Infopunkte Gesellschaft

raum&zeit-Ausgabe 235

Gesetzgeber erweitert Straftatbestand – Beleidigte Leberwürste

Beim Thema Beleidigung ist Justitia weltweit gespalten. In vielen Ländern wie den USA, England, Australien, Kanada oder Russland wird eine Beleidigung (sofern sie keine Diffamierung ist) nicht geahndet. Man darf dort also nach Herzenslust einen Politiker beschimpfen, wenn man sich denn dadurch Luft verschaffen kann. In Ländern wie Deutschland, China, der Türkei und Venezuela dagegen können auf Beleidigungen hohe Geldstrafen oder bis zu 6,75 Jahre Haft verhängt werden. Aus unbekannten Gründen erscheint die Beleidigung in der einen Rechtstradition als strafwürdig, in der anderen nicht. Das englische Common Law scheint hier jedenfalls pragmatischer zu sein als das deutsche Strafgesetzbuch. Immerhin wird bei einer Beleidigung nichts zerstört, die körperliche Unversehrtheit bleibt gewahrt, und sofern die Beleidigung als persönliche Meinung eines einzelnen erkennbar ist, ist auch keine Geschäftsschädigung zu erwarten. Der Beleidigte hat die Wahl, je nach Gusto entweder souverän darüber hinwegzusehen („Wer mich beleidigt, entscheide immer noch ich“, so Klaus Kinski) oder gekonnt zu retournieren. Die Justiz wird geschont und kann sich auf echte Streitfälle und Straftaten konzentrieren. In Deutschland dagegen herrscht eine gewisse Nanny-Staat Mentalität. Da wird die Justiz schnell für jede Kleinigkeit angerufen, oder sogar gleich Vollzugsorgane in Bewegung gesetzt. Jüngst schlug der Hashtag – Verzeihung – #Pimmelgate sogar Wellen bis in die USA (die Washington Post berichtete unter anderem darüber). Ein User hatte Hamburgs Innensenator Andy Grote auf der Kurznachrichten-Plattform Twitter wie folgt beleidigt: „Du bist 1 Pimmel“. Daraufhin setzte der Beleidigte eine Hausdurchsuchung gegen den Urheber durch – und die Welt lachte einmal mehr über Deutschland. Nicht zum Lachen ist dagegen der neue Straftatbestand § 192a „Verhetzende Beleidigung“, mit dem eine Lücke in der Strafbarkeit von Beleidigungen geschlossen werden soll. Der neue Paragraf will unter anderem Gruppen und Einzelne schützen, die wegen ihrer Weltanschauung beschimpft, verächtlich gemacht oder verleumdet werden. Bei der bekannten politischen Ausrichtung unserer Justiz kann man leicht ahnen, vorauf das hinausläuft: Wer sich künftig über die herrschende Ideologie lustig macht, begeht eine Straftat. (DS)
Quellen: www.mopo.de ; https://en.wikipedia.org

Big Business beschwört die Null


UN-Kampagne "Race to Zero"

Wir erleben seit einiger Zeit eine inflationäre Nutzung von „Zero“ (engl. Null) bei internationalen Konzernen und Finanz-Organisationen. Am Anfang stand wohl die Kampagne „Race to Zero“ der UN-Klimagruppe UNFCCC. Nun bilden 43 bedeutsame Banken (Gesamtbilanzsumme: 28,5 Billionen US-Dollar) aus 23 Ländern die Net-Zero Bank Alliance (NZBA). Weiter gehören zum Netzwerk: Die Net Zero Asset Managers Initiative und die UN-convened Net-Zero Asset Owner Alliance. Die Glasgow Alliance for Net Zero (GFANZ), eine Allianz aus über 160 Unternehmen im Gesamtwert von mehr als 70 Billionen US-Dollar, nennt als Ziel der Nullnummer die Zero Emission Future. Der bestehende Finanzsektor solle Net Zero Commitments (Verpflichtungen) etablieren, die Zahl der Finanz-institute, die sich dem Transition to Net Zero unterwerfen, müsse zunehmen, ebenso seine Anstrengungen, verpflichtende Net Zero Strategies zu implementieren; schließlich müsse die Kreditvergabe nach Net Zero ausgerichtet werden. Die Null soll offenbar suggestiv ins kollektive Unterbewusstsein der gesamten Weltwirtschaftselite eingraviert werden. Sprach-Magie eben. Natürlich geht es um die Dekarbonisierung auf Teufel komm raus. Kohlenstoffdioxid, das offenbar der Teufel persönlich in unsere Welt gebracht hat, soll bis spätestens 2050 auf Null Emission gebracht werden. Das Ganze wird natürlich auch massive Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben. Wenn etwa zukünftig ein industriell unterentwickeltes Land seine Energieversorgung auf sichere Beine stellen möchte, wird es Probleme mit der Finanzierung bekommen, sofern es dafür fossile Brennstoffe einsetzen will. Besonders unterentwickelte Länder werden das Nachsehen haben. Aber auch heimische Mittelstandsunternehmen werden ohne Nachweis der Nachhaltigkeit bald in dieser New Economy keinen Kredit mehr bekommen. (DS)
Quelle: https://racetozero.unfccc.int/net-zero-financial-alliance-launches/

Virtualität auf dem Vormarsch


Die toten Seelen im Metaversum

Wie jeder gute Verschwörungstheoretiker weiß, kündigen „sie“ (die geheimen Machzirkel) alles in Form von Büchern wie „Schöne neue Welt“, „1984“ oder Filmen wie „Matrix“ an. Ob mit der Ankündigung einem kosmischen Gesetz (dass letztlich alles auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruhen muss) Genüge getan wird oder die Urheber auf den Mechanismus der sich selbst erfüllenden Prophezeiung setzen, bleibt ungewiss. Doch dass wir auf eine seelenlose Technokratie zurasen, kann wohl niemand mehr bestreiten. Der Trend geht eindeutig in die Virtualität bzw. die Überlagerung von Virtualität und Realität = Artifizielle Realität: Immer mehr Menschen starren selbst unterwegs in ihr Handy-Display („Black Mirror“); die Regierung förderte 2019 den E-Sport mit 50 Millionen Euro; die Lockdowns zwingen viele Menschen zum sozial verarmten Home Office und „daten“ (!) tut man sich heute vor allem auf Plattformen wie Tinder. Einer der Pioniere dieser Entwicklung ist Facebook-Gründer Marc Zuckerberg. Soeben hat dieser das Unternehmen in „Meta Platforms“ umbenannt, wobei Meta soviel wie „Jenseits“ bedeutet, im Hebräischen „tot“. Dieses Jenseits – das Metaversum – soll laut Zuckerberg wie eine reale Welt funktionieren: Mit Virtual-Reality-Brille und Headset ausgerüstet, sucht sich der Metanaut seinen Avatar aus, mit dem er ins sehr real erscheinende Virtuelle abtaucht. Pupillenbewegungen und Gesichtsmimik werden dabei hochgenau abgetastet. Im Metaversum trifft er die Avatare anderer User, mit denen er sich virtuell austauschen kann. Er kann virtuelle Klamotten, Schmuck und Land kaufen, ein virtuelles Haus bauen, virtuelle Möbel hineinstellen, fliegen wie ein Vogel und schwimmen wie ein Fisch, ja sogar einen virtuellen Gottesdienst besuchen. Und das alles, ohne auch nur einen Fuß vor die reale Tür zu setzen! Selbstredend wird jede Aktion und jede Reaktion des physischen Körpers in der Cloud aufgezeichnet – natürlich alles unter strikter Einhaltung der Datenschutzgesetze (Satire aus!). Bezahlt wird im Metaversum mit sogenannten Non Fungible Token NFT. Das sind Blockchain-verschlüsselte, fälschungssichere Kryptoeinheiten. NFT erleben gerade einen echten Hype. Christie‘s versteigerte jüngst ein NFT-Kunstwerk des bekannten Digitalkünstlers Beeple für 28,9 Mio US-Dollar. Und der Sportartikelhersteller Nike hat ein Blockchain-verbrieftes Patent auf Kryptoschuhe, mit denen man durchs Metaversum stiefeln kann. Geht es nach dem Futuristen, Transhumanisten und Chefentwickler Googles, Ray Kurzweil, ist das Endziel dieser Virtualisierung die vollständige Digitalisierung aller Daten unseres Bewusstseins, und damit das ewige virtuelle Leben. Doch Daten sind nicht Leben. Der russische Dichter Nikolai Gogol (1809–1852) beschrieb in seinem Roman „Die toten Seelen“ einen gerissenen Geschäftemacher im zaristischen Russland, der seinen üppigen Lebensstil mit dem Verschachern von Daten verstorbener Leibeigener, den toten Seelen, bestreitet. Wieder so ein Zufall, dass man nur einen Buchstaben in Gogol umstellen muss, um bei Big Data zu landen. Der Weltgeist hat wirklich Humor. (DS)

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