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Infopunkte Ökologie

raum&zeit-Ausgabe 211

Städte setzen auf Zero Waste

Anfangs, als die Bewohner von Kamikatsu ihren Müll in tatsächlich 34 Kategorien trennen sollten, „war es wirklich einfach nur tough“, bezeugt Akira Sakano von der Zero Waste Academy in Kamikatsu. Der kleine japanische Ort hat ungefähr 1 700 Einwohner und ist idyllisch zwischen Hügeln und Bergen versteckt. Seit er im Jahre 2003 begann, den anfallenden Müll radikal zu trennen, zu recyceln und zu vermeiden, ist er eine Attraktion für Zero-Waste-Anhänger geworden. Jedes Jahr kommen jetzt circa 200 Besucher nach Kamikatsu, um von den Erfahrungen mit der Müllumstellung zu lernen.
Zu Beginn war es nicht so einfach, die Menschen von dem neuen Konzept zu überzeugen. Aber die Stadtverwaltung schickte viele Mitarbeiter in die verschiedenen Gemeinden, die den Leuten erklärten, warum es gut ist, so wenig Müll wie möglich zu haben und was jeder einzelne dafür tun kann. Mittlerweile trennen die Bewohner den Müll schon in 45 Kategorien, von Aluminiumdosen über Spraydosen bis Feuerzeuge und Plastikverschlüsse. 83 Prozent des anfallenden Abfalls werden bereits recycelt. Bis 2020 soll das Ziel erreicht sein, den gesamten Müll wiederzuverwerten, also null Müll zu haben.
Das Gute an dem Aufwand, den jeder einzelne beim Mülltrennen betreiben muss, ist, dass die Menschen schon beim Einkaufen an das Recyceln denken. „Wenn da zuviel Verpackung mit zuviel verschiedenen Materialien ist, bedeutet dies für mich zu viel Arbeit und ich habe keine Lust es zu kaufen“, berichtet Akira Sakano. Die Menschen schonen nicht nur die Umwelt, sondern sparen auch noch Geld: Im Inneren des Recylinghofes gibt es einen Laden, der „Kurukuru“ heißt, was auf Deutsch „Zirkulation“ bedeutet. Dorthin können die Bewohner alles bringen, was sie nicht mehr brauchen, was aber noch intakt ist. Dafür dürfen sie mitnehmen, was ihnen gefällt. Im letzten Jahr sind 13 Tonnen Objekte reingekommen und 11 Tonnen mitgenommen worden. „Es zirkuliert also wirklich“, so Akira Sakano.
Kamikatsu ist jedoch nicht die einzige Stadt, die auf Zero-Waste-Kurs ist. Auch San Francisco hat das Ziel, bis 2020 keinen Müll mehr zu produzieren. Seit 2009 schreibt ein Gesetz Bewohnern und Firmen vor, den Müll zu unterteilen in Kompost, recycelbare Stoffe und Mülldeponie-Abfall. Hauptakteur bei der Müllverarbeitung ist die private Firma Recology, die hart daran arbeitet, die Recycling-Rate sukzessive zu erhöhen. Letztes Jahr lag sie bei 80 Prozent. Die Firma setzt in erster Linie auf Kompostierung und verkauft den Kompost wieder an Landwirte. Robert Reed, Sprecher von Recology: „Kompostieren reduziert das Material auf Müllhalden; es bringt der Landwirtschaft Nährstoffe zurück; ... es zieht Wasser an und bewahrt Wasser, zum Beispiel Regenwasser.“
Auch New York möchte in 15 Jahren müllfrei sein, San Diego bis 2040. (AF)

Quellen: www.businessinsider.de
www.youtube.com/watch?v=SVKUsmjfh8U
www.youtube.com/watch?v=eym10GGidQU
www.seeker.com/how-san-francisco-is-becominga-zero-waste-city-1893330043.html

Schiffbasiertes Müll Managementsystem

Eines der größten Umweltprobleme ist die beständige Vermüllung der Städte und Gewässer. Mehr als 150 Millionen Tonnen Plastik verwittern allein in den Weltmeeren, fast 30 000 Tonnen kommen täglich hinzu. 7,3 Milliarden Menschen hinterließen im Jahr 2016 1,3 Milliarden Tonnen Abfall, bis 2025 soll diese Menge auf 2,2 Milliarden Tonnen ansteigen. Es ist klar, dass ohne ein funktionierendes Abfallmanagement eine Umweltkatastrophe ungekannten Ausmaßes mit massivsten Auswirkungen auf die Gesundheit der Erdenbewohner zukommt.
Dieser Thematik verschrieben hat sich der Kieler Schiffbauer Dirk Lindenau mit seinem Unternehmen „Maritime Engineering & Projecting“, das er auf dem Kongress „Zukunftstechnologien“ (29.9. – 1.10.2017, Graz) vom Jupiter Verlag vorstellte. In Marktanalysen wurde festgestellt, dass besonders ärmere Länder vor großen strukturellen, logistischen und finanziellen Herausforderungen in Bezug auf ein nachhaltiges Abfallmanagement stehen. Die meisten dieser Länder können sich ein Abfallmanagementsystem wie in Deutschland nämlich nicht leisten. Daher liegt der Standard in diesen Ländern um viele Jahrzehnte hinter unserem zurück. Lindenaus Haupterkenntnis: Abfälle sind Ressourcen. Sie können in einem Verbundsystem aus Abfallkreislauf- und maritimer Wirtschaft nutzbar gemacht werden. Im Zentrum stehen dabei so genannte Waste Recycling Ships (Abfall-Recycling-Schiffe), die den Müll von Küstengebieten und Inseln an Bord energetisch und stofflich in Form von elektrischem Strom, Kompost und Trinkwassergewinnung durch Meerwasserentsalzung nutzen. Ein schlüsselfertiges Pilotprojekt wurde für die kapverdischen Inseln fertig gestellt. Zwei Schiffe – eines für die Energiegewinnung, eines für das stoffliche Recycling – beherbergen die gesamte Prozess- und Verfahrenstechnik und sind dauerhaft im größten Hafen der Inselgruppe stationiert. Ein weiteres Schiff fährt im Wochenrhythmus die acht weiteren bewohnten kapverdischen Inseln an und nimmt dort den gesammelten Müll an Bord, um ihn zu den Verwertungsschiffen zu befördern.
Von Vorteil in diesem System ist auch die Tatsache, dass keine Anlagen auf den Inseln selber errichtet werden müssen, wobei dann vielerlei gesetzliche Bestimmungen und Klagen von Nachbarn das System behindern könnten. Stattdessen dienen die Schiffe als flexible „schwimmende Grundstücke“.
Es ist natürlich ein sehr lobenswertes Unterfangen, ein Abfall-Kreislaufsystem für Küsten und Inseln zu etablieren. Der nächste Schritt muss aber sein, nach und nach Abfälle ganz zu vermeiden beziehungsweise ausschließlich zu 100 Prozent kompostierbare Materialien aus Hanf, Algen, Brennnesseln, Pilzmyzel etc. zu verwenden. (DS)

Quelle: www.lindenau-dirk.com

Die erste pestizidfreie Gemeinde Europas

Die Südtiroler Gemeinde Mals, gelegen im oberen Vinschgau, am Rande des größten Apfelanbaugebiets in Europa, ist momentan in aller Munde. Bereits im Jahr 2013 formierte sich hier eine Bürgerinitiative, um ein generelles Pestizidverbot durchzusetzen. Die engagierten Bürger hatten genug von der wöchentlichen Bespritzung der Apfelplantagen (was bei konventionellen Anbaugebieten während der Sommermonate die Regel ist) und den damit verbundenen negativen Auswirkungen auf die Natur und die Menschen in der Umgebung. Die Unterschriftensammlung mündete 2014 in einem erfolgreichen Bürgerentscheid, 2015 konnte bei der Kommunalwahl auch der Widerstand im Gemeinderat gebrochen werden. Anfang 2016 änderte der neue Gemeinderat die Gemeindesatzung: Strikte Abstandsregeln verhindern seitdem die Anwendung von Pestiziden in Mals. Die Umstellung auf eine rein ökologische Landwirtschaft im 5000-Seelen-Dorf Mals schlug hohe Wellen.
Besonders eine Allianz aus Bauernbund, Landesregierung und Agrarindustrie versucht aber weiterhin mit allen Mitteln, das Pestizidverbot wieder zu kippen. Diese Vertreter sehen ihre Erträge und damit ihren Profit gefährdet, gleichzeitig fürchten sie, dass das Vorbild in Mals Schule machen könnte. So sagte der Landeshauptmann Südtirols, Arno Kompatscher, im November 2017 der Zeitung Vinschger Wind: „Das Land Südtirol hat der Gemeindeverwaltung von Mals mehrfach mitgeteilt, dass sowohl das Referendum als auch die Umsetzung des Ergebnisses außerhalb der Zuständigkeit der Gemeindeverwaltung liegen und somit die gewählte Vorgehensweise keine rechtliche Grundlage hat.“ Obwohl die Bevölkerung von Mals mit einer Mehrheit von 75,88 Prozent für das Verbot von Glyphosat & Co. gestimmt hatte, will man ihr weiterhin die Legitimität absprechen. Darüber hinaus klagten einige Großbauern aus Mals und der Umgebung gegen die Gemeinde bezüglich des Bürgerentscheids. Doch die Bürger von Mals lassen sich dadurch nicht entmutigen. Im Gegenteil: Sie wollen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen – für eine nachhaltige, ökologische Landwirtschaft. (BE)

Weitere Quellen:
Buch: Alexander Schiebel, Das Wunder von Mals, oekom Verlag München, 2017.
Film: www.youtube.com/watch?v=HUoluVn7xbI
Facebook: www.facebook.com/wundervonmals/

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