhersehbare Auswirkungen auf die Bio-, aber auch die Technosphäre haben: eine erhöhte Mutationsrate bei Lebewesen und eine Störung der weltweiten Kommunikationsnetze etwa. Nicht wenige Menschen sorgen sich daher um unser aller Wohlergehen. Doch nun geben Forscher der Universität Island Entwarnung. Ihnen zufolge passt das Muster der aktuellen Abschwächung nicht zu einer Polumkehr, wie sie nachweislich alle paar hunderttausend Jahre auf der Erde stattgefunden hat (das letzte Mal vor circa 780 000 Jahren). Vor den früheren Polumkehrungen war das Erdmagnetfeld demnach deutlich stärker geschwächt als heute und wurde überdies stellenweise von den komplexen Feldstrukturen überdeckt. Die Forscher hatten paläomagnetische Messdaten analysiert, die sie aus Vulkangestein und Sedimentbohrkernen aus verschiedenen Regionen gewonnen hatten. Solche Gesteine enthalten die magnetischen Minerale Magnetit und Hämatit, die wiederum die Stärke und Orientierung des Erdmagnetfelds während der Zeit ihrer Entstehung speichern. Sie dienen so als „Zeitzeugen“ des veränderlichen Geomagnetismus. „Aus unserer Betrachtung der vergangenen 50 000 Jahre schließen wir, dass die heutige südatlantische Anomalie nicht als Beginn einer Feldumkehr gedeutet werden kann“, sagte Co-Autorin Monika Korte vom Deutschen Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam. Aber selbst wenn das Magnetfeld eine Zeitlang ganz ausfallen würde (die Polumkehrung geschieht natürlich nicht abrupt, sondern vollzieht sich im Lauf einiger Jahrtausende), wären wir nicht völlig ungeschützt. Denn auch die Atmosphäre absorbiert einen Teil der Strahlung. Einen weiteren Mechanismus zeigt uns die Venus, die bekanntlich kein eigenes Magnetfeld hat. Der Sonnenwind induziert nämlich elektrische Ströme in der Venus-Atmosphäre, die wiederum ein Magnetfeld erzeugen, das die Teilchen um den Planeten herum lenkt. Ganz offenbar verfügt ein Planet über mehr als eine Möglichkeit, sich vor der harten Strahlung zu schützen. (DS)

Quellen: www.wissenschaft.de; https://physik.wissenstexte.de/umkehr.html

Ameisensäure als Energiespeicher

Ameisensäure (CH2O2) hat das Zeug, zum Energieträger der Zukunft zu werden. Denn mit ihr ließe sich ein umweltneutrales Kreislaufsystem aufbauen, wenn ausschließlich erneuerbare Energiequellen zur Erzeugung der Ameisensäure zum Einsatz kommen. Die Flüssigkeit, mit der sich unter anderem Ameisen verteidigen, enthält nämlich Wasserstoff, der sich extrahieren lässt, um damit dann eine Brennstoffzelle für die Strom- und Wärmegewinnung zu betreiben. Als Abgase entstehen dabei nur Wasser und CO2, das sich einfangen und durch Hydrierung wiederverwerten lässt. Stickoxide oder Rußpartikel fallen nicht an. Die Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne (EPFL) entwickelt gemeinsam mit dem Schweizer Unternehmen GRT Group ein Brennstoffzellensystem, in dem ein Reformer via Katalysatortechnik den Wasserstoff aus der Ameisensäure abspaltet. Dadurch könnte die Brennstoffzellentechnik einen entscheidenden Schritt in Richtung mobiler Einsatzfähigkeit machen. Denn der explosive Wasserstoff selber muss als Gas in massiven Drucktanks oder flüssig in großen thermisch dichten Sicherheitsbehältern aufbewahrt werden. Die nicht explosive Ameisensäure kann dagegen wie Benzin in einem Tank gelagert werden. Da 1 Liter Ameisensäure 590 l Wasserstoff entspricht, lässt sich durch die neue Technik enorm viel Platz einsparen. Die von GRT und EPFL vorgestellte Brennstoffzelle kann pro Jahr 7 000 Kilowattstunden erzeugen, deutlich mehr als ein Durchschnittshaushalt verbraucht. Außer Strom liefert die Zelle auch Wärme, die herkömmliche Heizungen überflüssig macht. Die Zelle hat einen Wirkungsgrad von 45 Prozent. Dieser Wert soll sich noch steigern lassen. GRT arbeitet jetzt an einer integrierten Lösung. Dazu gehört neben dem Reformer und der Zelle selbst eine Anlage, die im Sommer gewonnenen, überschüssigen Solar-Strom in Ameisensäure speichert, die im Winter genutzt werden kann. Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Vorteil ist, dass Ameisensäure industriell in vielen Bereichen eingesetzt wird, seine Handhabung also keinerlei Probleme bereitet. (DS)

Quelle: https://www.eurekalert.org/pub_releases/2018-03/epfd-gga031918.php

Tod im Mäuseparadies

Dem US-amerikanischen Ethologen John Calhoun verdankt die Verhaltensforschung das äußerst denkwürdige Experiment „Universum 25“. Calhoun schuf ein Mäuseparadies, in dem die Tiere alles ausreichend zur Verfügung hatten: Futter, Platz, Brutstätten, Sauberkeit, Schutz vor Infektionen, konstante Temperatur etc., alles optimal auf eine Mäusepopulation abgestimmt. Die Nager mussten also um nichts kämpfen und keinerlei Not leiden. Es begann mit 4 Mäusepaaren. Die Versuchsanlage hätte 9 500 Mäusen Platz geboten. Doch weit vor Erreichen dieser Zahl – das Populationsmaximum lag bei 2 200 – starb die letzte Maus im Paradies. Zunächst verdoppelte sich die Population alle 55 Tage, später erhöhte sich dieser Wert auf 145 Tage. Ab circa 600 Tieren traten die ersten „exklusiven Mäuse-Zirkel“ auf, die keine Neuzugänge duldeten. Immer mehr junge Mäuse wurden zu Außenseitern. Sie konnten keine soziale Rolle mehr finden, da die immer älter werdenden Artgenossen ihnen ihre sozialen Räume nicht mehr überließen. Die Außenseiter lebten in „Slums“, wurden untereinander aggressiv und zerbrachen psychisch. Mehr und mehr Männchen weigerten sich schließlich, ihre trächtigen Weibchen zu schützen. Die Muttertiere begannen, ihre eigenen Jungen zu töten. Sie wurden zu aggressiven Einzelgängern. Die Geburtenrate fiel deutlich unter die Todesrate der Jungtiere. In der letzten Phase von Universum 25 traten die von Calhoun so genannten „Schönlinge“ auf, Männchen, die sich komplett der Paarung und dem Territorialverhalten verweigerten. Sie gingen jedem Streit aus dem Weg und pflegten einen total passiven Lebensstil. Die Schönlinge kümmerten sich nur noch um sich selber. Diese und die Einsiedlerweibchen wurden zum dominanten Typus. 1 780 Tage nach Beginn des Mäuseparadies starb der letzte Bewohner – obgleich nach wie vor alles im Überfluss vorhanden war. (DS)

Quelle: www.cabinetmagazine.org/issues/42/wiles.php

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