Bindungstraumata heilen

Psychotherapie bewirkt epigenetische Veränderungen

Neue Studien zeigen: Selbst tiefe psychische Verletzungen hinterlassen keine unauslöschlichen Spuren – unser Erbgut ist veränderbarer, als lange gedacht.

Frühkindliche Bindungserfahrungen – etwa zu unseren Eltern oder engen Bezugspersonen – beeinflussen unsere psychische Gesundheit ein Leben lang. Was viele nicht wissen: Diese Erfahrungen hinterlassen auch biologische Spuren, sogenannte epigenetische Veränderungen. Eine dieser Veränderungen ist die DNA-Methylierung – dabei wird die Aktivität einzelner Gene „gedimmt“, ohne dass sich die Erbinformation selbst verändert. Das beeinflusst zum Beispiel, wie stark unser Körper auf Stress reagiert.

Mehr innere Stabilität – sichtbar auf Zellebene

Die gute Nachricht: Solche Veränderungen sind nicht in Stein gemeißelt. Eine Studie von Yamil Quevedo et al. (2022) zeigt, dass gezielte Psychotherapie bei Jugendlichen mit Borderline-Störungen – oft Folge traumatischer Kindheit – die Methylierung eines Stress-Gens (FKBP5) verringern kann. Je stärker diese epigenetische Bremse gelöst wurde, desto besser regulierten die Jugendlichen später ihre Gefühle.
Auch eine aktuelle Übersichtsstudie von Leonardo Massoni (2024) zeigt: Verschiedene psychotherapeutische Verfahren – etwa kognitive Verhaltenstherapie oder Achtsamkeitstraining – können messbare Veränderungen auf epigenetischer Ebene auslösen. Dabei besserten sich Symptome bei Menschen mit PTSD (Posttraumatische Belastungsstörung), Angststörungen oder Depressionen.

Diese Erkenntnisse sind ein Hoffnungsschimmer: Sie zeigen, dass wir nicht Opfer unserer Biologie bleiben müssen. Unsere Erfahrungen – auch in der Therapie – wirken tief. Sie können heilen. Nicht nur unsere Seele, sondern auch unsere Gene erinnern sich daran.