Entschieden in Richtung Direkte Demokratie

Was sind die Ziele der Partei dieBasis?

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Was taugt unsere repräsentative Demokratie noch? Und könnte eine neue Partei wie dieBasis den ersehnten Wandel bringen? Zwei Bundesvorstandsmitglieder dieser Partei erzählen, wo sie die Schwächen unseres Systems sehen, was sie besser machen möchten und was sie von Alternativ...
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Entschieden in Richtung Direkte Demokratie
raum&zeit-Interview mit Diana Osterhage, Teil der Doppelspitze der Partei dieBasis, und Dr. Harald von Herget, Beauftragter für Medien und Kommunikation in der Partei, von Angelika Fischer

Was taugt unsere repräsentative Demokratie noch? Und könnte eine neue Partei wie dieBasis den ersehnten Wandel bringen? Zwei Bundesvorstandsmitglieder dieser Partei erzählen, wo sie die Schwächen unseres Systems sehen, was sie besser machen möchten und was sie von Alternativer Medizin, Europa und TTIP halten.

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raum&zeit: So plötzlich wie die Corona-Krise und die Corona-Maßnahmen im letzten Jahr über uns hereingebrochen sind, so spontan kam es auch zu Gegenbewegungen für Freiheit und Grundrechte. In diesem Feld entstand auch im Juli 2020 Ihre Partei dieBasis, die seither kontinuierlich an Inhalten und Mitgliedern wächst. Auch sie beide haben sich relativ spontan dazu entschlossen, parteipolitisch aktiv zu werden und sich für dieBasis zu engagieren. Gab es für Sie jeweils Schlüsselmomente, die Sie dazu gebracht haben?
Diana Osterhage: Schlüsselmomente waren für mich im letzten Jahr immer wieder der Umgang mit den Kindern. Tatsächlich war ich im Sommer sehr für „Eltern stehen auf“ aktiv und es hat mich sehr bewegt, wie die Kinder gelitten haben unter der Situation. Und am 18. April haben hier in Hannover die ersten Demonstrationen begonnen und wir haben angefangen, uns zu vernetzen. Wir haben dort Menschen kennengelernt, die dann auch im Juli zur Gründung der Partei mitgefahren sind. Ich durfte an diesem Ereignis, die Partei zu gründen, ja auch teilnehmen. Und damals hatte ich schon die Hoffnung, dass etwas, so wie es sich jetzt abzeichnet, daraus wird.
Dr. Harald von Herget: Mich machte ein Bekannter darauf aufmerksam, dass Bodo Schiffmann, Viktoria Hamm und Ralf Ludwig die Partei Widerstand 2020 gegründet haben. Ich habe mich dieser daraufhin zugewandt, aber sehr schnell feststellen müssen, dass sie bereits wieder zerbrochen war. Ich habe dann aber Kontakte geknüpft zu Leuten, die bei dieser Partei waren und in dieser Richtung weitermachen wollten. Die haben mich dann gleich gefragt, ob ich mithelfen möchte eine Satzung zu erarbeiten. Die Freiheitsrechte und die Rechtsstaatlichkeit lagen mir schon immer besonders am Herzen, schon aufgrund meiner eigenen Biografie als Jurist. Und so war ich schon auch von Anfang an mit bei der Gründung der Basis dabei. Das heißt, ich habe an der Satzung mitgewirkt, an der Wahl des Namens für die Partei, dann am Logo der Partei. Und so nahm das Ganze seinen Lauf.

Das Volk stärken

r&z: Die jetzige Situation zeigt ja sehr eindrücklich, für vulnerabel unser politisches System ist, obwohl wir in einer Demokratie leben mit Gewaltenteilung und Grundrechten. Was würden Sie machen, wenn Sie mit der Partei dieBasis stärker werden würden, um in Zukunft solch einen Zerfall demokratischer Strukturen zu verhindern?

Dr. H. v. H.: Unser Grundgesetz ist an sich die beste Verfassung, die wir in Deutschland je hatten. Sie ist von der Grundstruktur her hervorragend, wird allerdings in der Praxis nicht so gelebt – was sehr stark mit der Rolle der Parteien zusammenhängt, die im Bundestag schon seit sehr langer Zeit vertreten sind. Was wir in der Praxis unserer Demokratie anders machen würden, besser machen würden, ist in jedem Fall den Souverän stärken, also das heißt die Stimmbürger, das Volk. Und dazu wollen wir eben nicht nur eine Bewegung sein, die ihre Aufgabe nur im Protest hat, sondern eben als Partei an Lösungen mitwirken, Elemente einzubauen in gesetzgeberischer Form, um die Rechte der Parteien zu beschränken, zu begrenzen und umgekehrt die Rechte der Bürger zu stärken.

r&z: Freiheit und Machtbegrenzung sind auch zwei der vier Säulen Ihrer Partei. Möchten Sie noch etwas zu den anderen beiden Säulen, Achtsamkeit und Schwarmintelligenz, sagen?
Dr. H. v. H.: Ja, gerne, die Säule der Achtsamkeit steht für den liebevollen Umgang mit den Menschen und der Natur. Das liegt mir persönlich besonders am Herzen. Das ist eigentlich das besondere Merkmal, das bisher noch keine Partei als einen Schwerpunkt herausgestellt hat. Und schließlich bleibt noch die Säule der Schwarmintelligenz. Viele sagen, das ist die Weisheit der vielen. Man könnte das dem Bürger nahe bringen mit dem Beispiel, wenn in Ratesendungen der sogenannte Publikumsjoker eingesetzt wird. Es zeigt sich dann, dass sozusagen der sogenannte Schwarm, also die Gemeinschaft aller zu sehr, sehr guten Ergebnissen kommt, wenn es um eine Entscheidung oder eine Sachaussage geht. Diese vier Säulen waren schon bei Widerstand 2020 angelegt.

r&z: Tragende Bedeutung in Ihrer Partei hat ja auch die Basisdemokratie, was sich schon im Namen widerspiegelt. Heißt das, wenn Ihre Partei jetzt stärker werden würde, dass sich unsere repräsentative Demokratie, in der die Parteien den Willen des Volkes abbilden sollten, zu einer direkten Demokratie entwickelt?
Dr. H. v. H.: Unser Ziel ist es, dass neben der parlamentarischen Demokratie durch gewählte Volksvertreter das Modell der direkten Demokratie eingeführt wird; das ist in der Schweiz seit Jahrzehnten sehr stabil und ein Ausweis dafür, dass ein Land damit sehr gut regiert werden kann. Denn den Schweizern geht es gut und das politische System ist dort stabil. Das ist auf jeden Fall ein Antrieb, das zu tun.

Mehr Elemente der Direkten Demokratie

r&z: Können Sie vielleicht kurz konkret erklären, wie das in der Schweiz läuft? Die Schweizer haben auch diese Elemente der direkten Demokratie, wie wir sie haben. Bürgerbegehren, Bürgerentscheid, Volksbegehren, Volksentscheid. Und dann haben sie aber auch noch die Möglichkeit, mehrmals im Jahr zu bestimmten Themen abzustimmen. Ist das Ihre Vorstellung, dass man parallel zu einer repräsentativen Demokratie diese Elemente der direkten Demokratie hat?
Dr. H. v. H.: Ja, wir haben diese Möglichkeiten direkter Demokratie auf kommunaler und Länderebene, aber es gibt bis heute, auch 70 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland, kein Bundes-Abstimmungsgesetz, das also eine Volksabstimmung auf der Bundesebene vorsieht. Es gibt nur den Sonderfall für einen Zusammenschluss von Bundesländern. Aber abgesehen davon fehlen diese Abstimmungen auf Bundesebene noch und das ist sozusagen das Minimum, das wir uns als Basis-Demokraten vorstellen. Allerdings möchten wir noch weitere Elemente der Basisdemokratie einrichten. Zum Beispiel sollen Bürger auf die Zusammensetzung der Listen Einfluss erhalten. Bei Wahlen in Deutschland ist es bei den Landtags- und Bundestagswahlen ja so, dass die Parteien ihre Kandidaten aufstellen und der Bürger nur die Möglichkeit hat, diese gesamte Liste zustimmend anzukreuzen oder eben nicht. Aber er hat nicht die M Möglichkeit, bestimmte Kandidaten beispielsweise nach oben zu setzen oder seine Stimme auf mehrere Parteien zu verteilen.
D. O.: Darf ich da noch etwas ergänzen? Sie haben ja gefragt, ob die Bürger mehrfach im Jahr zu Abstimmungen gebeten würden. Ich sag mal, unser Ziel ist es, die Bürger im Grunde zu jeder Abstimmung, die es gibt, zu befragen. Es gibt eine App, die Democracy App, bei der die Bürger die M Möglichkeit haben, zu einzelnen Themen abzustimmen. Das w re ein Traum, wenn die Menschen dies nutzen und auch merken würden, dass sie Gehör finden. Dass sich ihre Ergebnisse im Abstimmungsverhalten der von ihnen gewählten Vertreter widerspiegeln.

r&z: Damit w re die m gliche Einflussnahme der Bürger sicher sehr viel stärker. Aber braucht man eigentlich die Parteien? Wäre es nicht auch möglich, dass es wie in basisdemokratischen Konzepten anstelle von Parteien nur noch Arbeitsgruppen gibt, die eine Vielfalt von Lösungen zu aktuellen Fragestellungen oder Problemen erarbeiten und die Bürger dazu abstimmen?
Dr. H. v. H.: Einen Mittler zwischen Bürger und Staat, eine Organisation, die an der politischen Willensbildung mitwirkt, die Abstimmungskampagnen organisiert, wird es weiterhin brauchen. Dieser Mittler darf aber nicht wie die derzeitigen Parteien vom Staat finanziert werden und damit von diesem abhängig sein.
D. O.: Im Idealfall funktioniert unsere politische Arbeit genau so, wie sie es beschreiben. Arbeitsgruppen erarbeiten L sungen und die Bürger stimmen darüber ab. Im Artikel 21GG sind Partei als die Organe der politischen Willensbildung genannt. Da wir derzeit in einer parlamentarischen Demokratie leben wird es die Parteien auch noch eine Weile brauchen.

Bürger wollen Politik mitgestalten

r&z: Ein häufiges Argument gegen Direkte Demokratie ist, die Bürger seien zu wenig politisch interessiert und informiert als dass sie sachkundige Entscheidungen treffen könnten. Wie sehen Sie das?
D. O.: Also tatsächlich gibt es da Studien dazu, dass die Menschen nicht Politik-verdrossen sind, sondern Parteienverdrossen. Es ist nicht so, dass sie kein Interesse daran haben, sich zu informieren und Politik mitzugestalten. Der kritische Punkt ist nur, wie sie ihr Interesse umsetzen und leben können. Was wir bei unseren internen Prozessen immer wieder feststellen ist, dass ich dann im Schwarm zu einem guten Ergebnis und zu einer guten Meinungsbildung kommen kann, wenn ich m glichst umfassend alle Informationen zur Verfügung stelle, mit allen positiven und negativen Ergebnissen und Konsequenzen. Und wenn ich das so transparent machen kann, dann sind die Menschen in der Lage und auch gewillt, an diesen Abstimmungen teilzunehmen. Also ich glaube, das ist auch eine Aufgabe für dieBasis, wenn sie in die Parlamente kommt, diese ganzen Abstimmungen so aufzubereiten, dass der Bürger sie wirklich verstehen kann und dann eben auch weiß, worum es geht und deswegen dann auch mit abstimmen möchte.

Neue Regelungen für die öffentlich-rechtlichen Medien

r&z: Ein anderer Punkt, der wichtig ist, wenn man sich gut informieren möchte, sind die Medien. Im Moment werden wir relativ einseitig von den großen Medien informiert. Gibt es bei Ihrer Partei einen Ansatz, um in Zukunft eine ausgewogenere Darstellung in der Medienlandschaft zu erzeugen?
Dr. H. v. H.: Ja, den gibt es und zwar für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Was aus unserer Sicht der Machtbegrenzung sehr, sehr wichtig ist, ist, dass künftig im öffentlich-rechtlichen Rundfunk keine Regierungsvertreter mehr vertreten sind. Dass keine Parteivertreter dort sozusagen die bestimmende Funktion haben und dass die Bürger als Rundfunk-Teilnehmer das Recht haben, die Rundfunkräte selbst zu wählen. Das ist ein sehr wichtiger Schritt, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu demokratisieren und auch das in den Rundfunk-Gesetzen ja ohnehin postulierte plurale Vielfalt-Gebot und Staatsferne zu verwirklichen.

r&z: Damit wäre auf jeden Fall der Einfluss von Parteien auf die Medien eingedämmt. Haben Sie auch einen Ansatz um dem Einfluss von Lobbyisten entgegenzusteuern?
Dr. H. v. H.: Wir sind auf jeden Fall für ein Lobbyregister, das offenlegt, welche Kontakte Abgeordnete zu Wirtschaft, Wissenschaft, Sozialverbänden, also allen Arten von Verbänden haben. Es soll sowohl auf der Bundesebene gelten als auch für die Landesparlamente.

Corona Wissenschaft Freiheitsrechte Verhältnismäßigkeit

r&z: Jetzt würde ich gerne noch von Ihnen ein paar kurze Statements zu aktuellen Themen erhalten. Also als erstes würde mich die Gesundheitspolitik interessieren. Wie würden Sie gesundheitspolitisch mit Corona umgehen, wenn Sie im Herbst gewinnen würden?
D. O.: Wir sind gegenwärtig noch dabei, das Parteiprogramm zu entwickeln. Ich kann Ihnen diese Frage aber aus meiner persönlichen Sicht beantworten. Zur Gesundheitspolitik bezüglich Corona ist auf jeden Fall zu sagen, dass eine kritische Debatte fehlt. Es fehlen die kritischen Stimmen und die alternativen Herangehensweisen und Behandlungsmethoden. All das würde aus meiner Sicht dazugehören. Ma nahmen, die nicht evidenzbasiert sind, dürfen auch nicht umgesetzt werden. Also es muss einfach eine wissenschaftliche Grundlage geben. Und Zwänge widersprechen unserer Freiheitssäule. Also alle Ma nahmen, die in irgendeiner Form einen Zwang ausdrücken, sind aus meiner Sicht mindestens kritisch zu sehen und müssten noch besser begründet werden als andere Ma nahmen. Hierzu gehören der Zwang, eine Maske zu tragen oder eine Impfpflicht. Da muss es andere Möglichkeiten geben. Und eine Politik muss natürlich immer verhältnismäßig sein. Also ich darf mit den Maßnahmen nicht über das Ziel hinausschießen. Wenn dann die Maßnahmen quasi schlimmer sind als das, wovor ich die Menschen schützen möchte, dann ist das sicherlich keine gute Politik.

Pro Alternative Medizin

r&z: Und wie ist ihre Haltung im Allgemeinen zur alternativer Medizin?
D. O.: Da treffen Sie natürlich bei mir ins Schwarze, weil ich als Heilpraktikerin und klassische Homöopathin eine ganz klare persönliche Meinung dazu habe, aus der Erfahrung heraus, die ich in zwölf Jahren Selbstständigkeit gemacht habe. Aus meiner Sicht ist eine alternative Behandlung immer etwas, was mindestens mit in Erwägung gezogen werden muss und an vielen Stellen kann sie eine schulmedizinische Behandlung mindestens ergänzen, häufig sogar ersetzen. Das würde natürlich das gesamte schulmedizinische System entlasten, auch was die Kosten angeht.

r&z: Finden Sie auch, dass speziell bei Corona die Alternative Medizin mehr berücksichtigt werden sollte?
D. O.: Ja, leider ist es Heilpraktikern ja im Allgemeinen verboten, Infektionskrankheiten zu behandeln. Ich denke, da sollte auf jeden Fall ein Wandel stattfinden.

r&z: Gegenwärtig wird ja sogar der ganze Berufsstand des Heilpraktikers in Frage gestellt. Es wird überlegt ihn einzuschränken in seinen Tätigkeitsbereichen. Wie sehen Sie das?
D. O.: Oh, sehr kritisch. Ich weiß, dass in vielen Gebieten in Deutschland die Heilpraktiker einen ganz wesentlichen Teil zur Gesundheitsversorgung der Bevölkerung beitragen. Es gibt viele Menschen, die fast ausschließlich zum Heilpraktiker gehen. Dies entlastet wie gesagt das Gesundheitssystem, auch was die Kosten angeht. Heilpraktiker sind natürlich auch weniger anfällig für Lobbyismus, weil sie einfach weniger eingebunden sind in diese ganzen Strukturen, das Abrechnungssystem von Krankenkassen usw. Und ja, sie haben einfach ein individuelles Herangehen, noch mehr Zeit für den Patienten, um zu beleuchten, wo wirklich die Probleme liegen. Es wäre verheerend, wenn man den Heilpraktiker abschaffen würde.

r&z: Auch die Pflegeheime sind im Moment sehr im Fokus und Probleme wie Personalmangel zeigen sich besonders deutlich. Würden Sie mit Ihrer Partei versuchen, an diesen Strukturen etwas zu verändern, damit die Situation in den Pflegeheimen besser wird?
D. O.: Auch da kann ich jetzt wieder nur meine persönliche Meinung abgeben und sagen, wie ich persönlich abstimmen würde in einer Konsensierung zu dem Thema. Selbstverständlich mit „Ja“! Also eine Pflege hat doch immer etwas mit einer Fürsorge und mit Menschen zu tun. Und eine Pflege muss menschenwürdig sein und zwar für den, der gepflegt wird und für den, der pflegt. Menschen brauchen unterschiedlich viel Zeit und Aufmerksamkeit. Diesem Umstand wird überhaupt nicht Rechnung getragen. Wenn ich – ich weiß nicht genau – acht Sekunden fürs Kämmen habe, dann ist es einfach kein menschenwürdiger Umgang mehr. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Pflegedienste gute Ideen haben, wie sie das optimieren können. Auch da müsste man einfach wieder die Leute fragen, die jeden Tag damit zu tun haben, die Pflegedienste und die Gepflegten: „Was müsste besser werden?“. Darin steckt bestimmt viel Potenzial.

Freie Wahl der Schulart

r&z: Wenden wir uns der Bildungspolitik zu. Haben Sie da auch Ansätze, wie man hier etwas verbessern könnte? Eine Frage w re zum Beispiel, ob es weiterhin den staatlichen Schulzwang geben soll?
D. O.: Dazu sage ich auch meine ganz persönliche Meinung: Ich habe da ein ganz klares „Nein“ zum Schulzwang. Ich bin da sogar für einen ganz radikalen Ansatz, für eine völlig freie Bildung. Es gibt ganz tolle Freilerner Gemeinden, die ihre Kinder gar nicht in irgendwelche Schulen schicken. Das ist noch ein Schritt mehr als Homeschooling. Ganzheitliches Lernen würde aus meiner Sicht zu einer Entwicklung des Menschen im Gesamten beitragen. Außerdem wäre das Lernen leichter. Menschen lernen grundsätzlich in Zeitfenstern und öffnen sich für das, was sie gerade interessiert. Das lernen sie dann gut und leicht. Beim staatlichen Schulsystem spielt das Lernen von Gehorsam eine große Rolle. Passt man sich an, gibt‘s Sternchen im Sozialverhalten. Eigentlich ist dieses System eher darauf ausgelegt, Menschen in Gehorsamkeitsstrukturen zu bringen und nicht in die Eigenverantwortung.
Dr. H. v. H.: In Bayern ist in der AG Bildungspolitik der Basis hierzu bereits einiges konsensiert worden. Wir sind hier für eine Vielfalt im Bildungssystem. Die Eltern sollen die Freiheit haben, entscheiden zu können, ob sie ihr Kind in das klassische Schulsystem geben oder in eine freie Schule. Weiterhin sollten die verschiedenen Schularten gleich behandelt werden, auch von der finanziellen Ausstattung her. Das hei t, dass der Staat grundsätzlich gewährleisten muss, dass Bildung stattfinden kann, egal ob in der klassisch dreigliedrigen Schulform, in einer Gesamtschule, einer Rudolf Steiner Schule oder eben in einer freien Schule.

Konsensprinzip in der EU

r&z: Dann ein kleiner Blick in Richtung Außenpolitik. Wären Sie da insgesamt für mehr Unabhängigkeit Deutschlands gegenüber Europa und auch den USA?
Dr. H. v. H.: Da kann ich nur anhand meiner persönlichen politischen Erfahrung antworten. Ich hatte Politikwissenschaft studiert, bevor ich Jura studierte. Ich bin für den paneuropäischen Gedanken im ganzen geographischen Europa. Die europäische Geschichte mit den vielen Kriegen der Nationalstaaten in den zurückliegenden Jahrhunderten und vor allem mit den zwei verheerenden Weltkriegen im letzten Jahrhundert haben uns gezeigt, dass die Staaten verpflichtet sind, zum Wohl ihrer Bürger zu kooperieren und Konflikte friedlich zu lösen. Von daher sind Organisationsformen, die das sicherstellen, Gremien, wo sich sozusagen die Vertreter der jeweiligen Länder treffen und austauschen, unabdingbar. Nicht, dass die Europäische Union, wie sie jetzt existiert, sozusagen der Weisheit letzter Schluss ist. – Vom Grundsätzlichen her bin ich dafür, dass auch in der Europäischen Union das Konsensprinzip zu gelten hat. So wie das auch früher geregelt war. Zweitens bin ich für das Subsidiaritätsprinzip. Das ist angelegt in der Europäischen Union, aber es ist zu stärken. Das heißt, dass die Mitgliedstaaten und die Regionen ihre grundsätzliche Kompetenz behalten, so dass Identität und Bürgernähe gewährleistet sind. Das ist ein ganz, ganz wichtiger Grundsatz.

r&z: Wären Sie auch für einen europäischen Entscheid, also ein Pendant zum Bürgerentscheid und Volksentscheid auf EU-Ebene?
Dr. H. v. H.: Ich persönlich könnte mir gut vorstellen, dass wir – so wie wir uns das auf nationaler Ebene wünschen und fordern – auch für europaweite Volksabstimmungen eintreten, zum Beispiel wenn die EU einen Handelsvertrag schließen will mit einer anderen Weltregion.

r&z: Wie fanden Sie denn diese Freihandelsabkommen TTIP und CETA?
D. O.: Also ich persönlich bin in Hannover gegen TTIP demonstrieren gegangen, weil es privaten Schiedsgerichten die Möglichkeit gibt, in Staatsrecht und Wirtschaftsabkommen einzugreifen. Und das darf natürlich nicht sein. Selbstverständlich bin ich für einen Handel, der den Menschen in allen Regionen, die am Handel beteiligt sind, zugute kommt, aber ich bin nicht für das einseitige Pflegen von Großkonzernen mithilfe privater Schiedsgerichte.
Dr. H. v. H.: Da stimme ich voll und ganz zu. Auch als Jurist habe ich gesagt: Das geht überhaupt nicht, dass hier unsere Justiz sozusagen ausgehöhlt wird und Sonderrechte für Großkonzerne geschaffen werden.

Gegen Bargeldabschaffung

r&z: Es gibt gegenwärtig auch vermehrt Diskussionen zu alternativen Geldsystemen. Gibt es dazu in Ihrer Partei schon Ansätze?
Dr. H. v. H.: Was wir im bayerischen Landesverband der Basis schon konsensiert haben, ist, dass wir für den Erhalt des Bargeldes sind. Denn das ist ein Stück Freiheit. Freiheit für den Bürger, nicht gläsern zu sein. Und was andere Geldsysteme anbelangt, digitale Cyber-Währungen, Bitcoins et cetera, das werden wir sicherlich unter dem Gesichtspunkt von Innovation, also von technischem Fortschritt verfolgen, was es da für Möglichkeiten gibt. Aber wir müssen berücksichtigen, dass es unter uns Menschen gibt, die da nicht mitgehen können oder wollen. Und auch für die muss die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, also am Zahlungsverkehr, möglich sein.

r&z: Nun würde mich noch interessieren, wie Ihre Partei zum bedingungslosen Grundeinkommen steht. Ich kann mir vorstellen, dass es für die Mitglieder Ihrer Partei nicht leicht ist, hier zu einem Konsens zu finden?
Dr. H. v. H.: In der Tat gibt es da sehr unterschiedliche Ansätze. Für mich könnte es eine Möglichkeit sein, dass Bürger freier sind in der Wahl ihrer Tätigkeit ohne Einbußen in ihrem Lebensstandard oder hinsichtlich ihrer späteren Rente befürchten zu müssen. Die sogenannte Care Arbeit, also von Kindererziehung bis zur Pflege von behinderten Angehörigen, Alten oder Kranken könnte genauso gewertet werden und genauso Anerkennung finden wie die sogenannte Erwerbstätigkeit. Aus meiner Sicht sollte niemand weniger Rente haben, weil er ein behindertes Kind großgezogen hat oder seine dementen Eltern gepflegt hat. Und die Freiheit zu wählen, was man tut, und die Achtsamkeit untereinander, das wäre Gemeinwohl-orientiertes Wirtschaften.

In die Gesellschaft hineinwirken

r&z: Dann noch eine Abschlussfrage an Sie beide: Was ist bezüglich Ihrer politischen Arbeit momentan Ihr größter Wunsch?
Dr. H. v. H.: Mein größter politischer Wunsch? Also für dieBasis, dass wir es schaffen, einen Ruck durch Deutschland gehen zu lassen, durch den Umstand, dass wir in den Bundestag eingezogen sein werden am 26. September. Und wirklich wieder ein Stück mehr Einigkeit, ein Stück mehr Freiheit und Rechtsstaatlichkeit zu erlangen. Und für mich persönlich wünsche ich mir ein glückliches Familienleben.
D. O.: Also für dieBasis wünsche ich mir natürlich auch den Einzug in den Bundestag am 26. 9. Darüber hinaus finde ich aber das Wirken unserer Mitglieder wichtig. Ich finde, wenn jedes unserer Mitglieder jeden Tag in einer Interaktion in der Gesellschaft eine unserer Säulen anwendet oder lebt in Form von achtsamem Umgang oder in Form von „Ich toleriere die Meinung des anderen“ oder Freiheit, dann haben wir bei unserer momentanen Anzahl an Mitgliedern – Stand am 27.5.2021 – 19 000 mal 365 Möglichkeiten, um in die Gesellschaft hineinzuwirken und mit jedem Mitglied, das kommt, mehr. Und das ist tatsächlich das Wirken, das ich über dieBasis sehe. Das ist fast noch ein bißchen mehr als der Einzug in den Bundestag.

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