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Infopunkte Ökologie

raum&zeit-Ausgabe 220

Selbstversorgung von Großstädten

Die regionale Lebensmittel-Selbstversorgung von Großstädten stand im Mittelpunkt einer Studie des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (Zalf) in Müncheberg. Die Forscher untersuchten die Lage in vier europäischen Großstädten, darunter Berlin. Ergebnis: Die 3,5 Millionen Einwohner der deutschen Hauptstadt könnten nahezu vollständig aus dem Umland, das sich in einem Radius von 71 Kilometern befindet, mit landwirtschaftlichen Produkten versorgt werden. Der sogenannte Selbstversorgungsgrad beträgt im Falle Berlins 117 Prozent bei konventionellem Landbau. Bei Umstellung auf Ökolandbau würde dieser Wert wegen niedrigerer Erträge durch den Verzicht auf Mineraldünger und Pestizide auf 85 Prozent sinken. Sollte allerdings der heutzutage vorherrschenden Verschwendung von Lebensmitteln rigoros Einhalt geboten werden, läge auch der biologische Selbstversorgungsgrad Berlins bei deutlich über 100 Prozent. Die Versorgung durch regionale Landwirtschaft brächte einige Vorteile mit sich: Verkürzte Transportwege reduzieren den ökologischen Fußabdruck; die Nahrung kommt frischer, schmackhafter und nährstoffreicher beim Verbraucher an; die umliegenden Bauern profitieren. Allerdings könnten in unseren Breitengraden Südfrüchte, Kaffee und Kakaobäume nicht angepflanzt werden. Hier sollte wieder mehr Wertschätzung einkehren, so die Biologin Gundula Oertel, Sprecherin des Ernährungsrats, ein zivilgesellschaftliches Bündnis für ökologisch nachhaltige und sozial gerechte Nahrungsproduktion und -verteilung im Raum Berlin: „Südfrüchte waren früher eine Kostbarkeit, dazu könnten sie wieder werden.“ Eine weitere Stellschraube für den agrarischen Flächenverbrauch ist der Fleischkonsum. „Tierische Produkte beanspruchen derzeit mehr als die Hälfte der Agrarflächen“, sagt der Stadtplaner und Agrarwissenschaftler Ingo Zasada vom Zalf. Würden sich alle fleischlos ernähren, sänke der Flächenbedarf um 30 Prozent. „Früher [...] gab es den Sonntagsbraten, auf den man sich freute, und die Woche über kaum Fleisch“, so Oertel. Natürlich sind solche gewaltigen Umstellungen nur über massive staatliche Eingriffe in die Wirtschaft realisierbar. Jeder ist aufgerufen darüber nachzudenken, ob er ein solches Vorgehen für gut und sinnvoll hält. (DS)

Quelle: https://www.berliner-zeitung.de

Eine Rettung für die Meere naht

Das Verhältnis von Plastik zu Plankton in den Ozeanen wird immer drastischer. Im nordwestlichen Mittelmeer befindet sich laut einer Studie bereits halb so viel Mikroplastik wie Plankton. Entsprechend reichern immer mehr Meerestiere Plastik in sich an. Eine Untersuchung an 10 Fischarten im Ärmelkanal stellte bei 36,5 Prozent Plastik im Magen-Darm-Trakt fest.1
Zum Glück sind mittlerweile weltweit Menschen alarmiert und bereit, etwas gegen die Vermüllung der Meere zu unternehmen. Verbraucher verweigern Plastikverpackungen; Geschäfte bieten hierzu Alternativen; Hersteller entwickeln Bio-Plastik; Wissenschaftler forschen an Recycling durch Pilze und Bakterien; die EU will Wegwerfprodukte verbieten und – auch die Plastikindustrie hat reagiert, sieht sie doch ihre Felle davonschwimmen:

Alliance to End Plastic Waste
Anfang des Jahres schlossen sich rund 30 große Unternehmen aus verschiedenen Kontinenten zu der „Alliance to End Plastic Waste (AEPW)“ zusammen, die dafür sorgen will, dass Kunststoffe wieder ein gutes Ansehen haben und die Meere von ihnen befreit werden.2 Insgesamt 1,5 Milliarden US-Dollar will sie in den nächsten fünf Jahren für den Kampf gegen Umweltverschmutzung durch Kunststoffabfälle bereitstellen. Mit dabei sind globale Unternehmen, die Plastik herstellen, verwenden, verkaufen, verarbeiten, sammeln und recyceln, unter anderem BASF, Braskem, Clariant, DOW, ExxonMobil, PolyOne und Shell. Das Konzept der Allianz macht Hoffnung, dass sich wirklich etwas ändert. Es sieht vor, an einigen Ursachen anzusetzen.

Plastik aus den Flüssen
Analysen zeigen, dass Plastik im Meer zu 10 bis 20 Prozent durch Schifffahrt und Fischerei verursacht wird, zu 80 Prozent aber vom Land kommt.3 Eine Schlüsselrolle beim vom Land stammenden Plastik spielen die Flüsse beziehungsweise einige ganz bestimmte Flüsse, die enorme Mengen ins Meer tragen. Hier gibt es eine Top Twenty der weltweit belastendsten Flüsse, die insgesamt für über zwei Drittel des globalen jährlichen Plastik-Eintrages verantwortlich sind. Die größte Menge spült der Yangtze (China) ins Meer, laut Berechnung vom Jahr 2015 ganze 333 000 Tonnen. Der Ganges (Indien) liefert 115 000 Tonnen an und der Xi (China) 73 900. Bezogen auf die Kontinente stammen 86 Prozent aus asiatischen Flüssen, 7,8 Prozent aus afrikanischen, 4,8 Prozent aus südamerikanischen und nur rund 1 Prozent aus europäischen, australischen, zentral- und nordamerikanischen Flüssen. Von daher ist es sicher sinnvoll, dass die AEPW sich als eines der ersten Projekte die Erneuerung des Ganges vorgenommen hat. Außerdem will sie Städte und Regionen bei der Entwicklung einer Entsorgungsinfrastruktur unterstützen. Auch will sie neue Technologien und Geschäftsmodelle in den Bereichen Müllvermeidung, Abfallentsorgung und Recycling fördern. (AF)

Fußnoten
1 www.projectbluesea.de/media/files/downloads/XXLFlyer.pdf
2 https://endplasticwaste.org/
3 https://ourworldindata.org/plastic-pollution

Pilz verwandelt Plastik in Lebensmittel

Das österreichische Design-Unternehmen Livin Studio hat in Zusammenarbeit mit der Universität Utrecht einen Pilz (Fungi Mutarium) entwickelt, der Plastik recycelt und anschließend – frei von jeglichen Schadstoffen – selbst gegessen werden kann. Zunächst wird in einem Minilabor ein von den Entwicklern „FU“ genanntes Material gezüchtet. FU, eine gallertartige Substanz, ist ein eiförmiges Gefäß, das aus Seegras besteht und unter Zugabe von Zucker und Stärke den Nährboden für den Pilz darstellt. Im nächsten Schritt werden diese Gefäße mit Plastik gefüllt, das zuvor in einem speziellen Zylinder UV-Licht ausgesetzt war. Das UV-Licht macht das Plastik keimfrei und erleichtert den Zersetzungsprozess durch den Pilz. Danach werden mittels Pipetten die Pilzsporen eingesetzt: Innerhalb der nächsten Wochen bewächst der Pilz das gesamte Substrat und baut dabei das Plastik vollständig ab – begünstigt durch das spezielle Design des FU, das dem Pilz eine optimale Fläche zur Ausbreitung bietet. Dieses Verfahren ist beispielhaft für nachhaltiges Recycling von Plastik und könnte, wenn die Technik noch weiterentwickelt wird, in Zukunft im großen Stil beim Kampf gegen den globalen Plastikmüll eingesetzt werden. Was dieses Verfahren noch bedeutsamer macht, ist die Tatsache, dass das FU essbar ist, nachdem das Plastik vollständig abgebaut wurde. Völlig frei von Schadstoffen kann der Pilz nun mit anderen Lebensmitteln kombiniert und verzehrt werden. (BE)

Ein Video, das den kompletten Herstellungsprozess zeigt, sehen Sie hier: https://www.youtube.com/watch?v=gajEtR--GCg

Weitere Informationen unter http://www.livinstudio.com/fungi-mutarium

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