Kriegstüchtig!

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Die gezielte militärische Zuspitzung in Europa

Artikelnummer: rz-258-06 Kategorien: ,

Es sind Bilder, die wir längst im Archiv der Geschichte wähnten: rollende Kolonnen, neue Zaunlinien auf alten Truppenübungsplätzen, Politiker, die mit verbissener Miene von Fähigkeitslücken sprechen, die man schnell schließen müsse. Was wie ein Déjà-vu aus einer schwarzweißen Wochenschau wirkt, ist die Gegenwart. Deutschland und die EU richten ihre Politik, ihre Industrie und ihre Infrastruktur neu aus nicht für Diplomatie, sondern für den Ernstfall. Offiziell heißt das Verteidigung . In der Praxis ist es eine systematische Kriegsvorbereitung.

Es wird zum Krieg geblasen vom Nordkap bis zur Algarve. Seit Mark Rutte, niederländischer Ministerpräsident von 2010 bis 2024, am 1. Oktober 2024 die Führung der NATO übernommen hat, wird an dieser Linie nicht gerüttelt im Gegenteil: Er präsentiert sich als moderner Krisenmanager, der ein stärkeres, faireres und schlagkräftigeres Bündnis aufstellen will. Das ist die administrative Sprache für mehr Budget, mehr Bereitschaft, mehr Härte. Rutte steht politisch für Kontinuität: Aufrüsten, vernetzen, globalisieren und das möglichst schnell.

Wer die Spuren des gegenwärtigen europäischen Krieges in der Ukraine zurückverfolgt, landet nicht erst im Jahr 2022. Bereits 2014 wurde in Berlin der Kernauftrag der Bundeswehr neu definiert: weg von Auslandseinsätzen gegen Aufständische, hin zur Konfrontation mit einer Industrie- und Atommacht. Truppe, Bewaffnung, Liegenschaften alles sollte auf einen großen Krieg im europäischen Raum ausgerichtet werden.

Das war keine Laune kriegslüsterner Außenseiter, sondern Konsens in Regierung und Opposition: Deutschlands ökonomisches Gewicht müsse in politische und militärische Macht übersetzt werden. Die darauffolgende Agenda Rüstung sollte Beschaffungsvorgänge beschleunigen eine Pipeline, die heute mit Milliarden gefüllt ist.

Die Frage, woher die Systeme kommen, beantwortete die Regierung inzwischen deutlich: Marktverfügbar schlägt Neuentwicklung. Übersetzt: US-Ware vor europäischer Souveränität. Was in Papieren nüchtern klingt, bedeutet das Abwickeln einer eigenständigen europäischen Wehrtechnik vom deutsch-französisch-spanischen Projekt FCAS (Future Combat Air System, dt. etwa: Zukünftiges Luftkampfsystem) über Munition bis Führungs- und Sensorsysteme. Frankreich warnt seit Langem, der deutsche Kauf des amerikanischen Kampfflugzeugs F-35 könne das gemeinsame Luftkampfsystem aushöhlen. In Berlin heißt es dazu freundlich: Es gehe um den zeitnahen Fähigkeitszuwachs . Die Priorität ist gesetzt.

Aufrüstung auf Hochtouren

Um zu verstehen, wie ernst es die Planer meinen, genügt ein Blick auf die Landkarte der Stützpunkte. Ramstein, der größte US-Luftwaffenstützpunkt außerhalb der Vereinigten Staaten, wird weiter ausgebaut; Spangdahlem ebenso. Verträge über 425 Millionen Dollar sind unterschrieben nach bereits 150 Millionen in den fünf Jahren zuvor und niemand sagt, wo die Obergrenze liegt. Wer das Ausmaß verstehen will, muss sich klar machen: Unsere Zustimmung brauchen sie dafür nicht. Zusätzlich werden Spezialkräfte aus England verlegt. Deutschland ist längst nicht mehr nur Drehscheibe; es ist Aufmarschgebiet, Logistikkorridor, ja Führungszentrale.