Intuitiv tendieren wir dazu, das Herz als Zentrum von Körper und Seele wahr-zunehmen. Laut Medizin ist das Herz jedoch in erster Linie ein muskuläres Hohlorgan, das Blut durch den Körper pumpt. Der Arzt Markus Peters regt anhand von Entdeckungen aus verschiedenen Forschungsbereichen dazu an, unseren Blick auf Blut und Herz grundlegend zu überdenken. Er bringt uns die Eigenkraft der Blutbewegung nahe sowie die Verbindung des Herzens zur Seele.
Für den Großteil der Menschen wird sich die Frage nach der Aufgabe des Herzens nicht stellen, es pumpt das Blut durch den Körper. So habe ich es auch im Medizinstudium gelernt. Und ja, das Herz hat einige Pumpenaspekte, aber erklärt das Herz die Entstehung des Blutflusses ausreichend und abschließend? Zweifelsohne erzeugt das Herz einen Druck, den Blutdruck. Nun, wer darüber nachdenkt und anfängt Fragen zu stellen, dem kommen irgendwann Zweifel:
Ein kritischer Blick auf die gängige Vorstellung
Das Blut ist eine Flüssigkeit mit rund 40 Prozent zellulären Bestandteilen, es ist also kein quirliges Quellwasser. Dieses soll durch eine faustgroße Pumpe, potenziell wartungsfrei, bis zu 80 Jahre und länger durch ein Gefäßsystem befördert werden, welches eine unglaubliche Länge aufweist? Je nach Literatur wird diese Länge mit 60?000 km (dem 1,5-fachen Erdumfang) oder gar dem 2- bis 3-fachen Erdumfang beschrieben. Dazu sind die Kapillaren zum Teil auch noch gefenstert, das heißt offen in ihre zelluläre Umgebung. Dies alles soll das Herz alleine meistern?
Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass die Echokardiographie, also die Ultraschalluntersuchung des Herzens, einen magischen Sog in die Sichtweise des Herzens als Pumpe auslöst. Auch das Krankheitsbild der Herzschwäche, welches der Autor aus eigenem Erleben in seiner ganzen Dramatik kennt, legt den Gedanken des Herzens als Pumpe nahe.
Der Ursprung der Blutbewegung
Stellen wir uns zuerst die Frage, ob es weitere Phänomene gibt, die auf den Ursprung der Blutbewegung hinweisen. Da sind etwa verschiedene wirbellose Tiere zu nennen, die zwar sehr klein sind, aber dennoch einen Kreislauf mit einer Blutbewegung ohne Herz aufweisen, wie etwa bei der Seewalze, die in der Tiefsee anzutreffen ist. Gehen wir in der Evolution weiter: Auch einige niedere Tiere (Fische) haben zwar eine Blutbewegung, aber noch kein Herz. Machen wir jetzt einen Sprung an Land zu den Schlangen: Sie bilden ein Schlauchherz aus, welches sich dann in der weiteren Evolution der Säugetiere mehrfach in sich dreht und die bekannten vier Kammern ausbildet.
Es sind verwirrende vielfältige Beobachtungen, die wir in der Evolution bzw. Biologie anstellen können, sie verweisen jedoch auf einen wesentlichen Aspekt: Für die Blutbewegung ist ein Herz nicht zwingend notwendig. Dies zeigt sich auch in der Embryonalentwicklung vom Menschen, wo wir ebenfalls als erstes die Blutbewegung beobachten können. Aus dem strömenden Blut bilden sich die Gefäße, die sich dann mit dem sich pa-rallel entwickelnden Herzen verbinden. Das ist ein sehr wichtiger Punkt: Die Gefäße und das Blut entwickeln sich embryologisch aus der gleichen Anlage, dem Mesoderm, dem mittleren der drei Keimblätter. Dabei sind zuerst die Blutzellen da, die eine Eigenbewegung zeigen. Diese Eigenbewegung kommt dann stellenweise zur Ruhe und es bilden sich die Gefäße. Gefäße sind gleichsam geronnenes Blut!