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Infopunkte Natur

raum&zeit Ausgabe 238

Tierheilpraktiker und Tierhomöopathen klagen beim Bundesverfassungsschutz


Gegen das neue Tierarzneimittelgesetz

Angeblich soll das neue Tierarzneimittelgesetz (TAMG) dem Wohl der Tiere dienen. Ob dies zutrifft, muss aber stark bezweifelt werden. Seit es am 28. Januar 2022 in Kraft getreten ist, kann die alternativmedizinische Behandlung von Tieren nur noch sehr eingeschränkt erfolgen. Tierhomöopathen, Tierheilpraktiker und Tierhalter dürfen einen Großteil der bisher angewendeten Homöopathika nicht mehr einsetzen. Nur noch Tierärzten ist es vorbehalten, diese zu verabreichen oder zu verordnen. Es gibt deutschlandweit aber nur circa 80 Tierärzte mit homöopathischer Ausbildung. Drei Tierhomöopathinnen aus dem Berufsverband Klassische Tierhomöopathen Deutschlands e. V. (BkTD) haben schon im November letzten Jahres eine Klage gegen das neue TAMG eingereicht. Im Interview mit Angelika Fischer von raum&zeit schildert die 1. Vorsitzende des Vereins, Kristin Trede, ihre Sicht der Dinge.

raum&zeit: Rund 8 600 homöopathische Einzelmittel dürfen seit Januar dieses Jahres nicht mehr von Tierheilpraktikern, Tierhomöopathen oder Tierhaltern eingesetzt werden – also alle homöopathischen Mittel, die bisher nur für Menschen, nicht aber für Tiere zugelassen waren. Wie viele Menschen sind beruflich und privat vom neuen TAMG betroffen?
Kristin Trede: Die Tierheilpraktikerverbände in Deutschland haben über 5 000 Mitglieder, die mit Inkrafttreten des TAMG ihren Beruf nicht mehr ausüben bzw. nur noch eingeschränkt arbeiten können. Diese sind somit unmittelbar betroffen. Darüber hinaus sind diejenigen Tierhalter betroffen, die eines oder mehrere der 34,7 Mio Haustiere in Deutschland (Stand 2021) besitzen und diese mit homöopathischen Mitteln behandeln lassen möchten. Zwar gibt es noch etliche homöopathische MIttel, die nicht von dem neuen Gesetz betroffen sind, aber dies sind nicht genug um die klassische Homöopathie fachgerecht auszüben.


Argumente der Verfassungsbeschwerde

r&z: Mehrere Mitglieder Ihres Berufsverbandes haben eine Verfassungsbeschwerde gegen dieses neue Gesetz eingelegt. Neun weitere Berufsverbände unterstützen diese Klage. Was sind die Hauptargumente der BeschwerdeführerInnen?
K. T.: Die KlägerInnen sehen durch das Gesetz das Grundrecht auf Berufsfreiheit und auch das Recht der Tierhalter auf Wahlfreiheit bei der medizinischen Behandlung ihrer Tiere verletzt.
Weiterhin beanstandeten sie, dass der durch das TAMG eingeführte Tierarztvorbehalt nicht geeignet sei, das Tierwohl zu verbessern, da es keinerlei Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Anwendung von Homöopathika, wie sie bis dahin erfolgt ist, schädlich war. Sie wandten sich auch gegen das Argument, die neue Regelung sei aufgrund der EU-Verordnung von 2019 notwendig gewesen. Ihnen zufolge ist das nicht richtig, da diese EU-Verordnung keinen Tierarztvorbehalt für homöopathische Humanarzneimittel vorschreibt.

r&z: Das Bundesverfassungsgericht hat die Klage im Januar angenommen und bestätigte, dass das neue Gesetz das Recht auf Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz tangiert. Denken Sie, dies ist ein ausreichendes Argument für eine Umarbeitung des TAMG?
K. T.: Wir können dies schlecht einschätzen.

Einschüchterungsversuch des Bundesministeriums

r&z: Vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) kam die scharfe Behauptung, die Beschwerdeführerinnen hätten kein Recht für ihre Beschwerde, weil es Tierheilpraktikern schon vor dem neuen Tierarzneimittelgesetz untersagt gewesen sei, Humanhomöopathika bei Tieren anzuwenden. Diesen Vorwurf wiesen die Klägerinnen zurück mit der Feststellung, dass dieses sogenannte Umwidmungsverbot nur für Tierärzte gegolten habe und zudem nicht auf Homöopathika anwendbar gewesen sei. Wie sehen Sie dies?
K. T.: Unserer Ansicht nach ist das Recht da völlig auf der Seite der KlägerInnen. Auch das Bundesverfassungsgericht entkräftete diesen Vorwurf des Bundesministeriums. Wir finden es sehr erstaunlich, dass die Juristen im BMEL die eigenen Gesetze nicht zu kennen scheinen.

r&z: Was ist in Ihren Augen noch wichtig bezüglich dieses Verfahrens?
K. T.: Der Annahme, Humanhomöopathika könnten Tieren schaden, möchte ich drei Argumentationsebenen gegenüberstellen:

Erstens: Die Gefährlichkeit der Arzneimittel an sich

Es gibt nicht einen belegbaren Hinweis darauf, dass die Anwendung von registrierten Humanhomöopathika zu Schäden bei Menschen, Tieren oder für die Umwelt geführt hat – weder bei Tieren, die der Gewinnung von Lebensmitteln dienen, noch bei Tieren, die nicht der Gewinnung von Lebensmitteln dienen. Es gibt keine Meldungen innerhalb der Tierheilpraktikerverbände, es gibt keine Berichte von Tierschutzorganisationen, es gibt keine Pharmakovigilanzberichte dazu, es gibt keine Meldungen bei den Versicherern der Berufshaftpflicht für Tierheilpraktiker.

Zweitens: Das Risiko von Fehlanwendungen

Das BMEL hat insbesondere durch seinen Hinweis auf fehlende Dosierungsvorschriften darauf hingewiesen, dass fehlerhafte Dosierungen zu Beeinträchtigungen des Tierwohls führen könnten. Abgesehen davon, dass in der klassischen Homöopathie homöopathische Einzelmittel nicht pauschal dosiert werden, sondern individuell, existiert das Risiko einer falschen Anwendung bei jedem registrierten oder zugelassenen Arzneimittel. Es sei an dieser Stelle noch einmal darauf hingewiesen, dass Humanhomöopathika sogar bei Säuglingen, Kleinkindern und Schwangeren ohne ärztliche Verschreibung angewendet werden dürfen, ohne dass es erkennbar zu Schäden bei diesen Personengruppen gekommen ist. Ebenso ist es nicht erkennbar, dass es zu Fehlanwendungen durch Tierheilpraktiker gekommen ist.

Drittens: Die angeblich unzureichende Ausbildung der Tierheilpraktiker

Tierheilpraktiker sind gut ausgebildet. Der Ausübung des Berufes ist vom Gesetzgeber durch Arzneimittelrecht, Tierschutzrecht, Tierseuchenrecht u. a. ein Rahmen gesetzt. Die Vermittlung der rechtlichen Vorschriften ist Bestandteil der Prüfungsrichtlinien der Kooperation deutscher Tierheilpraktikerverbände.
Die Mitglieder des BkTD e. V. haben zusätzlich zu der tiermedizinischen Grundausbildung mehr als 300 Stunden Tierhomöopathie absolviert. Tierärzte können die Zusatzbezeichnung Homöopathie demgegenüber mit nur 60 Stunden erlangen.

r&z: Man darf auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, die für dieses Jahr erwartet wird, sehr gespannt sein! Haben Sie eine Prognose, wie die Entscheidung ausfallen wird?
K. T.: Wir wagen keine Prognose, hoffen aber sehr auf einen positiven Ausgang. Unserer Ansicht nach ist es unredlich, ohne Grund eine Gefährlichkeit der Arzneimittel und deren Anwendung zu konstruieren. Der richtige Weg, wenn man Tierwohl sichern will, wäre es, den Tierheilpraktikern einen rechtlich verlässlichen Rahmen anzubieten, in dem sie ihre Sachkunde überprüfen lassen können. (AF)

Fahrradreifen aus Löwenzahnmilch


Eine echte Alternative für die Reifenindustrie?

Der Reifenhersteller Continental hat als erster deutscher Hersteller einen Fahrradreifen aus Löwenzahn-Kautschuk auf den Markt gebracht. Die Motivation für eine alternative Herstellung von Naturkautschuk war von dem Gedanken geprägt, eine ökologisch vertretbarere Produktionsweise zu ermöglichen. Denn der Grundstoff für die Reifenproduktion, also der Kautschuk, wird überwiegend in Süd-ostasien produziert. Für diesen werden Kautschukbaumplantagen (Hevea brasiliensis) benötigt, die wiederum die Abholzung der Regenwälder forcieren. Um dem entgegenzuwirken und um die Transportwege zu verkürzen, haben Mitarbeiter von Continental und dem Fraunhofer Institut für Molekularbiologie und angewandte Ökologie (IME) im Rahmen eines längerfristigen Projekts ein Verfahren entwickelt, Naturkautschuk aus dem Milchsaft des russischen Löwenzahns (Taraxacum kok-saghyz) zu gewinnen. In Mecklenburg-Vorpommern werden im Forschungslabor Studien über den Anbau der Pflanzen bis hin zum endgültigen Produkt durchgeführt. Seit 2019 ist der Fahrradreifen „Urban Taraxagum“ von Continental für Kunden erwerbbar. Wie weit der Löwenzahn-Kautschuk den Bedarf in Europa decken könnte, ist noch Gegenstand der Forschung.  (EE)

Quellen:
https://www.continental-reifen.de
https://enorm-magazin.de

Wird Mineraldünger bald knapp


Peak Phosphor

Von Peak Oil dürften viele schon mal gehört haben. Der Ausdruck steht für die Endlichkeit der fossilen Energiegewinnung, besonders des Erdöls. Allerdings haben sich entsprechende Prognosen bislang stets als falsch erwiesen. Zum Teil liegt das daran, dass immer wieder neue Erdölfelder entdeckt werden, technische Fortschritte die Einbindung bislang nicht-konventioneller Vorkommen erlauben (zum Beispiel in der Tiefsee), und sich manche Reservoire von selber wieder aufzufüllen scheinen. Die Rohstoffwirtschaft ist halt ein sehr komplexes Geschehen, das sich nicht mit einem einfachen mathematischen Formalismus beschreiben lässt. Es ist unmöglich, alle relevanten Faktoren mit in die Rechnung einzubeziehen, ganz einfach weil man sie nicht kennt. Etwas sehr Ähnliches erleben wir mit Peak Phosphor („Lichtträger“), der Hypothese, dass wir einer Phosphor-Verknappung entgegen sehen. Phosphor ist bekanntlich die wichtigste Ressource für die Herstellung von Düngemitteln und damit für die Welternährung von nahezu acht Milliarden Menschen maßgeblich. Jedenfalls solange die Landwirtschaft sich nicht auf eine Fäkaliendüngung umgestellt hat, die wiederum Viehwirtschaft voraussetzt. Diese genießt allerdings im Zeitgeist keinen guten Ruf mehr. Der bei der Düngung eingesetzte Phosphor ist jedoch nicht anschließend einfach weg. Er wird durch Bodenerosion abgetragen oder mit dem Grundwasser und über die Flüsse letztlich wieder in die Meere transportiert, wo er vom Plankton aufgenommen und als Sedimentgestein letztlich wieder auftaucht (geologische Hebung). Allerdings ist der Phosphorkreislauf, welcher die Litho-, die Hydro- und Biosphäre mit einbezieht, einer der langsamsten natürlichen Kreisläufe im Ökosystem Erde überhaupt. Was die Natur in Jahrmillionen errichtet, kann der Mensch mühelos in Jahrzehnten abbauen. Einige Experten gehen davon aus, dass die maximale Fördermenge (Peak Phosphor) bereits im Jahr 2030 erreicht sein wird. Andere sind optimistischer und glauben, dass die derzeitigen Vorräte noch für 100 bis 150 Jahre ausreichen werden. Verschiedene Wirtschaftswissenschaftler weisen überdies auf die Historie der Rohstoffwirtschaft hin, wonach endliche Ressourcen nie ein dauerhaftes Problem der Menschheit darstellten. Vergessen sollte man bei dieser Thematik auch nicht, dass die künstliche Verknappung wichtiger Ressourcen ein probates Mittel der Mächtigen darstellt, politische Ziele durchzusetzen. (DS)

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