Europa neu denken

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Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Ulrike Guérot im Gespräch

Artikelnummer: rz-258-05 Kategorien: ,

Europa steckt in einer tiefen Krise: Statt auf Frieden und Einheit setzt die EU zunehmend auf Aufrüstung und Kriegsrhetorik. Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot blickt im Gespräch mit raum&zeit auf drei Jahrzehnte europäische Politik zurück, erklärt, wo der Traum eines gemeinsamen Europas scheiterte und warum sie eine Europäische Republik für die einzige zukunftsfähige Vision hält.

raum&zeit: Wo stehen wir gerade als Europa im Weltgeschehen?

Prof. Dr. Ulrike Guérot: Zunächst einmal ist eines unserer größten Probleme, dass wir immer die EU und Europa miteinander verwechseln und unsere Wahrnehmung sehr von dem geprägt ist, was die heutige EU ist und was sie tut. Aktuell waren einige Spitzenvertreter der EU in Washington und verkündeten, dass Russland immer unser Feind sein wird und wir in den Krieg müssen. 2029/30 soll das Programm ReArm Europe was jetzt Readiness 2030 heißt fertig sein. Im Moment ist es tatsächlich so, dass auf der operativen Seite viele Politiken, Finanzmittel, Bewaffnungsstrategie, European Digital Service Act und Kontrollmechanismen in Stellung gebracht werden, um buchstäblich kriegstüchtig zu werden. Das fängt damit an, dass man Gefreite im Schulunterricht einbindet, dass man Bunker baut usw. Alle anderen EU-Inhalte, wie europäische Agrarpolitik, Klimaagenda, Green New Deal etc. fallen gerade unter den Tisch.

EU und NATO im Gleichschritt

r&z: Geht es also in der EU-Politik derzeit nur noch um Kriegstüchtigkeit?

U. G.: Ja, und dazu gehört natürlich auch, dass im Moment sichtlich eine Kongruenz hergestellt werden soll zwischen NATO- und EU-Mitgliedschaft. Schweden und Finnland waren zum Beispiel früher nicht in der NATO, aber in der EU. (Anm. d. Red.: EU-Beitritt 1995, NATO-Beitritt: Finnland 2023, Schweden 2024). Österreich ist zwar neutral, debattiert jedoch auch über eine NATO-Mitgliedschaft. Ich finde persönlich diesen Trend nicht gut. Durch meine Arbeit als Professorin für Europapolitik kann ich auf über 30 Jahre Politikgeschehen in Europa zurückblicken und die Fragen beantworten: Was wollten wir und wo sind wir gelandet?

r&z: Was war denn das ursprüngliche Ziel der EU?

U. G.: Um es ganz kurz zu machen: Wir wollten eine politische Union, wir wollten demokratische Strukturen, wir wollten eine institutionelle Reform und wir wollten weniger Kommissare als Mitgliedsländer, um Bürokratie in der EU einfacher zu halten. Außerdem wollten wir nicht unbedingt, dass die EU sich so schnell erweitert. Wir wollten aus dem Balkan nicht acht oder neun Staaten machen, die jetzt auch noch EU-Länder werden.