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Infopunkte Naturwissenschaft

raum&zeit-Ausgabe 230

Tageslänge wird kürzer – Erde erhöht die Drehzahl

Dass die Erde in ihrer Drehung um die eigene Achse ein so präzises Timing von ziemlich exakt 86 400 Sekunden (=24 Stunden) einhält, ist angesichts ihrer Fluidbestandteile – vor allem Gewässer, Magma sowie der flüssige Erdkern – erstaunlich genug. Man drehe nur einmal eine rohes Ei und dann ein hart gekochtes: Letzteres dreht sich mühelos, während das rohe Ei durch den Einfluss der Viskosität stark gebremst wird. Nicht nur sollte die Erde demnach weitaus unregelmäßiger um die eigene Achse rotieren, die Umdrehungsdauer sollte auch stetig zunehmen. Doch seit einigen Jahren ist das Gegenteil der Fall: Die Erde dreht sich schneller. Die Wissenschaftler haben erheblich mehr Probleme,

eine Erhöhung der Rotationsgeschwindigkeit zu erklären, als eine Verlangsamung. Sie vermuten, dass starke Erdbeben zu Umschichtungen in der Erdkruste führen, wobei mehr Masse in Richtung Erdinneres gelangt (Pirouetteneffekt). Die jüngsten Messungen der Zeitforscher zeigen, dass die Tageslänge im Jahr 2020 ganze 28 Mal kürzer war als der bisherige Rekordhalter von 1,0516
Millisekunden aus dem Jahr 2005. Für 2021 erwarten sie eine durchschnittliche Tageslänge, die um 0,05 Millisekunden unterhalb von 86 400 Sekunden liegt. Eine solche Unterschreitung fand das letzte Mal 1937 statt. Seit dem Einsatz von Atomuhren zur internationalen Zeitsynchronisierung gemäß UTC (koordinierte Weltzeit) wurden insgesamt 27 Schaltsekunden eingefügt, stets am
30. Juni und/oder am 31. Dezember eines Schaltjahres. Das erste Mal 1972, und das (vorläufig) letzte Mal am 31.12.2016. Doch bald könnte eine „negative“ Schaltsekunde nötig werden. Die Uhren würden dann von 23:59:58 auf 00:00 springen. Peter Whibberley, Zeitforscher am National Physical Laboratory für Zeitmessung (UK): „Es stimmt, dass sich die Erde derzeit schneller dreht als in den vergangenen 50 Jahren. Durchaus möglich, dass eine negative Schaltsekunde nötig wird, wenn sich die Rotationsgeschwindigkeit der Erde weiter erhöht.“ Allerdings sei es derzeit noch zu früh für eine solche Entscheidung. (DS) 
Quelle: https://www.timeanddate.com/time/earth-faster-rotation.html

Windenergie einmal anders – Schwingende Säulen

Man muss die Schwingungen nutzen, wo sie auftreten. Das hat sich wohl der spanische Ingenieur David Yanez gedacht, als er im Jahr 2012 ein Video über den Einsturz der Tacoma-Narrows-Brücke (im US-Staat Washington) sah. Die Hängebrücke kollabierte am 7. November 1940 etwa vier Monate nach ihrer Inbetriebnahme aufgrund von aerodynamischem Flattern im Wind. Das Phänomen ist als Wirbelablösung (engl.: vortex shedding) in der Strömungsdynamik bekannt. Dabei bilden sich hinter dem umströmten Körper gegenläufige Wirbel aus, die sich ablösen und als sogenannte Kármánsche Wirbelstraße fortsetzen. Damit einher geht ein zyklischer Unterdruck hinter dem Körper, der denselben in Schwingung versetzt. Könnte man nicht, so fragte sich David Yanez, diese Schwingung zur Energiegewinnung nutzen? Er gründete das Start-up-Unternehmen Vortex Bladeless und konnte nach einigen Jahren Entwicklungsarbeit einen Windkraftkonverter präsentieren, der ohne Rotorblätter auskommt. Der zylinderförmige Prototyp „Vortex Nano“ ist 85 Zentimeter groß und umschließt ein aeroelastisches Induktionsspulensystem mit starken Neodym-Magneten, das die Schwingungsenergie in Elektrizität umsetzt. Der „Mast“ genannte obere Teil der  Konstruktion oszilliert im Wind, während die mit dem Fundament verbundene „Basis“ starr ist. Ein magnetisches Tuning-System sorgt dafür, dass der Resonanzbereich der elastischen Schwingung sich automatisch der Windgeschwindigkeit anpasst. Dadurch wird stets die optimale Energiemenge aus dem Wind ausgekoppelt. Ab einer Windgeschwindigkeit von drei Meter/Sekunde arbeitet der Konverter, Stürme und Turbulenzen bremsen ihn nicht aus. Er kommt dabei ganz ohne Schmierstoffe und bewegliche bzw. rotierende Teile und Getriebe aus und funktioniert fast geräuschfrei.  Aufgrund alldessen rechnet das Unternehmen im Vergleich zu gewöhnlichen WKA mit verringerten Wartungskosten und längerer Haltbarkeit. Ein Nachteil ist, dass konstruktionsbedingt weniger Windenergie als durch eine Rotoren-WKA nutzbar gemacht werden kann. Dafür ist allerdings der Platz- und Materialbedarf deutlich verringert. Großes Plus: Da sich keine Rotorblätter drehen, werden Vögel und Insekten geschont. Die ersten 100 Geräte sollen noch 2021 von Universitäten, NGOs und Behörden in Europa im Rahmen einer Beta-Phase eingesetzt und getestet werden. (DS) 
Quelle: https://vortexbladeless.com/

Chinesen stellen neuen Rekord auf – Quantenrechner immer schneller

Chinesische Quantenforscher wollen einen neuen Rekord im Quanten-Computing aufgestellt haben. Bei ihrem System handelt es sich um einen auf Photonen (Lichtteilchen) basierenden Quantenrechner. Er macht sich die Eigenschaft der beliebigen Überlagerung und Verschränkung von Photonen zunutze. Allerdings sind Photonen extrem schwer in den Griff zu bekommen, da sie sich in der benötig-ten großen Zahl kaum synchronisieren lassen. Doch genau dies soll dem international renommierten chinesischen Experten für Lichtteilchen-Verschränkung Jian-Wei Pan gelungen sein. 76 Photonen sollen er und sein Team in Quantenüberlagerung gebracht und damit den bisherigen Rekordhalter Sycamore von Google um 23 übertroffen haben. Dabei sollen 1030 (eine Zahl mit 30 Nullen) verschiedene Zustände kalkulatorisch zugänglich gewesen sein. Insgesamt soll die Geschwindigkeit des nach einem alten chinesischen Rechenbuch „Jiuzhang“ genannten Quantencomputers 100 Billionen Mal schneller als der schnellste Superrechner gewesen sein. Die Hauptschwierigkeit eines Photonen-basierten Quantensystems besteht in der Konstruktion der Photonenquelle, einem hochpräzisen Laser, der einzelne Photonen mit identischen Merkmalen aussenden muss. Jian-Wei Pan verglich das damit, statt eines Schlucks Wassers einzelne Wassermoleküle zu trinken... Allerdings hat Jiuzhang eine erheblich Einschränkung: Er eignet sich nach derzeitigem Stand ausschließlich für das sogenannte „Gaussian Boson Sampling“, wobei eine Matrix aus unregelmäßig angeordneten Strahlteilern, Prismen und Spiegeln von den synchronisierten Lichtteilchen durchlaufen wird und alle möglichen Wege berechnet werden. Hierfür habe der Quantenrechner nur 200 Sekunden benötigt. Erst wenn es gelingt, die Photonen nach jeder Interaktion in dem Experimentierfeld einzeln zu messen und je nach dem Mess-ergebnis den weiteren Weg neu zu kalkulieren, ließe sich ein universeller, programmierbarer  Lichtquantencomputer konstruieren. (DS) 
Quelle: https://science.sciencemag.org/content/370/6523/1460

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