Meinungsfreiheit in Deutschland? Nur für Mutige. Dr. Michael Andrick erklärt, warum immer weniger Menschen offen sprechen, wie Moralisierung zu indirekter Zensur wird und was das für unsere Gesellschaft bedeutet.
raum&zeit: Herr Dr. Andrick, der Begriff gesellschaftliche Spaltung wird zurzeit medial oft verwendet. Sie haben eine etwas andere Sicht darauf. Wie definieren Sie diesen Begriff?
Dr. Michael Andrick: Oft wird Spaltung als ein tragischer Endzustand betrachtet. Die Gesellschaft ist zersplittert, kaputt, die einzelnen Teile reden nicht mehr miteinander und es ist eigentlich nur noch eine Frage der Zeit, bis es zu Gewalttätigkeiten kommt. Das halte ich für ein nicht nur falsches, sondern auch ein unproduktives Verständnis von Spaltung. Spaltung ist auch eine Tätigkeit. In meinem Buch Im Moralgefängnis geht es ganz wesentlich darum, zu erklären, worin spalterisches Handeln eigentlich besteht, woran man es erkennt und wie man es abstellen kann.