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Infopunkte Ökologie

raum&zeit-Ausgabe 218

Blattläuse und Grashüpfer in US Gentech Forschung

Die neuen Möglichkeiten der Gentechnik haben den Erfindungsgeist von Wissenschaftlern zum Überborden gebracht: Wenn man mit Viren das Erbgut von Pflanzen ändern kann und wenn man Insekten gentechnisch so manipulieren kann, dass sie solche Viren auf Pflanzen übertragen, dann kann man das doch miteinander verbinden und zu einer neuen Methode machen! Schon im Jahr 2016 schrieb das DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency), ein Forschungsinstitut des US-Verteidigungsministeriums, das Programm „Insect Allies“ aus. Wie der Name sagt, sollen Insekten dabei zu Verbündeten des Menschen werden, um Pflanzen zu verändern. Das offiziell deklarierte Ansinnen dabei: Das neue Verfahren könnte eingesetzt werden, um die Ernte zu schützen. Bei Trockenheit könnten Pflanzen schnell dürreresistent gemacht werden, bei Kälte unempfindlich gegen niedrige Temperaturen. Im Politikforum der wissenschaftlichen Zeitschrift „Science“ stießen fünf wissenschaftliche Autoren aber jetzt eine Debatte zu der Frage an, ob Insect Allies nicht eine Forschung mit „dualem Nutzen“ ist, bei der also vordergründig im Dienste der Wissenschaft gearbeitet wird, nebenbei aber militärische Interessen bedient werden. In ihrem Artikel „Agricultural research or a new bioweapon system?“ schreiben Richard Guy Reeves, Silja Voeneky und andere, dass „das Programm weithin als ein Versuch wahrgenommen wird, biologische Agenzien für feindliche Zwecke und ihre Transportmittel zu entwickeln." Anwender mit feindlichen Absichten könnten damit gezielt Krankheiten auf Ackerpflanzen übertragen und Ernten vernichten. Silja Voeneky, Rechtswissenschaftlerin und Völkerrechtlerin an der Universität Freiburg, erinnert vor diesem Hintergrund an die Biowaffenkonvention, die 1975 in Kraft getreten ist und die Entwicklung jeglicher biologischer Agenzien verbietet, „die sich nicht durch prophylaktischen, schützenden oder anderen friedlichen Nutzen rechtfertigen lassen.“ Ihrer Meinung nach ist solch eine Rechtfertigung bei den „Insect Allies“ schwer zu finden, da die Methode „schwer zu kontrollieren ist und es eher unwahrscheinlich ist, dass ihr Einsatz in Friedenszeiten erlaubt wird“. Vier Forscherteams des DARPA arbeiten bereits intensiv an „Insect Allies“. In vier Jahren soll die Technik im großen Stil in Gewächshäusern eingesetzt werden. Guy Reeves und seine Kollegen hoffen jedoch noch auf eine öffentliche Diskussion über die Entwicklung dieser Technologie, die ihrer Meinung nach immense Auswirkungen haben kann. Der erste Autor des Artikels, Guy Reeves vom Max Planck Institut für Evolutionsbiologie, gibt zu bedenken:
„Wenn man 30 Sekunden Zeit hat und ein bisschen Vorstellungskraft, gibt es nichts, was man sich nicht vorstellen könnte, was ein genetisch modifiziertes Virus tun könnte, vor allem wenn diese Viren die Fähigkeit haben, die Umgebung ausfindig zu machen und sie genetisch zu verändern.“ (AF)

Quellen: www.sciencemag.org/news/2018/10/crop-protecting-insects-could-be-turned-bioweapons-critics-warn
http://science.sciencemag.org/content/362/6410/35.summary
www.keine-gentechnik.de; „Gefährliche Gen-Schere: Crispr-Cas9“, raum&zeit Nr. 210

Leise Windkraft für Heim und Garten

Zwei Studenten an der Universität von Lancaster (England) haben eine kugelförmige Windkraftanlage konstruiert, die sich auf dem heimischen Balkon oder auf der Terrasse einsetzen lässt. Der Clou dabei: Egal wie turbulent und aus welcher Richtung – von den Seiten, schräg oder vertikal – der Wind bläst, die Turbine im Innern dreht sich stets im Uhrzeigersinn um eine raumfeste Achse und erzeugt dabei elektrische Energie („Omnidirektionale Windturbine“). Das Windrad verfügt über verschiedene Öffnungen, die sich nach innen hin zum Ausgang verjüngen. Ein Teil des Windes weht durch die Öffnungen, der andere nimmt den längeren Weg über die Außenseite. Der entstehende Druckunterschied (Bernoulli-Prinzip) verleiht der Konstruktion einen Spin stets in dieselbe Richtung. So lassen sich auch chaotische Windverhältnisse, wie sie typisch in dichter bebauten Gegenden sind, für die Stromerzeugung nutzen. Infraschall wie bei großen WKA entsteht natürlich nicht, die Windkugeln drehen sich geräuschlos. Die Studenten haben ihren Prototypen bislang im Labor erfolgreich getestet, über die tatsächliche Energieproduktion im realen Einsatz liegen noch keine belastbaren Zahlen vor. Inspirieren ließen sie sich von der „Tumbleweed“ Technik der NASA, wobei ein ähnlich konstruierter, mit Messinstrumenten ausgerüsteter Ball durch Bodenwinde zu Explorationszwecken auf dem Mars vorangetrieben wird. Für ihre Entwicklung erhielten die Studenten den mit 30 000 britischen Pfund dotierten James-Dyson-Award. (DS)

Quelle: https://newatlas.com

Ananasblätter statt Leder

Wer an eine vegane Lebensweise denkt, assoziiert dies erst einmal mit einer bestimmten Form der Ernährung. Dabei hängt damit noch so viel mehr zusammen – man denke etwa nur an die zahlreichen Produkte aus Tierleder, wie etwa Taschen, Geldbeutel, Handschuhe oder Jacken, die zudem meist mit vielen Chemikalien verarbeitet wurden. Tatsächlich bietet die Natur eine umweltfreundliche Alternative zum Leder: Ananasblätter.
Bekannt gemacht hat diese Idee die Spanierin Carmen Hijosa. Bis Mitte der 1990er-Jahre arbeitete sie als Expertin für die Lederindustrie, unter anderem auf den Philippinen, wo sie die Einheimischen bei der Lederproduktion beraten sollte. Doch angesichts der katastrophalen Bedingungen, bei denen die Arbeiter und auch die Natur den Chemikalien bei der Lederverarbeitung schutzlos ausgeliefert waren, fand bei Hijosa ein Umdenken statt. Sie suchte nach Alternativen und stieß dabei auf das Prinzip des Cradle-to-Cradle, welches besagt, dass die Natur keine Abfälle zurücklässt, sondern alles Verbrauchte als Grundlage für etwas Neues dient. Begeistert von dieser Idee, wurde sie auf den Philippinen fündig: „Barong Tagalog“, das traditionelle Gewand der Einheimischen, welches bei besonderen Anlässen getragen wird, besteht aus einem Textil namens Piña. Es wird hergestellt aus Ananasblättern, welche in weiße Fasern aufgetrennt und vor der Weiterverarbeitung zum Trocknen aufgehängt werden. Das Faszinierende: Piña ist rau, aber gleitfähig, reißfest und dehnbar – ähnlich wie Tierleder. Nach jahrelangem Forschen und Experimentieren inklusive zahlreicher Rückschläge gelang es Carmen Hijosa und dem Team ihrer Firma „Ananas Anam“ einen Stoff herzustellen, der die hohen Ansprüche erfüllt. Hijosa gab ihrer Erfindung den Namen Piñatex.
Die Internationale Organisation für Normung urteilte, dass Piñatex die Standards für Stärke, Farbechtheit, Abnutzung, Flexibilität und Resistenz vor Verbrennungen erfüllt, die auch an Leder gestellt werden. Es könne gut bedruckt, gefärbt und geschnitten werden. Diesem Material wohnt zweifelsohne ein ungeheures Potenzial inne: Nicht nur, dass die Herstellung viel umweltfreundlicher ist als die herkömmliche Lederproduktion, vielmehr kann durch die Verwendung des Materials nicht nur die globale Überweidung zurückgedrängt werden, sondern es stellt auch eine neue Einkommensquelle für arme Bauern in der jeweiligen Region dar.
Im Dezember 2014 durfte Hijosa ihre Erfindung im großen Stil auf Ausstellungen und vor den wichtigen Medien präsentieren. 2017 und 2018 schafften es Schuhe und Taschen aus Piñatex auf die Berliner Fashionweek. Mittlerweile sind auch die großen Konzerne wie Puma, Boss, Camper, Samsung und Porsche an dieser Methode interessiert – ein Zeichen dafür, dass sich auch bei den „Big Playern“ allmählich ein gesellschaftlicher Bewusstseinswandel vollzieht hin zu ökologischer Produktion von Textilien und vielem mehr. (BE)

https://www.ananas-anam.com/

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