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Infopunkte Ökologie

raum&zeit-Ausgabe 227

Information in der Unkrautbekämpfung

Wettbewerb gibt es auch in der Welt der Pflanzen. So bekämpfen einige von ihnen Konkurrenten mit chemischen Botenstoffen. Beispielsweise weiß man von Walnussbäumen, dass sie unter ihrer Krone kaum andere Pflanzen dulden. Auch der Bärlauch und die Minze, beides wertvolle Wildkräuter, bedienen sich einer Art Chemiewaffe, gegen die sie selber immun sind. Allerdings vergiften sie im Gegensatz zu manch menschlichem Gärtner nicht die Umwelt. Wie geschieht so etwas? Das haben sich Pflanzenforscher am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gefragt. Eine Erkenntnis ihrer Untersuchung lautet, dass es sich weniger um ein Gift als um einen Signalstoff handelt. Gewissermaßen arbeiten Minze & Co. also mit Information. Die Zellen der angegriffenen Pflanzen sterben einfach ab, ohne dass irgendwelche Kollateralschäden auftreten. Könnte man das nicht kopieren getreu Schaubergers Motto: „Natur kapieren und kopieren?“ Prof. Peter Nick, Experte für Molekulare Zellbiologie am Botanischen Institut des KIT, scheint jedenfalls auf den Spuren des österreichischen Försters zu wandeln: „Wir sind mit offenem Blick durch die Natur gegangen und haben uns gefragt, ob es sein könnte, dass es einen Zusammenhang zwischen dem starken Wuchern von Minzen und ihrem ausgeprägten Duft gibt, der bei jeder Minzsorte unterschiedlich ist.“ Die Forscher extrahierten die ätherischen Öle der Minze und traktierten damit andere Pflanzen. Bei deren Untersuchung stellten sie fest, dass das Terpen Menthon, das in dem Minzöl enthalten ist, die Mikrotubuli (feinverzweigte, röhrenförmige Eiweißstrukturen) in den Fremdpflanzen zerstört. Besonders wirksam sei Menthon gegen Ampfer und Ackerwinde – häufig eine Plage auf Bergwiesen, so das Forscherteam. Die könnten also in Zukunft mit dem umweltfreundlichen biologischen Herbizid Menthon in ihre Schranken verwiesen werden. Überdies habe der Botenstoff einen möglichen medizinischen Zusatznutzen: Er hemmt das Wachstum von He-La-Zellen – menschlichen Krebszellen –, jedenfalls im Labor. (DS)

Quelle: www.kit.edu

Gentechnik Gene Drive bedroht Artenvielfalt

Beim sogenannten Gene Drive handelt es sich um eine spezielle Art der Gentechnik, bei der dem im Labor veränderten Gen eines Organismus eine Art „Turbo“ verliehen wird, sodass es mit größerer Wahrscheinlichkeit als in der Natur an die Nachkommen weitergegeben wird. Auf diese Weise werden die Mendelschen Vererbungsregeln umgangen, die besagen, dass in jeder Generation durchschnittlich 50 Prozent der Nachkommen eine bestimmte Genvariante erben. Per Gene Drive sind es im Idealfall 100 Prozent, sodass nach wenigen Generationen alle Individuen einer Population die gewünschte Veränderung haben.
Technisch ist das möglich, seit im Jahre 2012 die CRISPR/Cas-Technologie entwickelt wurde (siehe hierzu den Artikel Gefährliche Genschere: Crispr/Cas9 in raum&zeit Ausgabe 210/2017). Diese Genschere bringt die gentechnische Veränderung in beide Kopien eines Gens ein. Mithilfe der guide-RNA wird das Enzym Cas9 an die gewünschte Stelle im Erbgut geleitet und schneidet dort den DNA-Doppelstrang. Beim Reparieren wird sowohl die genetische Veränderung als auch die Bauanleitung für die Genschere eingefügt, sodass sich der Vorgang in jedem Fortpflanzungszyklus wiederholt.
In der Praxis ist das Ziel der Forschung, mit der Gene Drive-Technologie einerseits gezielt krankheitsübertragende Tiere und Schädlinge zu dezimieren – etwa bestimmte Mückenarten, die Krankheiten wie Malaria, Dengue, Zika etc. übertragen. Zum anderen sollen auf diese Weise heimische Arten geschützt werden, indem man invasive Arten mittels Gene Drive zurückdrängt, wie zum Beispiel eingeschleppte Mäuse in Neuseeland.
Was für Technik-Fans wie eine ideale Lösung für unsere ökologischen Probleme klingt, könnte aber verheerende und unabsehbare Folgen für unser Ökosystem haben. Denn mit dieser neuen Gentechnikanwendung könnten ganze Tierpopulationen und -arten in der Natur ausgerottet und umprogrammiert werden. „Auch Gene Drives werden das Problem von invasiven Arten nicht lösen können – im Gegenteil haben sie das Potenzial, neue invasive Arten mit unbekannten Eigenschaften zu schaffen“, erklärt Antje von Broock, Geschäftsführerin für Politik und Kommunikation beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).
Um dieser gefährlichen Technologie einen Riegel vorzuschieben, haben 78 Umwelt-, Agrar-, Tierschutz- und Entwicklungsorganisationen aus ganz Europa – unter anderem der Deutsche Naturschutzring (DNR), der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Save Our Seeds und die Aurelia Stiftung – die EU-Kommission am 30. Juni 2020 in einem offenen Brief dazu aufgerufen, die Freisetzung sogenannter Gene Drive-Organismen in der EU und international zu ächten. Da es auch für Fachleute unmöglich ist, die Risiken von Gene Drive abzuschätzen, können nur auf diese Weise die biologische Vielfalt gesichert und unsere Ökosysteme geschützt werden.
Mareike Imken von Save Our Seeds und Initiatorin der europäischen Kampagne „Stop Gene Drives“ erklärt: „Die von Gene Drive-Organismen ausgehenden Umwelt- und Gesundheitsrisiken sind nicht ansatzweise erforscht. Eine Vorhersage, Eingrenzung oder Umkehrung ihrer Effekte in der Natur sind unmöglich. Deshalb ist bereits ihre Erforschung riskant: Schon wenige Gene Drive-Organismen, die aus dem Labor entkommen, können eine unkontrollierbare gentechnische Kettenreaktion in der Natur auslösen. Ein Moratorium gibt uns die Zeit, offene Fragen zu klären und fehlende Regularien und Entscheidungsmechanismen zu etablieren. Vorher sollte niemand auf der Welt diese Risikotechnologie nutzen.“ (BE)

https://www.stop-genedrives.eu

https://www.aurelia-stiftung.de

https://www.dnr.de

https://www.transgen.de

https://www.pflanzenforschung.de

Klare Worte des Ethikrats zu Tierwohl

Mitten in der Coronakrise, am 16.6.2020, veröffentlichte der Deutsche Ethikrat die Stellungnahme „Tierwohlachtung – Zum verantwortlichen Umgang mit Nutztieren”. Der Zeitpunkt sei dafür sehr passend, erläuterte die Vorsitzende Prof. Dr. Alena Buyx, denn gerade hätten die Corona-Hotspots in den fleischverarbeitenden Betrieben sichtbar werden lassen, „dass Fragen des Tierwohls zu wenig beachtet werden, wenn es darum geht, den Fleischkonsum im Inland und Ausland zu befriedigen”. Zudem hätte zwei Wochen zuvor der Bundesrat seine Entscheidung zu strengeren Regeln beim Kastenstand verschoben. Die Schweine werden also weiter unter qualvollen Bedingungen gehalten. Auch die männlichen Küken dürfen noch geschreddert werden, denn es gäbe im Moment noch eine Übergangsregel, so lange bis es ein Verfahren gibt, das Geschlecht bereits im Ei zu erkennen. All diese Missstände und noch viele andere, die er genau benennt, lehnt der Ethikrat ab. „Unser Verhältnis zu Tieren ist – das ist immer wieder zu beobachten – durch Widersprüche und Ambivalenzen gekennzeichnet”, bringt Prof. Dr. Steffen Augsberg, Mitglied des Deutschen Ethikrates, auf den Punkt. „Wir lieben Tiere, und wir lassen es gleichzeitig zu, dass sie für unseren Nutzen ausgebeutet und gequält werden.“
Die Verantwortung für eine ethisch vertretbare Nutztierhaltung könne jedoch nicht nur dem Verbraucher übertragen werden, heißt es in der Stellungnahme des Ethikrats. Um die Situation der Nutztiere zu verbessern, bräuchte es in erster Linie gesetzliche Regulierungen. Beispielsweise sollten Spaltböden in Kuhställen verboten werden ebenso wie das Enthornen von Kühen sowie die Trennung von Mutter- und Jungtieren direkt nach der Geburt. Prinzipiell sei allen Nutztieren „während ihres ganzen Lebens ein möglichst gutes Gedeihen und Befinden zu ermöglichen. Dazu muss deren gesamte Lebenslinie von der Zucht über die Haltung bis zum Schlachten in den Blick genommen werden.”
Eine konsequent achtsame Nutztierhaltung würde die Kosten für Tierprodukte erhöhen, was der Ethikrat ausdrücklich für sinnvoll hält. Damit würde dem jeweiligen Tier nämlich eine höhere Wertschätzung entgegengebracht und die Nachfrage reduziert werden. Das Gremium begrüßt es außerdem, dass eine zunehmende Nachfrage nach pflanzlichen Alternativen festzustellen sei. Es schlägt in dem Zusammenhang vor, dass ein tierwohlorientiertes Konsumverhalten im Alltag weiter erleichtert werden sollte, indem Kantinen oder Kitas dazu verpflichtet werden ein fleischfreies Gericht anzubieten. (AF)

Quelle: www.ethikrat.org

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