Die Fähigkeiten von künstlicher Intelligenz sind bereits extrem weit fortgeschritten. Inoffizielle Versuche zeigen, dass moderne Sprachmodelle den „Turing-Test“ in Gesprächen durchaus bestehen können. Dabei unterhält sich ein Mensch mit einem verborgenen Partner, ohne zu wissen, wer oder was sein Gesprächspartner ist. Kann der Mensch anschließend nicht entscheiden, ob sein Gegenüber ein biologischer Mensch oder ein Computerprogramm ist, gilt der Turing-Test als bestanden. Eine solche Leistung ist angesichts der immensen Bedeutungsvielfalt von Sprache für viele kaum noch nachvollziehbar. Diese hochentwickelte Mustererkennung und eine gewisse Fehlertoleranz wurden nur möglich, weil das menschliche Gehirn mit seiner hochgradig plastischen und dynamischen Struktur selbst über ähnliche Fähigkeiten verfügt.
Lassen Sie den folgenden Textabschnitt mal ganz entspannt auf sich wirken, ohne dass Sie bewusst nachdenken:
D1353 P4554G3 50LL D4ZU D13N3N, ZU B31W3153N, W13 KR455 UN53R G3H1RN 15T! 4M 4NF4NG W4R‘5 5CHW3R, 4B3R J3TZ7 L1357 DU D45 H13R G4NZ 4U70M4715CH. D31N G3H1RN V3R574ND D45, OHN3 D455 DU D1CH 4N574R3NG5T. 531 570LZ! NU12 B3571MM73 L3173 KÖNN3N D45 L353N. 731L3 35, W3NN DU D45 K4NN57!
Ihr Gehirn – genauer gesagt Ihre neuronalen Netzwerke – werden wahrscheinlich nach einigen Sekunden automatisch anfangen, diesen „Leetspeak“ genannten Text zu entschlüsseln. Zunächst entziffern Sie einzelne Zeichen und Silben, und dann springt plötzlich das ganze Muster ins Auge: Der Text ergibt Sinn, und Sie können ihn flüssig lesen. Diese erstaunliche Fähigkeit, in einem verzerrten oder unvollständigen Signal Muster zu erkennen, ist eine grundlegende Eigenschaft neuronaler Netze. Man sieht an dem Beispiel auch, dass dies quasi „von allein“ geschieht – ähnlich wie das autonome Nervensys-tem seine Aufgaben erfüllt. Dafür ist kein „Bewusstsein“ erforderlich, sondern nur das koordinierte Zusammenspiel eines ausreichend großen dynamischen Netzwerks – sei es ein biologisches Neuronenensemble oder ein künstliches neuronales Netz (das letztlich auf Verschaltungen von Transistoren beruht). Beide nutzen Kontext und gespeicherte Erfahrungen bzw. Daten, um Bedeutung zu rekonstruieren.
Die Fähigkeit, in gestörten oder unvollständigen Signalen Muster zu erkennen, hat dem Menschen einen entscheidenden Vorteil gegenüber vielen anderen Lebewesen gebracht. Letztlich beruht jede Erfindung auf einer Neu-Interpretation eines bekannten Musters und damit auf neuronaler Aktivität, die meist unwillkürlich abläuft. Plötzlich ist sie da, die Idee – doch woher sie kam, bleibt das faszinierende Geheimnis unserer Kreativität
