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Infopunkte Natur

raum&zeit Ausgabe 234

STOA Komitee – Ausschus des Europaparlaments – legt neue Studie vor – Nachgewiesene Risiken erfordern einen Ausbaustopp für 5G

Das Science and Technology Options Assessment (STOA) Komitee ist ein Ausschuss des Europaparlamentes, der sich mit Wissenschaft und Technikfolgenabschätzung befasst. Die 175-seitige Studie (Review) der Arbeitsgruppe des Ramazzini-Institus in Bologna ist die bislang umfangreichste Aufarbeitung des Forschungsstandes zu 5G und wurde im Juni 2021 publiziert.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Nachweise vorliegen nicht nur für ein krebsauslösendes Potenzial, sondern auch zu negativen Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit der bisher angewandten Frequenzbereiche von GSM, UMTS, LTE und 5G. Zu den höheren Frequenzbereichen (24 bis 100 GHz) von 5G liegen keine angemessenen Studien vor. Deshalb bezeichnet die Studie „5G als ein Experiment an der Bevölkerung“. Weil bei der bisherigen Beurteilung nicht die nichtthermischen Auswirkungen berücksichtigt wurden, kritisiert die Arbeitsgruppe dafür die ICNIRP direkt. Ihre Richtlinien hätten keine Schutzfunktion. Die Autoren fordern deswegen einen Ausbaustopp für 5G im höheren Frequenzbereich, Forschungen über die hohen 5G-Frequenzen, Aufklärung der Bevölkerung und den Schwerpunkt auf den Ausbau von Glasfasernetzen. (HM)
Quelle: https://www.diagnose-funk.org/publikationen/artikel/detail?newsid=1740

Mehr Autarkie wagen – Fortschritte bei Kleinwindenergieanlagen

Angesichts der stetig weiter steigenden Strompreise und wachsenden Wahrscheinlichkeit für einen Blackout, interessieren sich immer mehr Bürger für Energie-Autonomie. Die von vielen installierten Solarmodule haben bekanntlich den Nachteil, dass sie nachts nicht funktionieren. Sie bedürfen einer Ergänzung. Da bietet sich doch der Wind an. Allerdings war bislang Windkraft im Kleinformat (KWEA = Kleinwindenergieanlagen) nicht wirtschaftlich genug, denn in Bodennähe bläst der Wind jenseits von Küsten häufig zu schwach. Doch könnte sich der Wind hier bald drehen: Forscher der Fraunhofer Gesellschaft entwickeln neuartige Rotorblätter, die einerseits 35 Prozent weniger wiegen, andererseits 45 Prozent mehr Wirkfläche besitzen. Dadurch soll auch bei schwächeren Windstärken bis herab zu drei Metern pro Sekunde – ein schwacher Hauch im Gesicht – ein wirtschaftlicher Betrieb von KWEA möglich sein. Stürmt es mal zu stark, drehen sich die Rotorblätter von selbst aus dem Wind. Sie sind drei Meter lang und sollen bis zu drei Kilowatt Leistung erbringen. Mit solchen Leistungsmerkmalen wird es möglich, künftig 80 Prozent des Strombedarfs eines Haushalts über die Photovoltaikanlage auf dem Dach und das Windrad im Garten zu decken. Und mit 35 Dezibel ist die Geräuschentwicklung etwa so wie bei einem Ventilator an der Decke, jedenfalls wird kein gesundheitsschädlicher Infraschall emittiert. In Kombination mit moderner Stromspeichertechnik dürften KWEA- und Photovoltaikanlagenbetreiber der erstrebten Energieautarkie wieder ein Stück näher kommen. Positiv übrigens, dass in einigen Bundesländern KWEA nicht einmal einer Genehmigung bedürfen, Bauanzeige genügt. Die Fraunhofer Arbeitsgruppe entwickelt zusätzlich ein Konzept, um die erzeugte Energie in einem optimierten Langzeitspeicher mit Wasserstoff zu bunkern. Der Clou: Besitzer von Wasserstoffautos könnten ihr Auto dann zukünftig direkt zu Hause mit eigener Energie betanken! Ein Problem darf aber nicht verschwiegen werden: der Vogelschutz. Bei KWEA unter 10 Metern Höhe sind vor allem Stare und Dohlen gefährdet. Statistisch tötet eine KWEA einen Vogel pro Jahr. Gemessen an der Leistung ist das sogar mehr als große WKA mit bis zu 5 Megawatt (Spitzen-)Leistung. Hier besteht also noch Forschungsbedarf. (DS)
Quelle: www.spektrum.de

Freiheit für wilde Wälder – Vive la nature

Weltweit schwinden wilde Wälder in horrendem Tempo. Meist stehen wirtschaftliche Interessen dahinter. Tropische Regenwälder weichen Zuckerrohr-, Palmöl- und Sojaplantagen. In Europa besteht ein Drittel der Wälder aus einer Hauptbaumart, ist also wie andere Monokulturen anfälliger für Schädlinge und klimatische Bedrohungen.1 Deutschland steht im internationalen Vergleich besonders schlecht da. Hier dürfen sich – laut Schätzung des Thünen-Institutes – nur bis zu 5,6 Prozent der Wälder frei von menschlichen Eingriffen entwickeln. Eine forstwirtschaftliche Nutzung ist bei uns in Biosphärenreservaten, Landschaftsschutzgebieten, Naturparken und Waldbiotopen sowie in den meisten Naturschutzgebieten möglich. Laut einer Sprecherin des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gilt grundsätzlich: „Strengere Schutzauflagen führen in der Forstwirtschaft zu Mehraufwendungen sowie zur Verringerung der Holznutzung und volkswirtschaftlich zur weiteren Verknappung und Verteuerung von Holz als nachwachsendem Rohstoff.“ So nehmen Forstwirte laut Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) auch in wertvollen älteren Laubwäldern massive Fällungen vor. Bedrohte Baumarten wie die Rotbuche sind nicht geschützt. Der BUND fordert daher „einen sofortigen Einschlagstopp für 100 Jahre alte Laubwälder in öffentlicher Hand“  1
Der mittlerweile sehr bekannte ‚Waldrebell‘ Peter Wohlleben wird da noch konkreter. Er spricht seit Jahren von einer völlig verfehlten Forstwirtschaft, die das Ökosystem Wald nicht zu verstehen scheint und die auch noch staatlich gefördert wird. Nicht nur dass über die Hälfte des deutschen Waldes aus Fichten- und Kieferplantagen besteht, also meist aus Monokulturen nicht-heimischer Bäume. Die Wälder werden auch ständig von Forstwirten gestört durch falsche Düngungen ,Fällungen im kleinen und großen Stil etc. „Wird mit der Motorsäge über die Jahre ein Baum nach dem anderen entfernt, so werden Kameraden getrennt... der Wind pfeift zwischen den verbliebenen Bäumen hindurch und trocknet die Böden aus. Warme Sonnenstrahlen heizen die Luft auf und verdorren das Laub.“  2 Ältere Bäume vertragen solche Eingriffe in ihre Sozialgemeinschaft und ihr Ökosystem nicht mehr und sterben viel früher als wenn sie in Ruhe gelassen worden wären, so Wohlleben.
Auch die Errichtung von Windkraftanlagen sieht er kritisch. Zwar sei die Fläche, auf der die Windkrafträder stehen, relativ klein (0,4 Hektar) 3, aber die Zuwege seien verdichtet und sehr breit (circa fünf Meter) 3. Dadurch würden Schneisen entstehen, die das Waldklima ungünstig beeinflussen. Die Schneisen würden die Kaltluft ableiten, die der Wald im Sommer mühevoll erzeugt. Und sie würden den unterirdischen Wasserfluss blockieren, sodass sich das Wasser auf der einen Seite staut, während es von der anderen weggesperrt wird. Wohlleben befürwortet Windkraftanlagen an Autobahnen, Ackerflächen oder Industrieanlagen, nicht aber im Wald: „Windkraftanlagen haben im Wald nichts zu suchen ... Wir sollten uns nicht an unseren letzten verbliebenen halbwegs intakten oder zumindest vernünftig regenerierbaren Ökosystemen vergreifen.“ 4
Frankreich scheint da schon eher verstanden zu haben, worauf es ankommt. Es hat den viertgrößten Waldanteil Europas – nach Schweden, Finnland und Spanien – und fördert mehrere Projekte, die wilde Wälder schützen. 5 Hierzu gehört auch der Naturpark in Burgund, der 2019 ins Leben gerufen wurde. Seine 250 000 Hektar große Fläche blieb seit dem Mittelalter vor größeren menschlichen Eingriffen verschont, weshalb er eine große Artenvielfalt aufweist. Dort kann man noch Jahrhunderte alte Bäume erleben und seltene Blumen wie die Venusschuh-Orchidee. (AF)
Quelle: https://ethz.ch/de/

Fußnoten

1 https://www.bund.net/service/presse/pressemitteilungen/detail/news/internationaler-tag-der-waelder-bund-fordert-mehr-waldwildnis-in-deutschland-und-einen-einschlagstopp-fuer-alte-laubwaelder/
2 Peter Wohlleben: „Der Wald. Ein Nachruf“, Ludwig Verlag 2013
3 https://energiewende.eu/windkraft-abholzung/?print=print
4 Peter Wohlleben: „Windkraft im Wald“, Facebook-Video, 28. Mai 2021
5 https://www.horizonworld.de/wilde-waelder-foerdern-frankreich-als-beispiel-und-vorreiter/

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