Wegzugssteuer – eine finanzielle Mauer

Staat erschwert das Auswandern

Immer mehr Bundesbürger, denen die wirtschaftliche, politische und kulturelle Lage Deutschlands nicht mehr zusagt, zieht es in ein anderes Land. Das missfällt der Politik. Sie verschärft die Wegzugsbesteuerung.

Laut Statistischem Bundesamt wanderten allein 2024 mehr als 275.000 Deutsche aus. Bis einschließlich 2015 lag diese Zahl relativ stabil bei knapp 150.000 Auswanderern pro Jahr. Die beliebtesten Zielländer sind – in dieser Reihenfolge – die Schweiz, Österreich, die USA und Spanien.

Was viele jedoch nicht wissen: die Bundesrepublik Deutschland erhebt angesichts dieser „Republikflucht“ eine Wegzugssteuer, errichtet also eine Art finanzielle Mauer um die deutschen Grenzen.

Exodus der Leistungsträger

Das Instrument „Wegzugssteuer“ wurde im vergangenen Jahr deutlich nachgeschärft und soll dem Exodus auf anhaltend hohem bis steigendem Niveau Einhalt gebieten. Kaum verwunderlich sind es vor allem die Leistungsträger der Gesellschaft, die auch im Ausland händeringend gesucht werden.

In keinem Land (mit Ausnahme Belgiens) ist die Steuer-, Gebühren- und Abgabenlast so hoch wie in Deutschland. Aber eben auch die Aussicht auf eine höhere Lebensqualität sowie weniger Bürokratie und Bevormundung durch Staat und Gesellschaft wirken motivierend auf Bürgerinnen und Bürger, Deutschland den Rücken zu kehren.

Verschärfungen durch die Ampel

In ihrer modernen Form wurde die Wegzugsabgabe in den frühen 1970er-Jahren eingeführt. Jahrzehntelang waren davon fast ausschließlich die (Mit-)Eigner an Kapitalgesellschaften betroffen, die mindestens 1 Prozent der Anteile hielten. Doch in den Jahren 2022 und 2024 kam es noch unter der Ampel zu weitreichenden Änderungen.

Bis 2022 war es möglich, die Wegzugsteuer zinslos und unbefristet zu stunden. Fällig wurde sie erst, wenn es tatsächlich zu einem Verkauf der entsprechenden Kapital-Anteile kam. Es galt also der Grundsatz, dass erst dann eine Steuerschuld entsteht, wenn zuvor auch ein Gewinn erzielt wurde (der allerdings auch bereits versteuert wurde).

Fiktiver Gewinn

Neuerdings geht das Finanzamt von einem fiktiven Veräußerungsgewinn aus und legt zugrunde, wie viel ein Verkauf der betreffenden Anteile zum jeweils aktuellen Stand einbringen würde. Heißt: Auswanderer müssen flüssig genug sein, um die geforderte Summe zahlen zu können. Sonst müssen sie hier bleiben.

Es gilt die Berechnungsformel:
Wegzugssteuer = (Fiktiver Veräußerungspreis − Anschaffungskosten) × 0,6 × persönlicher Steuersatz.
Beispiel: 60 Prozent eines (fiktiven) Gewinns von 1.350.000 Euro wären 780.000 Euro. Bei einem Spitzensteuersatz von 45 Prozent könnten dann 351.000 Euro Wegzugssteuer anfallen. Hier werden nicht realisierte Gewinne besteuert. Sollten die Kapitalanteile später wieder fallen, erhält der Betroffene sein Geld nicht zurück. Pech gehabt.

Stundung bei Rückkehrabsicht

Wenn innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren eine Rückkehrabsicht nach Deutschland besteht, kann die aus fiktiven Gewinnen berechnete Steuerschuld auch weiterhin zinslos gestundet (d. h. die Zahlung verschoben) werden. Auf Antrag kann dieser Zeitraum einmalig um weitere fünf Jahre verlängert werden. Der Steuerschuldner, sprich der Auswanderer, muss seine Rückkehrabsicht gegenüber den deutschen Behörden erstens nachweisen und diese zweitens fortlaufend über seinen jeweils aktuellen Meldesitz im Ausland informieren.

Mit der jüngsten Verschärfung der Wegzugsbeteuerung zum 1. Januar 2024 wurde aber auch die Zahl der von dieser Abgabe betroffenen Bundesbürger massiv erhöht.

Schlag gegen private Altersvorsorge

Seit Jahresbeginn fallen auch sämtliche Anteile an Investmentfonds und ETFs darunter, die bestimmte Freigrenzen überschreiten. Und auch in diesem Fall müssen die Anteile nicht tatsächlich verkauft werden und damit einen echten Gewinn zeitigen – es gilt die Annahme eines fiktiven Gewinns. Von der Steuer ausgenommen bleiben damit lediglich solche Fälle, aus denen ein Veräußerungsverlust entsteht beziehungsweise fiktiv entstehen würde.

Ähnliches gilt für Erbfälle oder Schenkungen, wenn der Erbe im Ausland wohnt, der Erblasser jedoch in Deutschland gemeldet war.

Der Staat greift in zunehmendem Maße also auch in die Altersvorsorge seiner Bürger ein. Denn seit Jahren werden Investmentfonds und insbesondere ETFs von Experten als unverzichtbarer Bestandteil der privaten Vorsorge fürs Rentenalter empfohlen. Dass der Staat, der für das sich anbahnende Rentendebakel verantwortlich ist, ab sofort ausgerechnet dabei mitverdienen will, zeigt die Kaltblütigkeit der Regierung.

Beschränkte Steuerpflicht

Aber auch für Deutsche, die weder Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, Investmentfonds und/oder ETFs halten, kann das Außensteuergesetz zu einem bösen Erwachen im Ausland führen. Deutsche können nämlich gemäß Paragraf 2 AStG weiterhin einer erweiterten beschränkten Steuerpflicht in ihrer Heimat unterliegen, wenn sie ihren Wohnsitz in ein Niedrigsteuerland oder ein solches mit Vorzugsbesteuerung verlegen und auch weiterhin wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland verfolgen. Letzteres ist bereits durch Einnahmen aus Immobilien, Beteiligungen oder einer weiteren Einkunftsart gegeben.

Quellen

Quelle: https://reitschuster.de/

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