Euthanasie bedeutete in der Antike guter, würdevoller Tod . Aber bereits der Freitod und erst recht die Sterbehilfe waren schon damals umstritten. Mit dem Aufkommen der Apparate-Medizin erwuchs den Ärzten eine Macht über Leben und Tod, die mannigfach missbraucht wurde und bis in unsere Zeit ausgeübt wird. Weltweit schreitet die Sterbehilfe, mit zunehmender staatlicher Unterstützung durch Legitimierung, voran und droht Teil eines geschäftsträchtigen Todeskults zu werden.
Bereits die Philosophen der Antike waren sich über Sterbehilfe und Suizid uneins. Während Platon und Aristoteles höchstens die passive Sterbehilfe (s. Tabelle) im Falle einer aussichtslosen Krankheit, bei der der Arzt die Natur ihren Weg gehen lassen soll, akzeptierten, gaben sich die Stoiker milde. Leben zu können ist ein Geschenk der Natur, leben zu wollen eine Tugend, leben zu müssen eine Not , schrieb etwa Seneca. Und wer in Würde nicht mehr handeln kann, darf in Würde gehen, so der römische Kaiser und Philosoph Marc Aurel. Der Arzt Hippokrates, bekannt durch den hippokratischen Eid, lehnte dagegen ärztliche Hilfe beim Sterben strikt ab: Ich werde niemandem, auch wenn er darum bittet, ein tödliches Mittel geben, noch einen Rat zu solchem Tun erteilen.
Für das Christentum des Mittelalters war das Leben ein Geschenk Gottes, das nur von diesem selbst beendet werden durfte. Ärzte, die töteten oder Beihilfe leisteten, gelten als Gott spielend . Vermögensstrafen gegen die Familien von Suizidenten und eine Verweigerung einer kirchlichen Bestattung bezeugen die rigorose Haltung der Kirche. In unserer Zeit hat sich dies allerdings zu mehr Verständnis für den Freitod gewandelt. Suizidenten erhalten i.d.R. ein Begräbnis und passive sowie indirekte Sterbehilfe (s. Kasten) sind unter Umständen für die Kirche hinnehmbar. Aktive Sterbehilfe und assistierter Suizid hingegen lehnt sie weiterhin strikt ab.
Die lange geistige Vorherrschaft der katholischen Kirche ging mit Aufkommen von Renaissance, Humanismus und Aufklärung zu Ende. Autoren wie Montaigne, Erasmus und Thomas Morus griffen stoische Ideen wieder auf. Letzterer schrieb in seinem Werk Utopia: Wenn das Leben zur Qual wird, darf der Mensch sich vom Arzt helfen lassen, zu sterben. Die Diskussionen über würdiges Sterben kehrten ohne rein religiösen Rahmen zurück. Die menschliche Selbstbestimmung begann, göttliche Autorität zu relativieren.
In der Epoche der Aufklärung des 17. und 18. Jahrhunderts hatte die intellektuelle Schicht bereits das dogmatische Joch der Kirchen abgelegt. Doch in der Frage, ob und wann der Mensch über das Leben entscheiden könne, gab es natürlich unterschiedliche Auffassungen (immer ein Zeichen für geistigen Freiraum). David Hume betonte die autonome Vernunft des Menschen. Ihm zufolge verletze der … Selbstmord weder Gott, noch die Gesellschaft, noch uns selbst. Für Immanuel Kant dagegen ist Selbsttötung unvereinbar mit der Achtung vor der eigenen Person. Diese Aussage ließe sich mit Humes autonomer Vernunft allerdings ohne logischen Widerspruch umkehren.
Guter Tod
Die ethische Frage um Beihilfe zum Sterben entwickelte sich freilich erst im 19. Jahrhundert mit dem Aufkommen der medizinischen Technik, die Ärzten mehr Macht über Leben und Tod bescherte. Der Begriff der Euthanasie (wörtlich: guter Tod ) begann sich zu etablieren. Und flugs entwickelte sich der Begriff fort vom leidvoll Sterbenden in eine dystopische Sphäre hinein. Die Geburtsstunde der Herren über Leben und Tod kann bei den Lehren von Sozialreformern wie Karl Binding und Alfred Hoche verortet werden. Sie diskutierten eine Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens (so der gleichlautende Buchtitel) ein Konzept, das später durch das NS-Regime pervertierte Realität wurde. Hat mit einem guten Tod so nichts zu tun.






