Die Eibe: Hüterin der Schwelle

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Mythos, Symbolik und die stille Kraft des Weltenbaumes

Artikelnummer: rz-258-13 Kategorien: ,

Die Eibe begleitet die Menschheit seit Jahrtausenden still, unscheinbar und doch von großer Kraft. Ihre dunklen Nadeln, ihre ungewöhnliche Erneuerungsfähigkeit und ihre uralte Symbolik verbinden Naturkunde mit Mythologie. Der Ethnobotaniker Fred Hageneder zeigt, weshalb er die Eibe als unseren Weltenbaum betrachtet.

Im deutschen Sprachraum ist die Eibe den meisten Menschen nur als unscheinbarer Busch oder mehrstämmiger kleiner Baum bekannt, der allenfalls durch seine leuchtend roten Beeren heraussticht. Man ahnt nicht, ein Individuum jener Baumart vor sich zu haben, die die reichste und vielseitigste Kulturgeschichte in sich trägt, bis hin zu den Mythologien vom Weltenbaum oder Baum des Lebens. Was macht die Eibe zu einem derart besonderen Baum?

Naturgeschichte

Fangen wir von vorn an. Die Eibe als Spezies ist, wie alle Baumarten, älter als der Mensch, viel älter. Tatsächlich ist die Eibe (Taxus baccata) die älteste einheimische Baumart Europas. Ihre Gattung reicht 15 Millionen Jahre zurück, ihre Vorfahren stammen aus der Jurazeit. Das heißt, dass so wie sich in der Evolution Schmetterlinge und Pflanzenblüten zusammen entwickelt haben, die Eibe begann, nahrhafte rote Früchte zu tragen, als der Flugsaurier Archaeopteryx zum Vorfahren aller Vögel wurde. Noch heute sind Vögel die wichtigsten Verbündeten der Eibe in den Ökosystemen, insbesondere Singvögel, vor allem Stare und Drosseln. Mischwälder mit Eiben haben deutlich höhere Vogelpopulationen als Waldgebiete ohne Eiben. Das Fruchtfleisch ist sehr energie- und nährstoffreich: Vitamin C sowie Mineralstoffe wie Calcium, Magnesium, Phosphor, Zink und viele mehr. Die Vögel danken es, indem sie die Samen weit verbreiten. Es gibt keinen Aspekt der Botanik von Taxus, der Eibe, der nicht ungewöhnlich oder sogar provokativ wäre. So handelt es sich um einen Nadelbaum (Konifere = zapfentragend ), der keine Zapfen bildet, sondern stattdessen eine süße, saftige rote Frucht botanisch Arillus um den Samen herum entwickelt. Baccata bedeutet beerenartig .

Herkunft und Lebensraum

Die Eibe kommt in der gesamten nördlichen Hemisphäre als Einzelbaum oder in Gruppen in gemäßigten Wäldern vor. Dabei ist auffällig, dass sie außergewöhnlich anpassungsfähig ist: Sie gedeiht am besten in Regenwäldern wie in Irland, übersteht aber auch die Winter Südschwedens und die Hitzeperioden in Spanien oder Sardinien.

Taxus ist in vielerlei Hinsicht ein archaischer Baum, ein wirklicher Ur-Baum, mit einzigartigen Überlebensstrategien. Dazu gehört die Fähigkeit, unter extrem schlechten Lichtverhältnissen keimen und wachsen zu können, als auch die Fähigkeit, spezialisierte Lichtnadeln und Schattennadeln auszubilden, sodass sich ein Baum an den sonnigen Freistand aber auch extreme Beschattung, zum Beispiel durch ältere, größere Bäume oder steile Felswände anpassen kann. Ein weiterer Sicherheitsmechanismus der Eibe ist ihre Giftigkeit. Alles am Baum, außer den roten Samenmanteln, ist giftig, auch für den Menschen. Das schützt vor Fraßfeinden aus dem Tier- und Insektenreich.