Der älteste Atlas der Welt

Sternbilder als GPS des Altertums

Jeder hat sich bestimmt schon mal gefragt, warum die 48 antiken Sternbilder so und nicht anders aussehen. Ihre Formen scheinen völlig wahllos und willkürlich zu sein. Eine auch nur entfernte Übereinstimmung mit ihren Namen – etwa Wassermann, Löwe, Adler oder Delphin – ist nicht erkennbar. Die Wissenschaft tappt da ziemlich im Dunkeln. Erst der Kulturhistoriker Dr. phil. Kai Helge Wirth hat eine in sich schlüssige Theorie aufgestellt: Die Sternbilder dienten der Navigation im Altertum, indem sie die Küstenverläufe am Himmel nachzeichnen. 

Von Dr. Kai Helge Wirth

Haben Sie beim Blick in den nächtlichen Himmel auch schon mal gedacht: Man findet sie einfach nicht, wo sind sie denn? Wieso erkennt man die meisten Sternbilder so schlecht? Ich verrate Ihnen etwas: Sie sagen das völlig zurecht! Schon der berühmte deutsch-britische Astronom William Herschel (1738–1822) war der Meinung, dass die Sternbilder nur am Himmel installiert wurden, um das größtmögliche Chaos zu verbreiten. Sie sehen so aus, als ob hinter ihren scheinbar unlogischen Formen eine ganz andere Absicht gestanden hat, als anschauliche Bilder zu zeichnen. Welches Geheimnis aber steckt dahinter?

Auch der britische Physiker und Mathematiker Isaac Newton (1642–1726) erkannte, dass Sternbilder nicht einfach „natürlich“ vorkommen. Er trug in seinem Werk: „Chronologia“ antike Quellen zusammen und bemerkte, dass dort klare Aussagen zum Sternbilddesign humaner Provenienz vorlagen. Nach diesen Überlieferungen waren es Seefahrer, die das Sternbilddesign festlegten. Sogar der Grund dafür wird in den Quellen expressis verbis genannt! 

So schildert Newton nach der Lektüre von Apollonios, Eudoxos und anderen, dass die Sternbilder, „die schon so ausgesehen haben sollen, wie wir sie heute noch kennen“ 1 von diesen Seefahrern an den Himmel als Winkel- und Streckensysteme projiziert worden sind, „damit sie sich nach der Sintflut besser auf den Weltmeeren zurecht finden können.“ 

In der griechischen Mythologie war es der Lehrer der Argonauten, der Kentaur Cheiron, der die Sternbilder entwarf. Nach seiner Karte konstruierte Musaios, der Steuermann der Argo, dann einen Globus mit jenen Sternbildern.  Doch wie genau funktionierte dieses Orientierungssystem? Diese Frage konnte Isaac Newton nicht mehr lösen. Es blieb ein großes Geheimnis – bis vor Kurzem. 

Denn mir gelang es, das sagenumwobene System in den Sternbildformen komplett zu entschlüsseln. 

Auf die Erde projizierte Sternbilder, so wie sie der Lage und Reihenfolge nach am Himmel stehen

Sumerische Quellen

Ich erkannte den Wert der Analyse Newtons und fand weitere Quellentexte, die Newton noch nicht zu Verfügung standen. Zum Beispiel das auf Sumer – der ältesten bekannten menschlichen Hochkultur – zurückgehende Gilgamesch-Epos. Das ist die älteste Überlieferung der Menschheit. Alle alten Quellentexte machen die gleichen Aussagen über den Zweck des Sternbilddesigns.

Die Sumerer sprachen von einem großen Teil der Sternbilder als „Wege des Meeresgottes“ oder einfach „das Meer“. Zwei völlig unabhängige Quellen sagen also, dass hier Seewege beziehungsweise Navigationshilfen dargestellt wurden. Und beide stehen im Zusammenhang mit der Zeit direkt nach der „Sintflut“. 

Meine weiteren Nachforschungen enthüllten noch etwas weitaus Erstaunlicheres: Die damals konzipierten Sternbilder sind teilweise auch mit den Strömungsverläufen (also potentiellen Seewegen) auf der Erde hochgradig deckungsgleich. Nördliche Sternbilder auf dem Norden der Erde, südlichere Sternbilder in den südlicheren Gefilde auf der Erde.

Nach 30 Jahren Forschung bin ich mir absolut sicher: Hier liegt klar ein vorzeitliches nautisches Orientierungssystem vor, dass die kompletten Seewege anhand von Strömungsdarstellungen zeigt!  

Die Basis für diese Erkenntnis sind:

• Berichte der ältesten Quellen über den Ursprung der Sternbilder
• Messbare Designparameter wie:
1. Lage,
2. Ausrichtung,
3. Linienrhythmus,
4. Größe,
5. Winkelverhältnisse,
6. Proportionalität,
7. Positionierung der Einzelnformen zueinander,
8. Bezeichnungen.

Meine Theorie ist gut begründet und kann Einwänden standhalten, die etwa aufgrund etwaiger Veränderungen der Sternpositionen (Autokinese), postglazialen Veränderungen der Küstenformen sowie kulturanthropologischen Voraussetzungen (Fähigkeit zur Astronomie, Seefahrt usw.) erhoben werden könnten. Sogar das Vorhandensein ganz ähnlicher, teils identischer bronzezeitlicher Artefakte, Bauwerke, religiöser Techniken an den Küstengebieten der kartographierten Regionen bis nach Polynesien und Hawaii fügt sich nahtlos ein. Bislang ging die Forschung mangels Beweise für eine Verbindung zwischen den Kulturen stets von zufälligen Ähnlichkeiten aus.

Das bronzezeitliche System funktioniert desgintechnisch wie bei Darstellungen von Kreuzfahrtrouten: Punkte, Strecken, Längen, Breiten und Winkel ergeben Formen, die strukturiert sind wie Segelrouten. 

Ausschnitt aus dem nördlichen Sternenhimmel ohne Linien zwischen den ausgesuchten Sternen
Diese Gravur wurde von Forschern als Mond bezeichnet! Erst der Einsatz der Seitenbeleuchtungstechnik während meiner kunstwissenschaftlichen Analyse zeigte die vielen markanten Details.
Drei der Sequenzen zeigen die Formen der Sternbilder, die die Wege zwischen Mittel- meer und Schwarzem Meer zeigen
Eine Replik des Fundstücks mit eingedunkelten Gravuren
Hier handelt es sich um eine hochseetüchtige so genannte Vogelbarke, wie die frühesten Phönizier sie für die Seefahrt nutzten. Grafische Synopse aus Aufnahmen der Gravur unter verschiedenen Lichtverhältnissen.
Im Süden existieren keine antiken Sternbilder und kaum Funde

Gigantisches Puzzle

Es sind keineswegs lediglich einzelne Sternbilder, die zu irgendwelchen einzelnen Strömungen vielleicht nur zufällig passen würden. Vielmehr hängen sie wie ein exaktes Puzzle zusammen. Nördliche Strömungen werden folgerichtig durch Sternbilder im Norden dargestellt, wie etwa Drache und Großer Bär, die sich in Polnähe in der gleichen Weise gegenüberliegen wie der Ostgrönlandstrom dem Nordmeer. Schräg unter dieser Region wurden die Sternbilder Bootes und Corona genau dort positioniert, wo auf der Erde die britischen Inseln liegen, deren Küstenlinien sie nachzeichnen.

Weiter südlich sind die anderen Strömungen und Küstenlinien zu finden wie Skorpion, Jungfrau und Löwe, die Mittelmeer und Schwarzes Meer darstellen. 

Ich war jedenfalls angesichts der Übereinstimmung von Sternbildern und Küstenlinien völlig baff. So ähnlich muss Jean-Francois Champollion empfunden haben, als er die ersten Hieroglyphen des Steins von Rosetta entzifferte und damit die Grundlage für die wissenschaftliche Erforschung des alten Ägyptens legte. Denn in gewisser Weise habe auch ich zwei „Schriften“, die ich miteinander verglichen habe, entziffert. Es war einer der schönsten Momente meines Lebens! 

Älteste Tierkreis der Welt gefunden 

Die völlige Neudeutung eines Fundes auf Malta könnte den ersten archäologischen Beweis für Sir Isaac Newtons und meine Thesen darstellen. Die Abbildung des Tal Quadistones (?) in einem Reiseführer und seine Deutung machten mich stutzig. Ich reiste nach Malta und untersuchte das Fundstück gründlich. Dabei stieß ich durch die Anwendung einer speziellen Seitenbeleuchtungstechnik auf zusätzliche Gravuren, die vorher übersehen worden waren. Bei näherer Betrachtung zeigte sich, dass auf dem Stein eine so genannte Vogelbarke umgeben von Sternbildern dargestellt ist. Dieser Bootstyp kommt nur bei Philistern und frühen Phöniziern vor. Bei den dargestellten Sternbildern handelt es sich konkret um Löwe, Jungfrau und Skorpion. Genau diese Sternbilder bilden das Mittelmeer und das Schwarze Meer ab! 

Das Schiff wurde auf der Gravur unweit der Stelle positioniert, die in etwa die Gegend des Fundortes Malta zeigt. Zur Zeit der Entstehung der Sternbilder, die von dem deutschen Historiker Werner Papke (geb. 1944) auf 1450 v. Chr. datiert wird, waren Vogelbarken im Mittelmeer schon dadurch bekannt, dass Phönizier genau um 1450 v. Chr. eine Flotte bauten, um das Mittelmeer zu erkunden. So kamen sie auch nach Malta.

Autor

Helge Wirth
Kai Helge Wirth
Dr. phil.

Dr. phil. Kai Helge Wirth, Anthropogeograf und Kunst-wissenschaftler, beschäftigt sich seit über 30 Jahren intensiv mit seiner Entdeckung vom Atlas in den Sternbildern. Hierzu schrieb er bislang drei Bücher(erhältlich bei artandscience.de). Auf seinem Youtube-Kanal entstand ein Projekt, das kritische Punkte aufgreift (Kanal: „helge wirth“).