Die wahre grüne Frage

Klimawahn und die Folgen

Klimaschutz wird heutzutage häufig mit Naturschutz gleichgesetzt. Wer das Klima schützt, hat daher sein Soll erfüllt. Doch diese Haltung führt zu Naturzerstörung und weiterer Entfremdung des Menschen von der Natur, so der Historiker und Philosoph Reinhard Falter. Die Folgen eines kollektiven Missverständnisses. 

Von Dr. Reinhard Falter, München

Der Religionsphilosoph Georg Picht hat bereits vor 40 Jahren dargelegt, warum wir Umweltprobleme nicht lösen, ja sie nicht einmal richtig sehen können: „Die Gesellschaft, in der wir leben, erträgt es nicht, dass es Gestaltungen geben soll, die sich ihrem Drang, alles in sich zu verschlingen und sich anzugleichen, entgegenstellen. Sie erträgt nicht die Eigengesetzlichkeit der Natur und destruiert deshalb die ökologischen Gefüge.“ 

Picht zufolge würde die moderne Bewusstseinsverfassung gesprengt, wenn sie Begriffe wie „Gott“ oder auch „Natur“ in ihrer wirklichen Bedeutung zuließe. Daher würden, so Picht, diese Begriffe massiv mit falschen Bedeutungen unterlegt oder ganz verdrängt. Von Picht stammt auch der Satz „Eine Wissenschaft, die zerstört, was sie zu erkennen vorgibt, kann nicht wahr sein.“
Zwar ist in den letzten Jahrzehnten immer hektischer agiert worden und die mit Umweltfragen beschäftigte Bürokratie sowie die Gängelung der Häuslebauer und Autofahrer sind enorm gewachsen, aber die Versiegelung, Verbauung und Verlärmung der Landschaft, die Vergiftung der Böden und des Grundwassers etc. nimmt weiter zu. 

Erfolgreich ist der Umweltschutz in Bezug auf die immer zahlreicher werdenden Beschäftigten, nicht aber mit Blick auf sein ursprüngliches Anliegen, das in wesentlichen Teilen gar nicht mehr verstanden wird. Als umweltfreundlich gilt die Verrohrung des letzten Baches (Wasserkraft) und Verspargelung des letzten Hügels (Windkraft), um damit die Leuchtreklamen und Elektroautos zu vermehren. Während das Dieselauto, das von seinem ökologischen Fußabdruck her viel besser ist, zur Gesundheitsgefahr erklärt wird (um Neuprodukte durchzusetzen), wird beispielsweise die Verlärmung sämtlicher Alpentäler durch Motorräder, die man just for fun fährt, nicht einmal thematisiert.

Es ist kein Zufall, dass der heute betriebene „Umweltschutz“ die Naturzerstörung noch steigert, und es ist auch kein Zufall, dass die Vertreter der Naturschutzverbände wie des BUND heute genauso typische „Vertretergesichter“ haben wie die anderer Interessengruppen auch. Solche Vertretertypen muss die Windkraftlobby gar nicht erst kaufen. Sie machen von sich aus das, was sich als erfolgreich darstellen lässt. Sie verstehen zudem überhaupt nicht, was Natur ist, denn sie kennen nur Stoffe und Dinge. Natur ist für sie messbar in Biomasse von Arten auf der roten Liste und angeblicher Naturzerstörung in Kilogramm CO2. Es ist symbolisch, dass mit dem Kohlenstoff das Element alles Lebendigen dämonisiert wird. 

Es ist symbolisch, dass mit dem Kohlenstoff das Element alles Lebendigen dämonisiert wird

Klimaschutz vs. Naturschutz

Eine Renaturierung eines Flusses, wie ich sie 1990 für die Isar angestoßen habe, wäre heute nicht mehr möglich und wird mit Billigung der „Naturschützer“ zugunsten von mehr Wasser für die Turbinen und einem aufwändig gebauten Umlaufgerinne heute wieder „verwässert“. Die Flussvernichter können heute jedes Bleiben unter dem Maximum an Ausnutzung als „klimaschädlich“ abwehren. Aber wer keine Flüsse, sondern nur noch Kanäle kennt, kann Natur nicht mehr von Unnatur unterscheiden. Und gerade beim Bemühen von Renaturierung lernt man viel über Natur. Der Satz „medicus curat, natura sanat“ (Der Arzt hilft, die Natur heilt) bringt gut die Haltung zum Ausdruck, die für Renaturierung nötig ist. Man kann Naturzustand nicht herstellen, aber man kann Hindernisse für die Selbstregulierungsfähigkeit beseitigen. Nicht ein Zustand wird hergestellt, sondern sein Rahmen beziehungsweise Raum gelassen. Das widerspricht freilich der modernen Tendenz zum Machertum, zur Kontrolle und Rechtfertigbarkeit. Demgegenüber steht das Vertrauen auf die Selbstheilungskraft.

Wie müsste eine Wissenschaft ansetzen, die nicht vom Einzelnen, sondern von den wirklichen und wirkenden Zusammenhängen ausgehen würde, von der Qualität von Räumen nämlich, oder von Raum und Zeit? Von Synchronizität als Zeitqualität und Atmosphäre als Raumqualität? Nur um die Richtung zu weisen: Wir bräuchten ein Naturverständnis, das Natur nicht als Gegenüber, sondern als unseren Rahmen versteht. Es reicht nicht, von „Mitwelt“ zu reden,  es geht um das, was uns ausmacht, was innen und außen zugleich ist. Es ist das, was die Antike die Götter nannte, denn – um ein Beispiel zu nennen – Mars war für den Römer sowohl das, was er im eigenen Wütendwerden als auch, was er im vom Hochwasser angeschwollenen Wildbach bemerkte.

Das Urlicht

Der Ruf nach einer anderen Naturwissenschaft ist so alt wie die erste grüne Welle, die Lebensreformbewegung um 1900. 1929 schrieb Hans Blüher, einer der Gründer der Wandervogel-Bewegung: „Die Naturwissenschaft hat den Lieblingsgedanken, dass die Natur eigentlich überflüssig sei, da man ja alles synthetisch herstellen könne.“ Er negiert systematisch den Satz von Leibniz, „dass alles, was die Natur geschaffen hat, vollkommen und toto genere verschieden sei von dem, was der Mensch schafft“; das Licht der Glühbirne hat nichts mit dem Licht der Sonne gemeinsam. Künstliches Licht gehört einer ganz anderen Welt an als das der Sonne. Das gilt physikalisch, aber auch existenziell oder philosophisch: Das Licht der Sonne ist „Urlicht“ oder „Licht der Natur“ im Sinn des Paracelsus, es ist von ihrer wärmenden und das Wachstum ermöglichenden Kraft nicht zu trennen. Heidegger nennt es die „Lichtung“. Wäre die Welt nicht schon gelichtet, wir könnten nichts erkennen, sowohl weil wir kein sonnenhaftes Auge hätten als auch, weil es nichts zu sehen gäbe. Alles Zusehende, das das Licht sekundär erleuchtet, ist in einer viel früheren Verwirklichung erst aus dem Licht gebildet. Das gilt nicht nur für die Pflanzen und ihren Lichtstoffwechsel und die Tiere, die davon sekundär leben, es gilt schon für den Stoff, dessen Urform Wasser besonders deutlich Lichtverwandtschaft zeigt.  

Je mehr wir es im Alltag ausschließlich mit Dingen zu tun haben, die in Kategorien der Natur gar nicht fassbar sind, desto mehr verlernen wir, in diesen Kategorien zu denken. Auch der Bauer denkt heute technisch kausal und damit hat er seinen Naturbezug und seine Würde verloren. Diese sogenannte Naturwissenschaft ist zudem immer stärker konzernmäßig organisiert und es geht ihren Mitarbeitern kaum um wirkliche Erkenntnis, sondern um technische Anwendung, Geld und Rang.

Klimawahn

Der absolute Kausalismus, wie er im Klimakatastrophenwahn seine Orgien feiert, ist der Versuch, Wesen und Dinge in Prozesse aufzulösen. Es heißt, vor Bäumen den Wald nicht sehen. Natürlich besteht der Wald aus Bäumen und ihren gegenseitigen Wirkungen, aber er ist auch selbst etwas, das heißt in Teilhabe an den Urphänomenen oder Göttern. Dies ist die senkrechte (überzeitliche oder synchronis-tische) Koordinate der Welt und diese wird im Kausalismus komplett negiert.

Der antike Mensch bildete Vorstellungen, wie es in diesem Reich (dem Olymp) zugeht, der moderne Mensch versucht den Zufall möglichst auszuschließen, auch schon begrifflich. Aus dem Wetter macht ein Modernist Klima als rein statistische Größe und negiert damit, was Georg Picht „Klangraum“ nannte: „In der technisch industriellen Gesellschaft hat eine Destruktion des Klangraumes stattgefunden, die (…) alles, was bisher Natur hieß, ebenso wirksam zerstört hat wie die Zerstörung der Landschaft und die Vergiftung von Wasser und Luft. Das Zentralproblem ist nicht die Belästigung durch Lärm, sondern die Zerstörung eines Gefüges von Konsonanten und Dissonanten (…) analog zum biologischen Gleichgewicht (…) Jede Veränderung des Klangraumes hat eine Veränderung der Seelenverfassung zur Folge.“  

Der nur noch zwischen Artefakten lebende und völlig hybrishafte postmoderne Mensch schließlich glaubt, das Klima sei regulierbar wie eine Heizung. Der Hass auf seine Abhängigkeit vom Klima – darauf, dass dieses ihn prägt und nicht er es – befeuert die Fantasie zur technischen Bemächtigung. Dieser Hass auf Natur wird gerechtfertigt damit, dass der Mensch (die ebenfalls der Verfügung des Einzelnen entzogene gesellschaftliche Dynamik) an der angeblichen Klimakatastrophe schuld sei.

Die Natur-Zerstörung auf den Simplizitätsnenner „Klima“ zu bringen, ist selbst Teil der Durchsetzung von Wirtschaftsinteressen, die wechseln können. War es doch in den Achtziger Jahren noch die Atomindustrie, die sich des Arguments bediente. Es hat aber nie einen sich frei nennenden Staat gegeben, der wie der heutige die Glühbirnen, Kaminrohre und Heizungsventile normiert, aber Motorradfahren und Billigfliegen nicht einschränkt. 

Trotzdem ist fast der gesamte organisierte Naturschutz in der Hoffnung auf durchgreifende Maßnahmen oder wenigstens mehr mediales Gehörtwerden auf den Zug aufgesprungen und beteiligt sich am Lügengebäude, womit er langfristig seine Glaubwürdigkeit verspielt. 

Das Licht der Sonne ist von ihrer wärmenden und das Wachstum ermöglichenden Kraft nicht zu trennen.

Die Interessenkoalition

Die Klima-Interessenkoalition besteht aus:

1. Medien, die Horrormeldungen brauchen und vom Kitzel des Erhabenen leben. Der Kölner Dom unter Wasser ist da zugkräftiger als ein paar tote Vögel oder eine zubetonierte Landschaft.

2. Naturwissenschaftlern, die Gel-der brauchen oder sich medial Aufmerksamkeit verschaffen wollen wie der TV-Physiker Harald Lesch, der weder von Natur noch noch von Philosophie etwas versteht, aber an der Münchner Jesuiten-Hochschule einen Lehrauftrag für Naturphilosophie innehat.

3. Bürokraten, die neue Aktionsfelder brauchen.

4. Politikern, die neue Steuern einführen und die die unbequeme Umweltbewegung auf ein beliebig manipulierbares Feld schieben wollen, sodass nicht mehr Sachfragen, sondern Interessen die Hauptrolle spielen.

5. Versicherern, die wegen angeblicher Risiken ihre Beiträge erhöhen wollen. 

6. Der Atomlobby und Lobby der so genannten erneuerbaren Energien gleichermaßen.

7. Handwerkern, die Aufträge brauchen.

8. Spekulanten, die einen neuen Markt brauchen .

9. Naturschützern, die hoffen, jetzt endlich ein globales Argument zu bekommen, statt auf lokaler Ebene gegeneinander ausgespielt zu werden.

Die Anfälligkeit von Naturschützern für die Klima-Ideologie und naturfeindliches Denken speist sich auch daraus, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der „Klimaskeptiker“ (besser: Dissidenten) gegenüber der geforderten Zivil-Erlösungsreligion tatsächlich wirtschaftliche Interessen vertritt (aber die Gegenseite auch) oder gar bekannte neoliberale Ideologen sind. Natürlich ist einem gutwillig-unbedarften Zeitgenossen ein Al Gore mit seiner Menschheitsrhetorik erst einmal näher als ein Vaclav Klaus, dem es nur um billiges Wachstum geht, aber es könnte sein, dass die Interessen, die hinter Gore stehen, für die Natur viel schädlicher sind als die des klassischen Liberalen. 

Doch schließlich sitzt der Naturschützer doch wieder mit den Mittelstandsvertretern in einem Boot. Denn die mit dem Klimawahn gerechtfertigten Auflagen sind eine Form, Konzentration zu fördern. Der Atmosphärenphysiker Richard Lindzen sagt: „Die Großindustrie will Restriktionen, aber sie selbst bestimmen; alle Firmen sollen die gleichen bekommen und einen langen Vorlauf haben, damit sie die Kosten kalkulieren und auf ihre Kunden abwälzen können.“ Heißt: Letztlich handelt es sich um eine zusätzliche Begünstigung der kapitalkräftigen global agierenden Konzerne gegenüber lokalen mittelständischen Unternehmen.

Bequemer Sündenbock

Wichtig für die Durchsetzbarkeit der Klimatheorie war, dass sie auch Bildzeitungslesern vermittelbar war, weil sie einen einzigen Parameter als Sündenbock hatte und weitreichende Verschiebbarkeit der Schuldzuweisung nach politischen und wirtschaftlichen Interessen ermöglichte. So sind zunehmende Überschwemmungen von bebauten Gebieten in Mitteleuropa überwiegend darauf zurückzuführen, dass in ehemalige Flussauen hineingebaut wurde. Dafür den angeblichen Klimawandel verantwortlich zu machen, entlastet die Lokalpolitiker, die dergleichen genehmigt haben. Die Klimakatastrophentheorie ist die ideale Ausrede für ein System organisierter Verantwortungslosigkeit. Hans Joachim Lüdecke schreibt: „Den Weltuntergang durch menschenverursachtes CO2 zu vermeiden, wird die Erlösungsformel des 21. Jahrhunderts werden, denn hiermit wird der Wähler glauben gemacht, seine Schuldigkeit an der Schädigung der Natur abgegolten zu haben.“

Heute feiert die Hybris, der Mensch spiele in der Liga der Grundkräfte der Natur mit, gerade bei den „Grünen“ Triumphe. Die Klimaideologie ist aber nicht erst durch ihre Praxis, sondern auch schon in ihrer Theorie naturfeindlich und darum naturschutzfeindlich, denn Natur ist nicht Status quo, sondern Selbstgestaltungskraft. „Natur ist Veränderlichkeit, aber gerade nicht Veränderbarkeit(Michael Beleites). „Klima“ ist bereits als Begriff problematisch, denn er macht ein Grundphänomen der Natur, das wir Wetter nennen, zu einer nicht mehr erlebbaren, sondern statisch-statistischen Angelegenheit. Was in Wirklichkeit Wirken und Walten (das ist überhaupt die Seinsweise der Natur) ist, wird hier zu einem „Status“ depotenziert, wo das Individuelle, der Ort und der Moment nur statistisch zählen  (wie in der sogenannten Demokratie der Einzelne). „Wetter“ wird zu „Unwetter“ (nämlich nicht das Wetter, das sich der Mensch wünscht). Es erscheint als die Ausnahme von einer Konstanz, die es eben in der Natur nicht gibt.  

Die einzig richtige Art, vom Klima zu reden, ist, es nicht als gemacht (Resultat) sondern ausmachend zu zu verstehen. So prägen zum Beispiel Landschaft und Klima die menschlichen Kulturen. Das wirkende Klima ist sowohl durch das Pflanzenkleid eines Raumes gemacht wie auch dieses vom Klima bedingt ist.

Der völlig hybrishafte postmoderne Mensch schließlich glaubt, das Klima sei regulierbar wie eine Heizung.

Natur ist Wandel

Was heute Klimaschutz heißt, ist, selbst wenn er möglich wäre – kein Naturschutz, sondern das Gegenteil. Klimawandel ist das natürlichste von der Welt. Natur ist Wandel und zwar – um es zu wiederholen – Veränderlichkeit, nicht Veränderbarkeit. Und die Natürlichkeit und Unausrottbarkeit der Schwankungen  bedeuten, dass der Mensch mit seinen Projekten Sicherheitsabstände einhalten muss und nicht immer an den äußersten Grenzen des gerade noch Möglichen wirtschaften kann, weil das eben morgen jenseits der Grenze ist. Genau dieses Ausschöpfen bis zum Letzen ist aber die Mentalität der Ökonomen und Berechenbarkeitsfanatiker.

Die Vorstellung, der Klimawandel sei anthropogen und lasse sich aufhalten ist Teil der Selbstüberschätzung des sich im Anthropozän wähnenden Menschen und seines Unwillens anzuerkennen, dass er nicht Macher in kosmischen Dimensionen ist, dass er weder in der Liga der Schöpfungsmächte noch in der Liga der Eiszeiten und Sonnenaktivitätsphasen spielt. Selbst beim Wetter oder bei Lawinen sucht der heutige Super-Moralismus sofort den Sündenbock, wenn nicht einen, der es ausgelöst hat, so einen, der es verhindern oder die Folgen hätte minimieren können.

Der Philosoph Heinrich Rombach hat bereits 1994 darauf hingewiesen, dass die Vorstellung von anthropogener Klimaveränderung Teil der Selbstüberschätzung des Menschen ist, die die „ökologische Krise“ ausgelöst hat, und keineswegs ihr Heilmittel. Der heute durchschnittlich ungebildete Zeitgenosse glaubt, der Mensch sei der Klimafaktor Nummer 1, von den eiszeitlichen Schwankungen hat er keine Vorstellung. Das ist für ihn plausibel, weil seine Welt eine ist, in der menschliche Machwerke dominieren und weil alles andere eine Kränkung seiner Wichtigkeitsvorstellung wäre.

Hybris

Das Unternehmen, die Erdtemperatur auf den willkürlich gewählten Wert des Jahres 2000 zu stabilisieren ist schlicht Hybris. Hier schlägt Bewahrung in Zementierung um, Wertkonservativismus in Strukturkonservativismus. Betonieren ist immer der Gegensatz von Fließen-Lassen. Ob das Betonieren dazu dienen soll, dass alles bleibt, wie es ist (Hochwasserschutz), oder dass alles anders läuft (Kraftwerksnutzung), ist sekundär, beides vernichtet den natürlichen Fluss, das Grundbild der Natur, und verlangt immer weitere Eingriffe, um das künstlich Geschaffene, was keine Selbsterhaltungskraft hat, zu stabilisieren. 

Das Klimastabilisierungsunternehmen gehört zu den Projekten, deren Zweck die Rechtfertigung des Systems der organisierten Unverantwortlichkeit – euphemistisch Weltgemeinschaft genannt – mit idealistisch klingenden, aber unerfüllbaren Zielen ist, so wie die Schaffung überall gleicher Lebenschancen, auch das von den „Grünen“ am ignorantesten vertreten. Die sogenannte Klimaschutzpolitik ermöglicht das Weitertreiben der Naturzerstörungspolitik. Das denkerische Problem ist wieder das schon genannte: Natur wird als Gegenüber statt als Rahmen missverstanden (kausal statt struktiv). 

Die Theorie vom angeblich menschengemachten Klimawandel fragt nicht danach, ob Naturprozesse uns etwas zu sagen haben, sondern sie unterliegt ganz der Vorstellung von einer gefährlichen menschenfeindlichen Natur, die technisch zu kontrollieren ist. Die daraus folgende Praxis ist kein Mitbewegen und Antworten, sondern ein wilder Aktionismus, der überwiegend auch ganz andere (wirtschaftliche) Motive hat. Niemand fragt, ob uns die Natur etwas zu sagen hat – freilich tut sie das nicht so wie ein predigender Pfarrer. 

Selbstregulation

Die Schwankungen des Klimas innerhalb der nacheiszeitlichen Bandbreite – aber in einem größeren Zyklus auch mit den Eiszeiten – sind gerade Zeichen der Selbstregulation, sie sind Rhythmus. Stattdessen behandeln wir sie wie ein Aus-dem-Takt-Kommen einer Maschine. Der Vergleich mit dem Fieber ist nicht völlig abwegig, aber nur, wenn das Fieber auch als Selbstregulation begriffen wird. 

Es ist sogar plausibel, dass die sogenannte Klimakatastrophe gar keine Katastrophe ist, sondern ein Selbstheilungsversuch von „Gaia“. Damit wird dem homo sapiens die Ruhe entzogen, die er nach der letzten Eiszeit genutzt hat, um sich das dominium terrae (der biblische Herrschaftsanspruch des Menschen) anzumaßen. Nicht das Überleben des Menschen, der auch die Eiszeiten überlebt hat, ist gefährdet, sondern die missbrauchte Sorglosigkeit.

Nur die gemütliche und berechenbare Natur Europas konnte zu dem abendländischen Aufschwung der Technik führen, der mit der Globalisierung auch in Regionen exportiert wurde, in denen die Natur weniger tolerant gegenüber Eingriffen ist. Dem Verlust der politischen Dominanz Europas folgt der Verlust der Dominanz der europäischen Lebensform. Die europäische Technik stellt sich zunehmend als nicht universalisierbar heraus.

Der Klimawandel konfrontiert auch den Menschen der mitteleuropäisch zahmen Region mit stärkeren Schwankungen, damit verdrängt er die modische Ideologie einer kontrollierbaren oder gar nicht als eigenständige Größe vorhandenen Natur. Dazu kommen weitere Segnungen im kleinen: Er drängt den Wintersportwahn zurück, verdrängt die Fichte aus den Ebenen, beschert warme schöne Sommer und regenreiche Winter und Frühjahre. 

Der Klimawandel vollzieht sich dabei in einer Zeitdimension, die auf schleichende Gewöhnung, nicht auf Gegenmaßnahmen angelegt ist. Das sollten wir zu verstehen anfangen. Es steht hier Qualität, die nur der Urteilskraft, aber nicht der quantifizierenden Theoriebildung zugänglich ist, gegen Quantität, Nichtmessbares gegen Messbares, Eisvogel und Erholungswert von Landschaften gegen Kilowattstunden „CO2-freien Stroms“. Es geht um den Primat des Nächsten gegenüber dem Fernen, um Subsidiarität und Abstufung der Verantwortung. 

Autor

Reinhard Falter
Reinhard Falter
Dr.

Dr. Reinhard Falter studierte Geschichte und Philosophie. Seine Magisterarbeit „80 Jahre Wasserkrieg“ wurde in dem Sammelband „Von der Bittschrift zur Platzbesetzung. Konflikte um technische Großprojekte“ (1988) veröffentlicht. Seine Promotion wurde als Buch „Natur neu denken“ (2003) verlegt. Von 1990–1995 war Reinhard Falter Initiator der Isarrenaturierung zwischen Icking und Baierbrunn. 

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