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Infopunkte Naturwissenschaft

raum&zeit Ausgabe 235

Bioelektrische Implantate


Fortschritte beim Hirn-Computer-Interface

Graphen ist ein ganz besonderer Werkstoff, der vor allem die Bereiche Deeptech (u.a. hochriskante Militärforschung) sowie Medizin- und Digitaltechnik beflügeln könnte. Es ist das bislang einzige Material, das in nur einer Atomlage oder auch kontrolliert geschichtet existieren kann, ungeahnte Qualitäten der Miniaturisierung besitzt und darüber hinaus biokompatibel, leicht und flexibel ist. Da es überdies den elektrischen Strom und Wärme sehr gut leitet, bietet es sich unter anderem als punktgenaues Elektrodenraster für neurologische Einsätze an. Die erzielte Signalauflösung kann mit keinem anderen Material auch nur annähernd erreicht werden. Graphen-Chips könnten mit upgradefähiger Software geladen und mit Funksignalen angesprochen werden. All das bei minimalem Platzbedarf. Die spanische Firma Inbrain Neuroelectronics, die langfristig eine Hirn-Computer-Schnittstelle im Visier hat, hat eine Künstliche Intelligenz (KI) für therapiespezifische Biomarker entwickelt, um letztlich damit einzelne Neuronen im menschlichen Gehirn anzusprechen oder zu modulieren. Das Signalverhalten der Hirn-Nervenzellen kann somit Neuronen-genau aufgelöst werden. Das erlaubt personalisierte Therapien, bei der Nano-Graphen-Elektroden ins Hirn implantiert werden. Das Unternehmen hat 16,8 Millionen Dollar von Investoren erhalten, um ein „disruptives System zu Behandlung von Epilepsie und Parkinson“ zu entwickeln. Das Geld soll auch dazu verwendet werden, Graphen als neurotechnologischen Standard zu etablieren. „Die Graphen-Technik ist gereift und bereit für den nächsten Schritt. Die Investition ist ein wichtiger Schritt zum Ziel, um die Behandlung neurologischer Krankheiten zu transformieren“, sagte Jose Garrido, Mitbegründer der Firma, die auch Partner des EU-Projekts Graphene Flagship ist. Bislang kamen als Werkstoff für Hirn-Computer-Interfaces vor allem Platin und Iridium zum Einsatz. Diese haben jedoch Nebenwirkungen und zeigen unerwartetes Verhalten nach der Miniaturisierung. Etwa jeder zweite damit behandelte Patient entwickelte Abwehrreaktionen. Inbrain steht in direkter Konkurrenz zum Unternehmen Elon Musks Neuralink, das angeblich bereits funktionierende Hirn-Implantate in einem Schwein getestet hat. Dessen Hirnaktivität beim Laufen soll der KI-Chip mit hoher Genauigkeit ausgelesen haben. Musk ist bekanntlich bekennender Transhumanist und sieht in der Verschmelzung von Mensch und Maschine die Lösung für zahlreiche Krankheiten und Probleme. (DS)
Quelle: https://mancunion.com

Immer mehr Elefanten ohne Stoßzähne


Evolutionärer Vorteil wurde durch Jagd zum Nachteil

Die Stoßzähne von Elefanten sind schon seit Jahrtausenden begehrte Jagdtrophäen. Elfenbein – ursprünglich Elefantenbein – diente dem Menschen als Werkstoff für Gebrauchsgegenstände und Schmuck. Doch die Wehrhaftigkeit der Elefanten implizierte ein hohes Jagdrisiko, weshalb Elfenbein viele Jahrhunderte ein relativ knappes Gut blieb. Erst als Kolonialmächte wie England, Holland und Portugal mit Feuerwaffen Jagd auf Elefanten machten, kam es zu einem Überangebot und einer drastischen Abnahme der Elefantenpopulation in Afrika. Bis zu 80 000 Tiere wurden Hochrechnungen zufolge pro Jahr um das Jahr 1900 getötet. Bestrebungen von Tierschutzorganisationen führten schließlich zu internationalen Artenschutzabkommen, die diesem umrühmlichen Treiben schließlich einen Riegel vorschoben. Doch die ständig wachsende Elfenbein-Nachfrage aus den aufstrebenden Mittelschichten der Völker Asiens erweist sich als kolossale Bedrohung des Elefantenbestandes. Die Population nahm im Zeitraum 1979 bis 2007 von 1,3 Millionen auf 500 000 ab. Heute sollen noch 400 000 afrikanische Elefanten in freier Wildbahn leben. Eine interessante Beobachtung teilten nun Forscher der Princeton Universität in „Science“ mit: Es werden immer weniger Elefanten mit Stoßzähnen geboren. Trugen Anfang 1970 noch 81,5 Prozent aller Weibchen Stoßzähne, so waren es Anfang der 1990er Jahre nur mehr 50 Prozent! Zwar bieten die Stoßzähne Vorteile – so schälen die Elefanten etwa die Rinde des Bao-Baums damit, um sie zu fressen, oder sie setzen sie als Waffe gegen Angreifer ein – allerdings haben sich solche evolutionären Vorteile nun marginalisiert. Weibchen ohne Stoßzähne haben eine größere Überlebenschance, was die Weitergabe des Erbmerkmals „keine Stoßzähne“ begünstigt. Nur in streng bewachten Naturparks in Afrika, wo es kaum Wilderei gibt, behalten die Elefantenkühe ihre natürliche Ausstattung. Eine ähnliche Art der Selektion tritt übrigens auch bei Fischen auf: Vorrangig gefangene Fischarten verloren in letzter Zeit stetig an Körpergröße, weil die Kleinsten aus den Fischernetzen entkommen. Und auch Dickhornschafe (Widder), eine in Nordamerika wild lebende Schafgattung, die wegen ihres Gehörns gejagt werden, schleichen sich aus dem Visier, indem ihre Widderhörner allmählich schrumpfen. (DS)
Quelle: www.trendsderzukunft.de

Die Collatz-Vermutung


Eine mathematische Zumutung

„D ie Mathematik ist noch nicht reif für diese Art von Fragen“, sagte der große ungarische Mathematiker Paul Erdös zu diesem Problem, der Collatz- oder (3n+1)-Vermutung. Dabei lässt es sich überraschend einfach formulieren: Man nehme eine beliebige ganze Zahl n > 0; ist n gerade, so nehme man n/2; ist n ungerade, so nehme man als nächstes 3n + 1; man wiederhole die Vorgehensweise mit der vorhandenen Zahl; die Collatz-Vermutung lautet: Jede so konstruierte Zahlenfolge mündet in den Zyklus 4, 2, 1. Beispielsweise erhält man für die Zahl 13 die Folge: 13, 40, 20, 10, 5, 16, 8, 4, 2, 1 (und 4, 2, 1 wiederholt sich ad infinitum). Dieses einfach klingende Problem gehört seit seiner Entdeckung vor 84 Jahren durch den deutschen Mathematiker Lothar Collatz zu den ungelösten Problemen der Mathematik. Die Zahl 27 benötigt 111 Schritte, bevor sie die 1 erreicht und wird dabei maximal 9 232 groß. 26 dagegen ist schon nach 10 Schritten 1 und wird unterwegs nicht größer als n = 40. Dieses sehr merkwürdige Zahlenverhalten ist nicht im voraus berechenbar und insofern absolut rätselhaft. Der zurückgelegte Zahlenweg (die sogenannten Hagelschlagzahlen) ist absolut zufällig. Manche Graphen ähneln dem Absturz einer Aktie. Rechnet man den Abwärtstrend heraus, so zeigt sich ein rein zufälliges Auf und Ab wie bei einem Münzwurf. Natürlich konnten mithilfe von Computern gewisse stochastische Muster erkannt werden. So beginnen zum Beispiel circa 30 Prozent der Hagelschlagzahlen mit der Ziffer „1“ und jede folgende Führungsziffer (2, 3, 4...) hat einen geringeren Anteil als ihr Vorgänger. Die 9 bildet mit 4,7 % das Schlusslicht. Dieses Muster findet sich in vielen anderen Statistiken, etwa die Einwohneranzahl der Länder oder der Kapitalmarktwert von Unternehmen, physikalischen Konstanten und den Fibonaccizahlen. Eine solche Distribution der Anfangsziffer ist als Benfords Gesetz bekannt. Die Preisfrage lautet nun: Gibt es im unendlichen Zahlenraum eine Zahl, die sich diesem „mathematischen Schwerefeld“ entzieht und unendlich wird oder alternativ eine in sich geschlossene Schleife (wie 4, 2, 1) bildet (deren Zahlen natürlich ebenfalls der Collatz-Vermutung entzogen wären). Doch bis heute sind Zahlen bis zu 268 (fast 300 Trilliarden) untersucht worden und sie alle sind Collatz-Zahlen. Mit dieser Information errechneten Mathematiker, dass eine mögliche Nicht-Collatz-Zahl mindestens 186 Milliarden Stellen haben müsste. Aber – das ist natürlich kein Beweis. 1987 zeigte der US-amerikanische Mathematiker John Conway, dass 3n + 1 ein sogenanntes Halteproblem ist. Das bedeutet, es könnte sein, dass ein Computer ewig weiter rechnen würde und niemals eine Lösung ausgeben würde. Das Problem ist damit nicht entscheidbar. Vielleicht hat deswegen das japanische Unternehmen Bakuage am 7. Juli 2021 120 Millionen Yen (ca. 920 000 Euro) für den Beweis der Collatz-Vermutung ausgelobt. (DS)

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