Das erwachte Gehirn

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Neurowissenschaftlerin Lisa Miller: Spiritualität ist unser Geburtsrecht

Artikelnummer: th-55-02 Kategorien: ,

Die renommierte Neurowissenschaftlerin Lisa Miller erforscht seit vielen Jahren den Zusammenhang von Spiritualität und psychischen Erkrankungen. Zum ersten Mal gelang ihr der bahnbrechende Nachweis, dass spirituelles Bewusstsein eine angeborene Fähigkeit ist, die in unserem Gehirn verankert ist. Darüber hinaus stellte sie fest, dass eine spirituelle Lebensweise vor Depression, Suchterkrankungen und Suizid schützt. Lesen Sie weiterhin im Interview wie wir unser Leben auf einem spirituellen Bewusstsein gründen können und was uns dabei im Wege steht.

raum&zeit: Sie haben den Zusammenhang zwischen Neurobiologie, Spiritualität und psychischen Erkrankungen erforscht. Was ist der Unterschied zwischen Spiritualität und Religion?
Prof. Dr. Lisa Miller: Durch die Zwillingsforschung konnten Wissenschaftler feststellen, inwiefern eine Eigenschaft angeboren oder von der Umwelt geprägt ist. Während das Temperament etwa zur Hälfte angeboren und zur Hälfte von der Umwelt geformt ist, ist der IQ zu 60 Prozent angeboren und wird zu 40 Prozent von der Umwelt beeinflusst. Durch die Zwillingsstudien wissen wir, dass Religion zu 100 Prozent von der Umwelt weitergegeben wird. Es ist ein Geschenk unserer Eltern, unserer Großeltern, unserer Gemeinschaft. Die Zeremonien, die heiligen Bücher und Texte, das jahrtausendealte Wissen, wie man sich dem Transzendenten nähern kann das alles ist ein Geschenk der Umwelt. Spiritualität ist dagegen zu einem Drittel angeboren. So wie wir zwei Augen, zwei Ohren und eine Nase haben, wird jeder von uns mit einer angeborenen Fähigkeit zum spirituellen Leben geboren. Spiritualität ist unser Geburtsrecht. Zu zwei Dritteln wird diese Fähigkeit von der Umwelt geformt, was bedeutet, dass sie ein hohes Maß an Sorgfalt und Entwicklung erfordert.

r&z: Wie haben Sie Spiritualität definiert?
Prof. L. M.: Spiritualität kann von einem Wissenschaftler nicht empirisch definiert werden. Aber was Wissenschaftler empirisch mit großer Genauigkeit tun können, ist, die neuronalen Verbindungen eines gelebten spirituellen Lebens unter der Lupe zu betrachten. Den größten Einfluss haben zwei Verbindungen, die absolut wegweisend sind und den Rest unseres Lebens und alle Dimensionen gelebter menschlicher Spiritualität verändern.
Bei der ersten handelt es sich um eine persönliche direkte Beziehung zum Transzendenten. Ob wir nun Universum, Gott, Energie, Urkraft, Jesus, Haschem oder Allah sagen, was auch immer das Wort sein mag, es ist die Fähigkeit, die große mächtige Liebe in uns, durch uns und um uns herum zu spüren, dass wir geliebt, gehalten und geführt werden. Wir sind nie allein. Die Fähigkeit, in einer dynamisch gelebten Beziehung mit einer transzendenten göttlichen Kraft zu stehen, ist uns angeboren.
Die zweite Verbindung ist, dass wir die göttliche Liebe oder eine transzendente Verbindung in allen Beziehungen zu unseren Mitmenschen fühlen können. Die Liebe zur höheren Macht und die Nächstenliebe gehen Hand in Hand und tatsächlich benutzen sie dieselbe neuronale Andockstation in unserem Gehirn.

r&z: Welchen Zusammenhang haben Sie zwischen Spiritualität und psychischen Erkrankungen gefunden?
Prof. L. M.: Zwischen Spiritualität und psychischen Erkrankungen gibt es eine sehr tiefe Beziehung. Wenn wir ein starkes spirituelles Leben führen unabhängig von unserer Religion oder ob wir spirituell und nicht religiös sind, haben wir einen enormen Schutz vor Depressionen, Sucht und sogar Selbstmord. Das Ausmaß des schützenden Nutzens ist enorm. Es ist zwei-, dreimal so groß wie alles andere, was wir in der klinischen Wissenschaft haben.