Vererbte Wunden

Wie Trauma das Erbgut von Generationen prägt

Neue Studie zeigt erstmals epigenetische Spuren von Gewalt über drei Generationen.

Traumatische Erfahrungen verursachen nicht nur seelische Narben – sie können offenbar auch biologische Spuren in unserem Erbgut hinterlassen. Eine aktuelle Studie, veröffentlicht in Molecular Systems Biology (2025) von einem internationalen Forscherteam um Simonis et al., liefert nun den bislang klarsten Nachweis dafür: Kriegserfahrungen verändern die DNA-Methylierung – und diese Veränderungen werden über Generationen hinweg weitergegeben.

Der lange Schatten traumatischer Erlebnisse

Untersucht wurden syrische Flüchtlingsfamilien in Jordanien – drei Generationen, 48 Familien, insgesamt 131 Personen. Die zentrale Frage: Wie wirkt sich die Erfahrung von Gewalt während Schwangerschaft oder im frühen Leben auf die Epigenetik aus? Besonders im Fokus: Mütter, die selbst als Kinder oder während der Schwangerschaft Gewalt erlebt hatten, sowie deren Kinder und Enkel.

Die Forscher analysierten DNA-Proben aus der Mundschleimhaut und fanden dabei sogenannte „differenziell methylierte Positionen“ – Genorte, an denen die Aktivität durch chemische Markierungen verändert wurde. 14 solcher epigenetischer Veränderungen ließen sich auf Gewalterfahrungen der Großmütter zurückführen, 21 auf direkte Erfahrungen der Mütter.

Erblast schon im Mutterbauch

Besonders alarmierend: Kinder, deren Mütter in der Schwangerschaft Gewalt erlebt hatten, zeigten eine beschleunigte epigenetische Alterung – ein biologisches Zeichen dafür, dass sich Traumata bereits vor der Geburt ins Zellgedächtnis einbrennen können.

Zum ersten Mal gelang es in dieser Studie, eine Art „epigenetischen Fingerabdruck“ von Gewalt beim Menschen über mehrere Generationen hinweg sichtbar zu machen. Diese Entdeckung wirft ein neues Licht auf die Vererbung psychischer Belastungen – und auf die Verantwortung, wie wir mit kollektiven Traumata umgehen.

Hoffnung durch positive Einflüsse

Glücklicherweise wissen wir auch aus der aktuellen Forschung, dass epigenetische Veränderungen, die durch traumatische Erfahrungen entstehen, nicht unbedingt dauerhaft sein müssen. Psychotherapeutische Interventionen und positive Umweltveränderungen könnten dazu beitragen, diese Veränderungen zu modulieren oder sogar rückgängig zu machen. Dies eröffnet neue Perspektiven für die Behandlung von Traumafolgestörungen und betont die Bedeutung eines ganzheitlichen Ansatzes in der Therapie.

 

Quellen

Simonis et al., Molecular Systems Biology, 2025; doi: 10.1038/s44320-025-00093-6

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